Ex-Präsident muss Schadensersatz zahlen Trump wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt
Schuldig des sexuellen Missbrauchs, so das Urteil gegen Donald Trump. Die Klägerin nennt es einen "Sieg für jede Frau", er sieht sich als Opfer einer "Hexenjagd". Was heißt das für seine politischen Ambitionen?
"Wir sind sehr glücklich" - das ist alles, was Anwältin Roberta Kaplan den Wartenden zuruft, als sie ihre Mandantin an der Hand aus dem Gerichtsgebäude führt. E. Jean Carroll lacht befreit hinter ihrer großen Sonnenbrille. Die elegante Frau im hellen Kostüm wirkt zerbrechlich, so sehr sie sich auch sichtlich bemüht, aufrecht und stark zu gehen. "Du bist so stark und schön. Danke", rufen ihr einige Schaulustige zu. "Wir haben so viel Respekt vor dir."
Weniger als drei Stunden hat die Geschworenen-Jury benötigt, um zu ihrer historischen Entscheidung zu kommen: Die unabhängig ausgewählten Laien beim Bundesgericht in Manhattan sehen es als erwiesen an, dass Donald Trump die ehemalige Modemagazin-Autorin Carroll sexuell missbraucht hat. Sie sprachen der Klägerin fünf Millionen Dollar Schadensersatz wegen Körperverletzung und Verleumdung zu. Den Vorwurf der Vergewaltigung wies die Jury in dem Zivilprozess zurück.
Nennt das Urteil einen "Sieg nicht nur für mich, sondern für jede Frau": E. Jean Carroll beim Verlassen des Gerichtsgebäudes.
"Es war absolut gegen meinen Willen"
Die US-Autorin Carroll hatte Trump vorgeworfen, er habe sie Mitte der 1990er-Jahre in der Umkleidekabine eines New Yorker Nobelkaufhauses vergewaltigt. "Er zog mir die Strumpfhose runter, es war ein Kampf", so beschrieb es Carroll 2019 in einem CNN-Interview und fügte an: "Ich möchte, dass alle Frauen wissen: Ich stand nicht nur da, ich war nicht gelähmt - ich kämpfte. Es war schnell zu Ende. Es war absolut gegen meinen Willen. Und ich rannte weg - raus."
Die Kolumnistin des Magazins "Elle" hatte ihren Vorwurf bereits 2019 gegen den damaligen Präsidenten öffentlich gemacht. Trump bezichtigte sie daraufhin der Lüge. Carroll sei "nicht sein Typ", sagte er 2022 geringschätzig in einer Anhörung. Später hatte er allerdings Carroll auf Fotos, die ihm gezeigt wurden, mit seiner Ex-Frau verwechselt. Unter Eid hatte Trump 2022 ausgesagt: Er wisse nichts über sie, sie sei psychisch krank.
Neues Gesetz machte Prozess möglich
Carroll verklagte Trump deswegen zunächst wegen Verleumdung. Vergangenes Jahr reichte sie dann eine zusätzliche Klage ein - wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung selbst. Möglich wurde dies durch ein neues Gesetz im Bundesstaat New York. Es erlaubt mutmaßlichen Vergewaltigungsopfern unabhängig von Verjährungsfristen, mutmaßliche Täter auf Schadenersatz zu verklagen.
Während des Prozesses in Manhattan hatten dann zwei weitere Frauen ausgesagt, sexuelle Übergriffe durch Trump erlebt zu haben. Er selbst war dem Ende April gestarteten Zivilprozess ferngeblieben. Trumps Anwalt Joe Tacopina sprach vor Journalisten von einem "merkwürdigen" Urteilsspruch: "Das war eine Vergewaltigungsklage. Die Jury hat sie zurückgewiesen, aber kam zu anderen Ergebnissen. Die werden wir anfechten."
Trump wiederholt "Hexenjagd"-Vorwurf
Trump selbst wetterte nach der Entscheidung der Geschworenen-Jury auf der von ihm mitbegründeten Plattform Truth Social. Dieses Urteil sei "eine Schande". Es handele sich um eine Fortsetzung der "größten Hexenjagd aller Zeiten". Und Trump wiederholte mit Blick auf Klägerin Carroll: Er habe absolut keine Ahnung, wer diese Frau sei.
Trump ist von zahlreichen Frauen des sexuellen Fehlverhaltens bis hin zur Vergewaltigung beschuldigt worden. Er hat solche Vorwürfe stets zurückgewiesen. Mit dem jüngsten Urteil wird der Ex-Präsident dafür erstmals rechtlich zur Verantwortung gezogen. Carrolls Anwältin Kaplan hatte in ihrem Schlussplädoyer an die Geschworenen appelliert: Trump müsse für seine Tat zur Rechenschaft gezogen werden, weil auch ein Ex-Präsident nicht über dem Gesetz stehe.
Sein Anwalt Tacopina erklärte hingegen, Trump glaube nicht, dass er im demokratisch geprägten New York einen fairen Prozess mit einer fairen Jury bekomme. Das sei nicht ganz abwegig, sagte auch die New Yorker Ex- Staatsanwältin Annemarie McAvoy dem ARD-Studio New York. In New York kämen vielleicht zehn Demokraten auf einen Republikaner - und die New Yorker Republikaner würden Trump nicht unbedingt mögen. "Also ist es hier in New York schon wahrscheinlicher, dass eine Jury ihn für schuldig befindet."
Urteil könnte Stimmen kosten - oder einbringen
Trump will 2024 erneut US-Präsident werden und bewirbt sich für die republikanische Nominierung. Das rechtliche Vorgehen gegen ihn in einer Reihe von Fällen stellt er als politisch motiviert dar. Möglich, dass ihm dieses Urteil - und auch die schlechte Presse - die Stimmen einiger konservativer Wählerinnen entzieht, meint Juristin Mc Avoy. Möglich sei auch, dass das den Anschuldigungen der Frauen gegen ihn mehr Glaubwürdigkeit verleihe.
Doch es sei genauso möglich, dass Trump von dem Urteil politisch profitiere. "Die, die ihn unterstützen, das Ganze als Hexenjagd gegen ihn empfinden und die New Yorker Jury kritisch betrachten, könnten jetzt erst recht sagen: 'Wir brauchen Trump, müssen ihn schützen. Er verdient es, zurück ins Amt gewählt zu werden'."
Eine Reihe weiterer Ermittlungen
Zuletzt waren Trumps Umfragewerte in parteiinternen Befragungen gestiegen. Er lag darin deutlich vor anderen möglichen republikanischen Bewerbern. Gegen ihn laufen allerdings noch zahlreiche andere Ermittlungen: Vergangenen Monat war Trump ebenfalls in New York wegen verschleierter Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar strafrechtlich angeklagt worden. Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, wirft ihm vor, damit seine Chancen bei der Präsidentenwahl 2016 erhöht und gegen Wahlgesetze verstoßen zu haben.
Es laufen weitere Ermittlungen gegen ihn - etwa wegen seiner Rolle bei der Erstürmung des US-Kapitols. Im Bundesstaat Georgia untersucht die dortige Staatsanwältin, ob Trump sich versuchter Wahlbeeinflussung schuldig gemacht hat. Sie will im Sommer entscheiden, ob sie Anklage erheben wird.