Ein gegner von Ex-Präsident Trump hält in New York (USA) ein Plakat hoch mit der Aufschrift "Lock him up" - "Sperrt ihn ein"
FAQ

Prozess in New York Das Wichtigste zur Trump-Anklage

Stand: 04.04.2023 15:05 Uhr

Beispielloses Ereignis in der US-Geschichte: Erstmals muss sich ein ehemaliger US-Präsident vor Gericht verantworten. Was ist über die Anklage gegen Trump bekannt, welche Probleme könnte es geben - und wie läuft das Verfahren ab?

Von Mit Material mehrerer Nachrichtenagenturen

Worum geht es bei der Anklage?

Zum ersten Mal überhaupt klagt eine Staatsanwaltschaft mit Donald Trump einen Ex-Präsidenten der Vereinigten Staaten an. Die Anklage aus New York dreht sich um Schweigegeldzahlungen an den Pornostar Stormy Daniels und womöglich auch an das Model Karen McDougal in Höhe von 130.000 und 150.000 Dollar.

Ex-US-Präsident Trump vor Gericht in New York

Gudrun Engel, ARD Washington, tagesschau, 04.04.2023 17:00 Uhr

Wer ist Stormy Daniels und was hat sie mit Trump zu tun?

Die Vorwürfe begleiten Trump schon lange. Daniels, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Clifford heißt, hatte 2006 nach eigener Aussage Sex mit Trump, was er bestreitet. Nach Angaben der heute 44-Jährigen lernten sich beide im Sommer 2006 bei einem Golfturnierwochenende am Lake Tahoe kennen und schliefen dort miteinander - nur wenige Monate, nachdem Trumps Ehefrau Melania den gemeinsamen Sohn Barron auf die Welt gebracht hatte.

Daniels sagt, die beiden hätten auch danach über Monate Kontakt gehabt. Trump weist all das als "falsche und erpresserische Anschuldigungen" zurück. Daniels ist in den USA ein bekannter Erotikfilmstar und hat sich in der Branche auch als Regisseurin einen Namen gemacht.

Die frühere Pornodarstellerin Stephanie Clifford, auch bekannt unter ihrem Filmnamen Stormy Daniels, äußert sich im Jahr 2018 vor einem US-Gericht in New York (USA) zu Reportern.

Ihr Fall sorgte schon 2018 für Aufsehen - nun führt er zu einer Anklage: die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels.

Warum könnte das Schweigegeld gegen US-Recht verstoßen haben?

Trumps Anwalt Michael Cohen hatte das Schweigegeld kurz vor der US-Präsidentschaftswahl 2016 an Daniels überwiesen und später von Trumps Familienholding, der Trump Organization, zurückerstattet bekommen.

Schweigegeld zu zahlen, ist in den USA nicht illegal. Die Frage dürfte aber sein, ob die Art und Weise der Erstattung an Cohen rechtmäßig war und ob es sich womöglich um eine Form von nicht deklarierter und insofern illegaler Wahlkampffinanzierung handelte.

Nachdem Trump die Wahl 2016 gewonnen hatte und ins Weiße Haus eingezogen war, beschuldigte die New Yorker Staatsanwaltschaft seinen Anwalt Cohen, die Zahlungen seien unzulässige Wahlkampfspenden gewesen. Ihr Zweck sei es gewesen, vor der Wahl Schaden von Trump abzuwenden. Cohen bekannte sich damals schuldig und musste in Haft.

Peter Mücke, ARD New York, über die Verlesung der Anklage gegen den Ex-US Präsidenten Trump

tagesschau24 19:00 Uhr

Nun geht es wahrscheinlich vor allem um die Frage, ob auch Trump gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen hat. Cohen erklärte, er habe auf Trumps Anweisung gehandelt. Solange Trump Präsident war, genoss dieser Immunität, gegen ihn konnte nicht ermittelt werden. Er hat die Zahlungen an Cohen öffentlich eingeräumt, aber argumentiert, die falschen Anschuldigungen von Daniels hätten damit gestoppt werden sollen.

Die Zahlung an McDougal lief über den Mutterkonzern des Boulevardblattes "National Enquirer", der mit dem Geld ihre Geschichte kaufte, um sie damit vom Markt zu nehmen und eine Veröffentlichung zu verhindern. US-Rechtsexperten vermuten deshalb, dass der Fall McDougal weniger brisant ist als der Fall Daniels.

Ist eine Verurteilung wahrscheinlich?

Das ist schwer vorherzusagen. Es ist eigentlich davon auszugehen, dass Staatsanwalt Bragg in dem aufsehenerregenden und beispiellosen Fall nur Anklage erhebt, wenn er von den Erfolgschancen überzeugt ist.

Aber das Vorgehen birgt Risiken: An Hauptzeuge Cohen hängt der Fall maßgeblich, weil er das direkte Bindeglied zwischen Trump und den Zahlungen ist. Mehr als ein Jahrzehnt lang arbeitete der Anwalt für Trump und war eine zentrale Figur in mehreren Affären um den Republikaner. Er wurde oft als Trumps "Ausputzer" beschrieben - bis es zum Bruch zwischen beiden kam. Vor Gericht und dem Kongress erhob er schwere Vorwürfe gegen Trump.

Der Staatsanwaltschaft könnte aber ein Glaubwürdigkeitsproblem des Schlüsselzeugen zum Verhängnis werden: Cohen ist selbst verurteilter Straftäter, unter anderem wegen einer Falschaussage vor dem Kongress. Zudem könnten Trumps Verteidiger versuchen, ihn als rachsüchtig darzustellen.

Was droht Trump, falls er verurteilt wird?

Es ist offen, ob Trump im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe erhalten würde. Falls ja, so spekulieren US-Beobachter, könnten es bis zu vier Jahre Haft sein.

Joseph Tacopina (Archivbild)

Er wird Trump in New York verteidigen: Anwalt Joseph Tacopina (Archivbild).

Dürfte Trump im Fall einer Verurteilung für die Wahl 2024 antreten?

Trump hatte vorab schon klar gemacht, dass er seine Präsidentschaftsbewerbung auch im Falle einer Anklage nicht zurückziehen wolle. Bis zu einem Urteil könnten viele Monate oder sogar Jahre vergehen. Und selbst ein Schuldspruch müsste Trump rein rechtlich nicht davon abhalten, für die Wahl 2024 anzutreten.

Es gab in der US-Geschichte sogar schon einen Präsidentschaftskandidaten, der nicht nur angeklagt, sondern auch verurteilt wurde und aus dem Gefängnis heraus die Wahl bestritt: Eugene Debs im Jahr 1920.

Bei Trump stellt sich eher die politische Frage, ob die republikanische Basis und Partei bereit sind, sich hinter einem Kandidaten zu versammeln, der im Zusammenhang mit dubiosen Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar angeklagt ist. Vorerst scharen sich Unterstützer und selbst parteiinterne Konkurrenten um ihn und werten die Anklage als politischen Angriff von links. Hartgesottene Anhänger dürften sich in ihrem Eifer sogar noch bestärkt fühlen.

Schon in der Vergangenheit zeigte Trump, dass selbst schwere Vorwürfe und Fehltritte nicht zum Ende seiner politischen Karriere führen und er diese sogar für sich ausnutzen kann. Und rechtlich bergen andere Vorwürfe mehr Gefahr.

Welche anderen rechtlichen Probleme hat Trump noch?

Gegen den Republikaner laufen noch mehrere andere Ermittlungen. Zwei stechen heraus: Das US-Justizministerium hat einen Sonderermittler eingesetzt, um Trumps Umgang mit geheimen Regierungsunterlagen zu untersuchen. Trump bewahrte nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus im großen Stil Regierungsdokumente in seinem privaten Anwesen Mar-a-Lago in Florida auf, darunter etliche Dokumente mit höchster Geheimhaltungsstufe.

Trump könnte sich damit strafbar gemacht haben. Manche Rechtsexperten meinen, mit einer Anklage dazu könnte sich Trump für das Präsidentenamt disqualifizieren.

Der Sonderermittler forscht auch nach, welche Rolle Trump bei den Bemühungen spielte, den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 zu beeinflussen, etwa im Bundesstaat Georgia.

Auch Trumps Rolle bei dem Angriff auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 wird untersucht. Manche Juristen sehen auch hier Risiken für Trump mit Blick auf seine Wiederwahlambitionen: Es sind laut Verfassung nämlich all jene von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, die sich an einem Aufstand gegen die Regierung beteiligt haben.

Was sagen Trumps Anhänger und Gegner zu der Anklageerhebung?

Trump bemüht in seiner Reaktion ein bekanntes Muster: Er spricht einmal mehr von einer "Hexenjagd" auf ihn, die - gemäß seiner Vorliebe für Superlative - die größte in der amerikanischen Geschichte sei. Trump und seine Anhänger nehmen insbesondere Staatsanwalt Bragg ins Visier, den sie als einen Radikalen oder als Rassisten bezeichnen, der seine Macht missbrauche und deshalb zur Verantwortung gezogen werden müsse. In die Vorwürfe mischen sich auch antisemitische Töne - so wird Bragg vorgeworfen, von dem ungarisch-amerikanischen Milliardär George Soros finanziert zu werden; ein bei Anhängern von Verschwörungstheorien häufig benutztes Denkmuster.

Radikale US-Republikaner wie die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene haben zu Demonstrationen in New York aufgerufen - das Vorgehen auf Trump sei in Wahrheit ein Angriff auf alle Amerikaner. Die Polizei ist deshalb mit zahlreichen Einsatzkräften vor Ort, um Ausschreitungen wie am 6. Januar 2021 in der Hauptstadt Washington zu verhindern.

Trumps Gegner sehen in der Anklage wiederum einen Beweis dafür, dass das US-amerikanische Rechtssystem funktioniere, weil niemand über dem Gesetz stehe, auch ehemalige US-Präsidenten nicht. Führende Vertreter der Demokraten wie Chuck Schumer oder Nancy Pelosi warnten deshalb davor, das Verfahren von außen durch politischen Druck oder Demonstrationen zu beeinflussen.

Sarah Schmidt, WDR zzt. New York, über die Proteste gegen Trump-Anklage in New York

tagesschau, 04.04.2023 17:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 04. April 2023 um 12:00 Uhr.