Amazonas-Gipfel in Brasilien Fortschritt oder falsche Hoffnung?
Bei einem Gipfeltreffen wollen die Präsidenten der Amazonas-Staaten Strategien für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen entwickeln. Experten sind uneins, wie weit der politische Wille tatsächlich tragen kann.
Zum Auftakt des Amazonas-Gipfels erstmal positive Nachrichten: Die Abholzung ist, so offizielle Zahlen, in Brasilien seit Amtsantritt von Lula da Silva stark zurückgegangen - um ganze 42 Prozent. Null Abholzung bis 2030 ist das erklärte Ziel des Präsidenten. Er rief die Nachbarstaaten auf, diese Selbstverpflichtung zu übernehmen.
Der Gipfel nun in Belém solle eine Plattform sein, auf der die acht Amazonas-Länder gemeinsam mit den lokalen Regierungen und den Bewohnern nach Lösungen suchen, so Lula. "Der Regenwald kann nicht nur als ökologisches Schutzgebiet betrachtet werden. Die Welt muss sich um das Recht der Bewohner des Amazonasgebiets auf ein gutes Leben kümmern", forderte er. "Schließlich hat nachhaltige Entwicklung drei untrennbare Dimensionen: Wirtschaft, Soziales und Umwelt."
Brasilien will Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel
Das Vorhaben ist ein Novum, besonders, da die acht Regierungen keineswegs auf einer politischen Linie liegen. Zwar gibt es bereits seit Ende der 1970er -Jahre einen Kooperationsvertrag zwischen den Amazonas-Staaten. Neben Brasilien sind das Bolivien, Ecuador, Guayana, Kolumbien, Peru, Venezuela und Surinam. Seit 2009 fand aber kein Treffen mehr statt.
Der Gipfel in Belém ist nun ein weiteres Signal des brasilianischen Staatschefs Lula da Silva, eine Führungsrolle im globalen Kampf gegen den Klimawandel zu übernehmen - und dabei auch die Industriestaaten stärker in die Pflicht nehmen. Seine Umweltministerin Marina Silva machte das noch mal deutlich:
Wenn die Länder Europas, die USA, aber auch China, der größte Emittent der Welt, den Ausstoß fossiler Brennstoffe nicht zurückfahren, wird der Amazonas gleichermaßen zerstört. Dass wir nicht an einen Kipp-Punkt kommen, ist nicht nur Verantwortung unserer Länder. Unsere ist es, mit einem guten Beispiel voranzugehen.
Kritische Frage der Erdölförderung
Den wohl stärksten Mittstreiter hat Brasilien dabei im Nachbarland Kolumbien gefunden. Beim Vorbereitungsgipfel in der Grenzstadt Leticia vor wenigen Wochen erklärte Präsident Gustavo Petro: "Der Ansatz, die Wälder zu schützen, um Leben zu schützen, führt immer wieder zu einer anderen Frage: Wieviel zahlen sie uns dafür?"
Dazu gehöre auch die Frage: "Belassen wir fossile Brennstoffe im Amazonas in der Erde oder fördern wir sie?" Das sei eine Entscheidung, die gemeinsam getroffen werden sollte, auch wenn jeder Staat natürlich souverän sei.
Allerdings: Gemeinsame Positionen dürfte es dazu kaum geben, schwemmt die Erdölförderung doch in den meisten Staaten dringend benötigte Dollar in die Staatskassen. Auch für Gastgeber Lula ist das ein Dilemma, das bereits zu Konflikten in der eigenen Koalition geführt hat, weswegen er sich um klare Aussagen bisher windet.
Verfolgung illegaler Aktivitäten bisher schwierig
Es ist nur einer von vielen kritischen Punkten. Lokale Gemeinschaften und ihre Territorien stehen nicht nur in Brasilien unter Druck: durch illegalen Goldabbau, sich ausdehnende Viehzucht oder auch Kokaanbau. Dazu wächst der Einfluss der organisierten Kriminalität. Drogenhandel geht oft einher mit dem Schmuggel von Gold, Edelhölzern, Waffen oder Wildtieren.
Illegale Gelder wiederum befördern die Korruption. "Illegale Gruppen überqueren einfach Grenzen, um der juristischen Verfolgung zu entgehen, da braucht es mehr internationale Zusammenarbeit", fordert die Umweltaktivistin Albina Ruiz, heute Perus Umweltministerin. Deswegen müssten auch Innen- und Verteidigungsminister mit am Tisch sitzen.
Innenpolitische Probleme grenzen Handlungsspielraum ein
Die Staaten hätten über einen Großteil des Amazonasgebietes gar keine Kontrolle, gibt auch der venezolanische Biologe Alex Fergusson zu bedenken. Ecuador und Peru steckten zudem in schweren politischen Krisen, unklar ist, wer in einem Jahr im Regierungspalast sitzt. Derweil täte Venezuelas autoritärer Staatschef Nicolas Maduro so, als gäbe es überhaupt keine Umweltprobleme:
Die Länder, die zum Amazonas-Kooperationsvertrag gehören, haben derart viel interne Probleme, dass sie weder Ressourcen, Personal noch Know-How aufbringen, komplexe gemeinsame Aktionen zu koordinieren. Sie bekommen ja nicht mal ihre eigenen Krisen in den Griff, das setzt dem ganzen enge Grenzen.
Experte: Druck aus der Zivilbevölkerung massiv
Weit weniger pessimistisch ist Marcio Astrini vom Umwelt-Think-Tank "Observatorio de Clima". Es sei klar, dass der Gipfel nur ein Anfang sei. Doch die Amazonas-Dialoge im Vorfeld hätten gezeigt, dass der Druck der Zivilbevölkerung massiv sei und zunehme. Hoffnung setzt er auch darauf, dass ein gemeinsamer Rat aus Wissenschaftlern gegründet werden soll.
"Wir werden am Ende eine politische Erklärung haben, mit vielen Absichtserklärungen und weniger konkreten Punkten. Aber immerhin ist das ein Signal, dass man gemeinsam agieren will", so Astrini. "Wir werden noch mehr Gipfel brauchen, aber es gibt zumindest mal eine Einheit, die es vorher nicht gab."
Die Zeit drängt. Wissenschaftler warnen, dass sich der Amazonas bei fortschreitender Zerstörung einem Kipppunkt nähert. 17 bis 20 Prozent seien jetzt schon zerstört - mit dramatischen Folgen für das Weltklima.
In einer früheren Version des Textes hieß es, die COP in Belem finde 2030 statt. Tatsächlich ist die Klimakonferenz 2025.
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