Humanitäre Krise im Sudan "Familien, die nur noch Gras zum Essen haben"
Die Lage im Sudan gilt als größte humanitäre Katastrophe der Welt. Für die Menschen ist die Situation aussichtslos. Und nun ist auch noch das größte Flüchtlingslager im Land unter Beschuss geraten.
Das kleine Mädchen aus Darfur war gerade erst geboren. Ihre Überlebenschancen waren gering. Die Mutter war nach einem langen Fußmarsch ins Krankenhaus nach Nyala gekommen. Selbst stark unterernährt, konnte sie keine Milch geben. Ihre Tochter litt unter akuter Unterzuckerung.
"Ich bin auf Station gegangen und hab das Kind gesehen - das fast nicht mehr geatmet hat. Das war noch keine vier Wochen alt", erinnert sich Maria Fix. Sie ist Gesundheits- und Krankenpflegerin aus der Nähe von München. Vier Monate lang war sie für die Organisation Ärzte ohne Grenzen in Nyala im Sudan - ein Ort weit im Westen des Landes, wo sonst kaum Hilfe ankommt seit Beginn des Kriegs vor anderthalb Jahren.
Fix sagt über ihre Arbeit: "Die Hilfsbedürfnisse fühlen sich an wie ein großer Ozean und das, was wir tun können, fühlt sich an wie eine Flasche Wasser, die wir da unterstützen können." Es könne bei weitem nicht ausreichend und genug getan werden, "um wirklich alle Feuer zu löschen".
Größte humanitäre Katastrophe der Welt
Die Vereinten Nationen bezeichnen die Lage im Sudan als größte humanitäre Katastrophe der Welt. Elf Millionen Menschen sind im Land auf der Flucht. Drei Viertel aller Kinder können nicht zur Schule gehen.
Dazu kommt der Hunger: Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist nach Angaben der Vereinten Nationen mangelernährt - mehr als 25 Millionen Menschen.
Probleme durch geschlossene Gemeindeküchen
Der Hunger zeigt sich überall. Muhammad Awad ist in die Stadt Omdurman geflüchtet. Der Nachrichtenagentur Reuters sagte er:
Es gibt nicht ausreichend zu essen, Krankheiten sind überall. Es gibt keine Sicherheit.
Zum Kochen fehle das Geld für Nahrungsmittel. Deshalb seien sie abhängig von Gemeindeküchen gewesen. Doch auch die haben geschlossen. "Wir haben nichts mehr zu essen", sagt der Vertriebene.
Am dramatischsten in die Lage in Darfur. Mohamed Abdiladif von der Hilfsorganisation Save the children sagt, dass viele Familien sich auf eine Mahlzeit am Tag beschränken müssen. "Es gibt aber auch Berichte über Familien, die nur noch Gras zum Essen haben. Das ist unvorstellbar im 21. Jahrhundert. Für Familien und Kinder unerträglich."
Angriff auf Flüchtlingslager
Als wäre das nicht genug, ist das größte Flüchtlingslager in Darfur Anfang des Monats unter Beschuss geraten - das Camp Sam-Sam mit mehr als 400.000 Bewohnerinnen und Bewohnern. Tausende haben das Lager fluchtartig verlassen. Wohin, das wissen sie nicht genau. Sicherheit gibt es dort nicht.
Für den Beschuss des Camps machen Hilfsorganisationen die Rapid Support Forces (RSF) verantwortlich. Die massive bewaffnete Miliz kämpft seit anderthalb Jahren gegen die sudanesische Armee. Sah es vor einigen Monaten so aus, als könnten die RSF in diesem Krieg die Oberhand gewinnen, macht inzwischen wieder die Armee Geländegewinne.
In solchen Lagern leben die geflohenen Menschen
Kleine Lichtblicke im Alltag
Hoffnung auf Frieden hat im Sudan derzeit kaum jemand. Wenn es um die Linderung des Leids geht, gibt es immerhin manchmal kleine Lichtblicke. Seit Beginn der Trockenzeit kommen wieder mehr Laster des Welternährungsprogramms in den Flüchtlingslagern an und beliefern die Bedürftigen mit Nahrungsmitteln.
Das kleine Mädchen, das Maria Fix behandelt hat, konnte gerettet werden. Es wurde fast anderthalb Stunden reanimiert und dann so stabilisiert, dass es nach ein paar Tagen entlassen werden konnte. "Aber so was geht mir schon sehr nahe, weil so was eigentlich verhindert werden kann", sagt die Krankenpflegerin.
Für die Helferin von den Ärzten ohne Grenzen ist klar: Sie will und sie muss wieder in den Sudan. Ihr nächster Einsatz - dieses mal im Osten des Landes - ist bereits geplant.