Niger Militär schlägt sich auf Seite der Putschisten
Nachdem eine Eliteeinheit der Armee in Niger den Präsidenten des Landes abgesetzt hat, hat sich nun auch die Militärführung auf die Seite der Putschisten geschlagen. Im Land stationierte deutsche Soldaten sind laut Bundeswehr in Sicherheit.
In Niger hat sich das Militär des Landes auf die Seite der Putschisten geschlagen, die Präsident Mohamed Bazoum am Mittwoch für entmachtet erklärt hatten. In sozialen Medien erklärten die Streitkräfte, die "körperliche Unversehrtheit des Präsidenten und seiner Familie gewährleisten" sowie eine "tödliche Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Sicherheitskräften" vermeiden zu wollen. Die Militärs warnten zudem das Ausland davor, militärisch einzugreifen, dies könne verheerende Folgen haben.
Bazoum war von der Präsidentengarde festgesetzt worden. Zunächst hatte sein Büro noch angekündigt, Armee und Nationalgarde seien bereit, gegen die Putschisten zu kämpfen. Doch nun bezog das Militär Position gegen Bazoum.
Der Putsch war zuvor von der Afrikanischen Union, den USA, der EU und der deutschen Bundesregierung scharf verurteilt worden. UN, EU und Russland forderten zudem, den festgesetzten Bazoum sofort freizulassen.
Baerbock telefoniert mit Außenminister
Außenministerin Annalena Baerbock telefonierte mit dem Außenminister der gewählten Regierung, Hassoumi Massoudou, und sagte ihm Deutschlands Unterstützung zu. Wie die UN, die EU und auch Russland forderte sie zudem die Freilassung des festgesetzten Präsidenten, wie das Auswärtige Amt mitteilte.
Baerbock betonte, trotz schwieriger Umstände habe sich die Regierung unter Bazoum bemüht, "sich als verlässlicher Partner zu positionieren, Armut zu bekämpfen, dass Leben seiner Bevölkerung nachhaltig zu verbessern und so dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen".
Putsch um Putsch
Bazoum rief dazu auf, die demokratischen Errungenschaften des bitterarmen Landes zu verteidigen. "Alle Nigrer, die Demokratie und Freiheit lieben, werden dafür sorgen", schrieb er auf Twitter. Die Wahl Bazoums 2021 stellte den ersten friedlichen Machtwechsel seit der Unabhängigkeit Nigers 1960 dar.
Die Politikwissenschaftlerin Anja Osei vom Otto-Suhr-Institut der FU Berlin betonte im Interview mit tagesschau24, dass es im Niger eine "hohe Nachfrage nach Demokratie" gebe und Demokratie als Staatsform "gewünscht und hoch angesehen" sei. Dennoch würden die Erwartungen der Bevölkerung "insbesondere in Bezug auf die sozioökonomische Entwicklung, vor allem aber im Moment in Bezug auf die Sicherheit" auch von formal demokratisch gewählten Regierungen nicht erfüllt.
Es gebe ein hohes Maß an Korruption und damit auch ein hohes Maß an Enttäuschung über die "Leistungsfähigkeit der politischen Systeme", so Osei. Das ließe sich für ganz Westafrika sagen.
Anja Osei, Politikwissenschaftlerin Freie Universität Berlin, mit Details zum Militärputsch in Niger
Letztes demokratisch regiertes Land der Sahelzone
Niger war das letzte Land der Sahelzone, das noch demokratisch regiert wurde. In den Nachbarländern Mali und Burkina Faso hatten seit 2020 Militärs geputscht, was mit einer Abwendung von Europa und zuletzt auch der Forderung nach einem Abzug der UN-Mission in Mali einherging.
Bei Demonstrationen in der Hauptstadt Niamey nach dem Putsch wurden pro-russische Plakate gezeigt. "Es lebe die nigrisch-russische Zusammenarbeit, damit der Niger lebt", war auf einem Plakat zu lesen, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Auch russische Fahnen sollen geschwenkt worden sein.
UN setzen Hilfsprogramm aus
Die Vereinten Nationen setzten ihre humanitäre Hilfe aus, weil die nigrischen Behörden den Luftraum gesperrt haben. "Das Problem in der Luft ist derzeit, dass unsere humanitären Flüge innerhalb des Landes nicht fliegen können", sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric. In Niger leben mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut.
Zukunft von EU-Mission noch unklar
Erst Ende vergangenen Jahres hatte die EU eine Militärmission in Niger beschlossen, um gegen Terroristen in der Region vorzugehen. Das Dreiländereck aus Niger, Mali und Burkina Faso wird seit Jahren von Gruppen terrorisiert, die den Terrormilizen Al-Kaida und IS anhängen. Die Sicherheitslage verschlimmert sich zunehmend und bedroht auch bislang stabile angrenzende Staaten.
Wie es nun mit der Niger-Mission der EU weitergehen könnte, sei noch nicht entschieden, sagte eine EU-Sprecherin in Brüssel. Die Situation nach dem Putsch sei derzeit noch nicht klar.
Problem für die Bundeswehr
Die Bundeswehr ist im Rahmen dieser Mission mit etwa 100 Soldaten in Niger präsent, zudem hatte die deutsche Marine in den letzten Jahren nigrische Spezialkräfte ausgebildet. Die in Niamey stationierten Soldaten seien derzeit in ihrem Stützpunkt und in Sicherheit, hieß es von der Bundeswehr. Auch deutsches Botschaftspersonal sei dort untergebracht worden, zudem seien Militärangehörige anderer westlicher Staaten dort.
Auf dem Stützpunkt stehe auch eine Transportmaschine der Luftwaffe, allerdings haben die nigrischen Behörden den Luftraum gesperrt, was auch die Bundeswehr betreffe. Bis zum 4. August seien alle Landungen auf dem Flughafen Niamey verboten worden. Auch der Abzug der Bundeswehrtruppen aus dem benachbarten Mali wird über den Stützpunkt in Niamey abgewickelt.
Strack-Zimmermann: Abzug muss geordnet stattfinden
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigte sich besorgt über mögliche Putschfolgen für den Abzug der Bundeswehr aus Mali. "Die Lage in Niger ist sehr unübersichtlich", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses den Funke-Zeitungen. "Entscheidend für uns ist, dass der Abzug unserer Soldatinnen und Soldaten aus Mali, sofern über den Flughafen in Niger erforderlich, weiterhin geordnet stattfindet."