BRICS-Gipfel Ein Beitrag zu einer "fairen Welt"?
Elf statt fünf Mitglieder - aus dem Staatenverbund BRICS soll BRICS-Plus werden. Diese Ankündigung auf dem Gipfel in Südafrika wurde mit einem hohen Anspruch verbunden: Es sei ein Beitrag zu einer gerechten Welt. Passt das?
Es war dann doch überraschend, was Südafrikas Staatspräsident Cyril Ramaphosa am Vormittag verkündete: Sechs neue Länder werden dem Staatenverbund BRICS beitreten. Es sind die Länder Argentinien, Äthiopien, Ägypten, Saudi-Arabien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Ab dem 1. Januar 2024 soll der Beitritt wirksam sein, BRICS Plus soll das Bündnis dann heißen. "Mit diesem Gipfel hat BRICS ein neues Kapitel aufgeschlagen, sagte Ramaphosa. "Ein neues Kapitel, um eine faire Welt zu schaffen. Eine gerechte Welt. Eine Welt, die alle miteinschließt und die wohlhabend ist."
Äthiopien oder doch ein anderes Land?
Die ursprünglich für Mittwoch angesetzte Pressekonferenz war abgesagt worden. Offiziell wurde nicht gesagt, warum. Es heißt aber, es sei darüber diskutiert worden, warum mit Äthiopien ein zweites Land vom afrikanischen Kontinent aufgenommen werden solle. Angeblich war auch Indonesien im Rennen.
Dann aber habe Ramaphosa sich durchgesetzt. Es könne nicht sein, soll er argumentiert haben, dass die Erweiterung auf einem Gipfel in Südafrika beschlossen werde, und dann sei kein einziges schwarzafrikanisches Land dabei. Ägypten liegt zwar geografisch in Afrika, gilt aber als arabisches Land. Dann also: Äthiopien. Offiziell bestätigt ist diese Auseinandersetzung allerdings nicht.
Neue Weltordnung?
Der Staatenverbund BRICS Plus wird die politischen und wirtschaftlichen Gewichte auf der Welt verschieben, glauben viele Beobachter. Die alte BRICS-Gruppe repräsentierte 42 Prozent der Weltbevölkerung und circa 25 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. BRICS Plus, die zukünftige Gruppe, wird 37 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung repräsentieren, und 46 Prozent der Weltbevölkerung.
Ein mächtiger Block, sagen viele Analysten, um dem von den BRICS-Staaten als zu mächtig und zu dominant empfundenen Westen Paroli zu bieten. Eine neue Weltordnung also? Steven Gruzd vom South African Institute of International Affairs meint, das müsse man erst noch sehen, ob BRICS Plus ein schlagkräftiger Gegner oder auch nur Konkurrent sein könne. Zu unterschiedlich seien die Interessen der bald elf BRICS Plus-Mitglieder, zu unterschiedlich auch ihre ökonomischen und politischen Strukturen und Ziele.
China und Russland seien eindeutig Autokratien, der Iran sei es auch. Brasilien, Indien und Südafrika sind parlamentarische Demokratien, Argentinien ebenso, aber wo solle man die anderen fünf Neuankömmlinge einordnen? In Äthiopien herrschte bis vor kurzem noch Krieg, in Ägypten werden die Menschen erst recht mit den Füßen getreten.
Die Sache mit Saudi-Arabien und dem Iran
Besonders prekär scheint die Tatsache zu sein, dass mit Saudi-Arabien und dem Iran zwei Länder im neuen BRICS Plus sein werden, die sich eigentlich spinnefeind sind. Beide Länder beanspruchen die Vorherrschaft im Nahen Osten für sich. Iran unterstützt die Rebellen im Jemen, die von Saudi-Arabien seit langem militärisch bekämpft werden.
Zwar hatte China Anfang des Jahres einen halbwegs erfolgreichen Vermittlungsversuch unternommen, aber Gruzd meint: "Das wird noch interessant werden, ob das wirklich funktioniert. Diese beiden Länder werden noch sehr lange erbitterte Rivalen im Nahen Osten sein. Ich glaube nicht, dass eine Vereinbarung wie die, die heute verkündet wurde, das böse Blut zwischen diesen beiden Ländern plötzlich verschwinden lässt."
Politisch oder wirtschaftlich?
Am ersten und am zweiten Tag war viel auch vom Krieg in der Ukraine die Rede gewesen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte in zwei Video-Botschaften den Westen heftig kritisiert. Am Dienstag beklagte er die westlichen Sanktionen gegen, wie er sagte, "souveräne Staaten", die allerdings vor allem die ärmsten Länder der Welt treffen würden. Mit "souveräne Staaten" meinte er natürlich Russland, mit den "ärmsten Ländern" afrikanische Staaten.
Am Mittwoch legte er noch einmal nach. Der Westen sei es gewesen, der den Krieg gegen die Ukraine "entfesselt" habe. Am Abschlusstag hingegen kein Wort darüber. Putin, wieder in einer Video-Botschaft, dankte den BRICS-Staaten für die Erweiterung und lobte die Verhandlungsführung des südafrikanischen Präsidenten.
Nur der chinesische Präsident Xi Jinping erwähnte in einem kurzen Satz, dass die neue BRICS Plus-Gruppe auch dafür sein sollte, den Weltfrieden zu sichern. Wie das mit einem Land wie dem Iran gehen soll, darüber sprach niemand.
Überhaupt war heute viel von wirtschaftlicher Kooperation die Rede, und von mehr Kooperation der Banken in den Mitgliedsländern. Über eine gemeinsame Währung, die in den vergangenen Tagen immer mal wieder diskutiert wurde, sprach am letzten Gipfeltag auch niemand mehr. Dieses Projekt wird vermutlich erst einmal vom Tisch sein.
Gewinner - Verlierer?
Der chinesische Präsident wirkte über lange Strecken wie einer, der den Gipfel dominiert. Am Dienstag hatte er das Gipfeltreffen mit einem Staatsbesuch in Südafrika kombiniert, anders als die Präsidenten Indiens und Brasiliens. Am letzten Gipfeltag gab es noch ein weiteres chinesisch-afrikanisches Treffen. Zwar hat Xi es nicht geschafft, ein weiteres asiatisches Land in den Staatenbund zu bekommen, aber insgesamt wirkte er wie einer, der mit dem Gipfelergebnis zufrieden sein kann.
Auch Gastgeber Ramaphosa machte eine gute Figur. Er schien souverän durch die Tage zu führen. Ramaphosa wollte auch innenpolitisch punkten - im nächsten Jahr wird in Südafrika gewählt - und es scheint ihm gelungen zu sein. Brasiliens und Indiens Vertreter wirkten manchmal wie Zaungäste, obwohl zumindest Brasiliens Präsident Lula da Silva gute Auftritte hatte.
Und Russland? Schien vom Krieg gegen die Ukraine überwältigt zu sein. Immerhin, Moskau war, neben China, einer der beiden Antreiber gewesen, die Erweiterung voranzubringen. Das ist ja auch gelungen.