Vulkanausbruch Was passiert unter Islands Erde?
Der Vulkanausbruch in Island war seit Wochen erwartet worden: Das Dorf Grindavik wurde vorsorglich evakuiert, akute Gefahr für die Bevölkerung besteht aber nicht. Was sich unter der Erde tut - und wie es weitergehen könnte.
Wenn man mit einem Röntgenblick unter die Erde im Ausbruchsgebiet blicken könnte, würde man eine Art langen Tunnel sehen, gefüllt mit heißem Magma. Er erstreckt sich über eine Länge von zehn Kilometern unter der Halbinsel Reykjanes, von Nordosten nach Südwesten.
Statt mit einem Röntgenblick schauen Vulkanologen auf die Erdbebenaktivität, um einen Einblick in die Vorgänge unter der Erde zu bekommen. Der Vulkanausbruch in Island hatte sich auf diese Weise in den letzten Monaten bereits angekündigt, durch eine ganze Reihe von schwächeren Erdbeben.
Magma steigt immer weiter nach oben
"Diese viele, viele kleinen Erdbeben, das sind Tausende, die zeigen uns, dass in etwas über 20 Kilometer Tiefe Magmen mobilisiert werden, die langsam nach oben steigen", erklärt der Geophysiker Joachim Ritter vom Karlsruher Institut für Technologie.
Die zugehörigen schwachen Erdbebenherde würden immer flacher, was zeige, dass die Schmelze aufsteigt, so Ritter. "Und die sammelt sich dann in etwa fünf bis vielleicht ein bis zwei Kilometer Tiefe". Ritter betreibt selbst Erdbebenforschung in Vulkangebieten, wie beispielsweise der Eifel.
Ein Teil des großen Tunnels hat sich nun einen Weg an die Erdoberfläche gebahnt, in Form eines etwa vier Kilometer langen Spalts. Inzwischen hat sich der Spalt an einigen Stellen wieder geschlossen.
Eine Luftaufnahme zeigt die aus einer Erdspalte fließende Lava auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel.
Kein klassischer Vulkanausbruch
Dem klassischen Bild eines Vulkanausbruchs, bei dem explosionsartig Lava aus der Spitze eines Vulkankegels austritt, entspricht das nicht. In einer Vulkanspalte brodelt es eher über einen längeren Zeitraum. In Island sei das ein sehr häufiger Ausbruchstyp, erklärt Ritter.
Das liege an den tektonischen Verhältnissen. "Wir sind dort an einer Plattengrenze, das heißt zwei große tektonische Platten werden dort auseinander geschoben. Das eine ist dann letztlich Nordamerika, das andere ist Eurasien. Und entlang dieser Naht, so kann man sich das einfach mal vorstellen, fließt jetzt sozusagen diese heiße Schmelze aus."
Lava könnte noch Monate austreten
Schon seit 2019 treten in dem Gebiet vermehrt Erdbeben auf. 2021 und 2022 gab es bereits kleinere Ausbrüche, ein weiterer ereignete sich erst diesen Sommer. Der jetzige Ausbruch stellt diese Ausbrüche zwar in den Schatten, historisch gesehen gehört aber auch er nicht zu den stärksten in Island.
Noch sei schwer abzuschätzen, wie sich die Lage weiterentwickelt, meint Vulkanexperte Ritter. "Es gibt alle möglichen Szenarien, die jetzt passieren können. Es kann sein, dass so eine Eruption innerhalb einer Stunde aufhört und dann nach und nach das Magma abkühlt und einfach fest wird." Es könne aber auch sein, dass sich die Spalte, die sich über die vergangenen anderthalb Monate gefüllt hat, komplett entleert. "Das wäre dann noch mal deutlich mehr, als was bisher herausgekommen ist. Das kann dann wirklich Wochen dauern", sagt Ritter.
Dieses Szenario hält Ritter für am Wahrscheinlichsten. Es könne aber auch noch Monate dauern, bis die Vulkanspalte wieder zur Ruhe kommt. "Im schlimmsten Fall kommen noch mal große Mengen Schmelze aus dem Erdmantel nach. Dort wissen wir, dass es große Schmelzmengen gibt. Wir wissen nur nicht, ob die jetzt nach oben möchten, aber wenn das nach oben dringt, dann kann das Ganze sogar noch Monate anhalten", sagt Ritter.
Vorerst keine Folgen für den Flugverkehr
Die evakuierte Ortschaft Grindavik liegt am südwestlichen Ende des unterirdischen Magmatunnels. Von der Lava ist das 4.000 Einwohner zählende Städtchen bisher verschont geblieben, eine weitere Ausweitung des Spalts in seine Richtung ist allerdings möglich.
Eine Lahmlegung des Flugverkehrs, wie es ihn 2010 beim Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull gab, ist dagegen laut Ritter nicht zu befürchten. Die Aschebildung sei nur sehr gering. "Das war 2010 anders, weil dort hatten wir Gletscherwasser durch einen schmelzenden Gletscher, was in das Magma hineinkam. Und dann kam es eben zu heftigen Eruptionen und bei diesen Eruptionen wurden dann die Aschen erst gebildet."
Keine Asche - aber gefährliche Gase
Statt Asche seien bei diesem Ausbruch neben der Lava vor allem die austretenden Gase gefährlich. Schwefelgas kann beispielsweise zu lebensgefährlichen Verätzungen führen. Reisen nach Island hält Joachim Ritter jedoch weiterhin für möglich.
Es könne passieren, dass noch große Gasmengen austreten. "Dann ist es höchstens dort gefährlich, wo eben der Wind diese Gase hinweht. Aber vom Prinzip her kann man im Moment, denke ich, schon gefahrlos auch nach Island reisen." Vielmehr müssen sich Reisende nach Island wohl an diesen Zustand gewöhnen. Die Ausbrüche im Südwesten der Insel könnten erst der Anfang der Aktivität in diesem Gebiet sein.
Möglicherweise habe ein Zyklus begonnen, in dem immer wieder Magma aufsteige. Das könne sich über viele Jahre hinziehen, sagt Ritter. "Das kennt man auch aus der Historie, also zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert gab es dort sehr viele Eruptionen. Das heißt, wir werden immer wieder jetzt vermutlich ein Auffüllen dieser Spalten sehen und ab und zu kommt eben dann aus dieser Spalte die Schmelze heraus." Von Islands Vulkanaktivität werden wir also wohl noch öfter hören.