H5N1 in Kühen Das Vogelgrippevirus verändert sich
Das Vogelgrippevirus H5N1 grassiert unter Rindern in den USA - für Fachleute Grund zur Sorge. Eine Studie zeigt: Das Virus kann über die Milch auch andere Säugetiere infizieren.
In der Studie untersuchte ein Forschungsteam aus den USA und Japan, auf welchem Weg sich das Vogelgrippevirus H5N1 unter Säugetieren verbreiten kann. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Die Forschenden isolierten das Virus aus der Milch von infizierten Kühen und gaben sie Mäusen und Frettchen.
Das Ergebnis: Der Erreger verbreitete sich im Körper der Tiere bis in die Milchdrüsen. Die Mäuse gaben das Virus dann ebenfalls über die Milch an ihre Nachkommen weiter - auch die Mäusemilch war offenbar infektiös.
Ansteckung durch Rohmilch von infizierten Kühen
Offenbar reichte es für eine Ansteckung aus, die virushaltige Milch zu trinken. Das gelte höchstwahrscheinlich auch für Menschen, erklärt Stephan Ludwig, Direktor des Instituts für Virologie der Universität Münster. "Das heißt, auch jemand, der keinen direkten Kontakt zu den Kühen hat, unterliegt einer Gefahr, wenn er diese Rohmilch zu sich nimmt." Das gelte allerdings nur für unbehandelte Milch, so Ludwig. "Die Gefahr durch pasteurisierte Supermarktmilch ist gleich Null."
Dabei sei die tatsächliche Gefahr für Menschen bei einer solchen Ansteckung aber aktuell nicht sehr groß: Bisher sind nur wenige Fälle bekannt, in denen sich Menschen bei Rindern mit dem Virus infiziert haben und diese erkrankten nicht schwer.
Das Vogelgrippevirus H5N1 ist vor allem im Euter von Kühen in hoher Konzentration nachweisbar.
Gefahr in Deutschland durch infizierte Rinder gering
Dass sich die Vogelgrippe in Deutschland auch so stark unter Milchkühen verbreite wie in den USA, sei aktuell unwahrscheinlich, so Ludwig. "Wir haben in Deutschland ein viel besseres Veterinärüberwachungssystem. Im Grunde haben wir eine 'gläserne Kuh': Da weiß jeder, wo sie herkommt, wo sie vorher war, wie sie von A nach B transportiert worden ist." In den USA gebe es deutlich weniger Kontrollen. "Dort gehen die Behörden sehr nonchalant mit der Situation um", so der Virologe Ludwig.
Auch Martin Beer, Fachtierarzt für Virologie am Friedrich-Löffler-Institut erklärte gegenüber dem Wissenschaftsmagazin Nano, es gebe aktuell keinerlei Hinweise auf ein ähnliches Geschehen wie in den USA.
Offenbar keine Übertragung durch Aerosole auf Menschen
Neben der Milch untersuchte die Studie aus den USA und Japan auch, ob sich das Virus über Aerosole, also feinste Tröpfchen in der Luft zwischen Säugetieren verbreiten kann.
Dafür wurde analysiert, wie effektiv Frettchen sich gegenseitig mit dem Virus anstecken können. Frettchen gelten als gutes Modell für die Ansteckung zwischen Menschen. Wenn diese Tiere sich schnell über die Atemluft anstecken können, dann würde das vermutlich auch leicht zwischen Menschen gelingen. "Die Studien zeigen, dass dieses Virus aus den Kühen es noch schwer hat, sich von einem Säuger zum anderen über Aerosole weiterzuverbreiten", so Stephan Ludwig von der Universität Münster.
Die Ansteckung von Frettchen verläuft ähnlich wie bei Menschen.
Bei den Frettchen wurde das Virus kaum über die Atemluft übertragen. Auch Martin Schwemmle vom Institut für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg betont, diese Studie zeige deutlich, dass das Virus auf Kuhfarmen bisher nicht die Eigenschaften besitze, um für die Bevölkerung sehr gefährlich zu werden. "Das H5N1-Risiko für die Bevölkerung kann daher nach wie vor als gering eingestuft werden." Diese Einschätzung werde auch von den amerikanischen und europäischen Behörden geteilt.
Virus hat sich verändert: An Menschen angepasst?
Eine vollständige Entwarnung sei das aber noch nicht, so der Virologe Ludwig: "Die Eigenschaften des Virus können sich durch Mutationen schnell verändern."
Das zeigt auch ein weiterer Versuch der aktuellen Studie: Dabei konnten die Forschenden zeigen, dass das Virus an Rezeptoren binden kann, die in den oberen Atemwegen von Menschen vorkommen.
Das sei neu, sagt Stephan Pleschka. Er leitet die Arbeitsgruppe Influenzavirusforschung am Institut für Medizinische Virologie an der Universität Gießen. "Die Studie zeigt deutlich, dass das H5N1-Virus sich, wie alle Influenzaviren, stetig weiterentwickelt. Mit der beschriebenen veränderten Rezeptorbindungseigenschaft, die man bei den bislang bekannten H5N1-Viren so nicht gesehen hat, scheint es einen weiteren Schritt hin zum Säuger gemacht zu haben."
Ergebnisse genau einordnen
Eine solche Entwicklung konnte man auch bei Viren im Vorfeld von früheren Pandemien beobachten, sagt der Virologe Ludwig: "Das ist durchaus bedenklich, da offenbar ein erster Schritt getan wurde hinsichtlich eines pandemischen Potentials." Aber man dürfe die Ergebnisse auch nicht überbewerten. "Die Experimente waren wichtig und sind hochinteressant, aber das muss natürlich jetzt noch durch weitere Arbeiten ausgebaut und geklärt werden." Das betonen auch andere Fachleute wie Pleschka von der Universität Gießen.