Zerstörung in der Ukraine Beton-Recycling für den Wiederaufbau
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges sind in der Ukraine ganze Stadtteile zerstört worden, der Wiederaufbau dürfte Jahre dauern und teuer werden. Ein Forscher-Team aus Zürich zeigt, wie recycelter Beton helfen kann.
Auch wenn die Bauwirtschaft auf Beton nicht verzichten kann: Der Baustoff, den schon die Römer nutzten, hat heutzutage durchaus ein Imageproblem - wegen seiner Klimaschädlichkeit und dem immensen Ressourcenverbrauch. Seit den 1990er-Jahren forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler deshalb daran, Beton zu recyceln. Beim Recycling kann zwar - im Vergleich zur Produktion von Neubeton - der CO2-Ausstoß nicht reduziert werden, wohl aber die Menge des erforderlichen Baumaterials, so Professor Ueli Angst von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich.
Man spare sich die Beschaffung der Gesteine, weil man diese aus dem Abbruchmaterial bekomme. "Und weil die Gesteinsanteile zwischen 60 und 80 Prozent des Betons ausmachen, hat das eben einen großen Hebel", so Angst. Ein großer Anteil des Gesteins könne mit dem aufbereiteten Betonbruch ersetzt werden - aus ressourcentechnischer Sicht sei das ein Vorteil.
Ukrainischer Chemiker mit im Team
Beton ist ein sogenannter Komposit-Werkstoff. Das heißt: Er besteht aus Zement, aus Gesteinen und Wasser. Beton zu recyceln bedeutet, die Gesteine aus zerstörten oder abgerissenen Bauwerken wiederzuverwenden und damit zur Kreislaufwirtschaft beizutragen.
Deshalb hat das Forschungsteam der ETH, zu dem auch der ukrainische Gast-Wissenschaftler Viacheslav Troian gehört, untersucht, wie Recycling-Beton für den Wiederaufbau der zerstörten Ukraine genutzt werden könnte, erklärt Troian. Der Chemiker hat vor dem Krieg an der Nationalen Universität für Bauwesen und Architektur in Kiew gearbeitet. Sein Spezialgebiet: verschiedene Betontypen.
Die Forschenden der ETH in Zürich hoffen, dass das Wissen um Recycling-Beton der Ukraine nach dem Krieg beim Wiederaufbau helfen wird.
"Erkenntnisse auch für andere Länder interessant"
Die Forschung sei neu - und für die Ukraine von ganz besonderem Interesse, so Troian. "Wir haben vor allem genau untersucht, wie die einzelnen Bestandteile des recycelten Betons bearbeitet und gemischt werden müssen, damit das Material eine gute und dauerhafte Qualität hat. Und diese Erkenntnisse sind auch für andere Länder interessant."
Denn die Mischung der Betonbestandteile ist das A und O beim Recycling-Beton. Die Forschenden gehen davon aus, dass bis zu 50 Prozent des Gesteinsanteils durch recyceltes Material ersetzt werden kann. Das ist keine kleine Menge und würde die Ukraine beim Wiederaufbau deutlich entlasten: Denn durch die Nutzung von Trümmerteilen muss einerseits weniger Baumaterial angeschafft werden, andererseits sind die Baustoffe bereits vor Ort. Allerdings sei das nicht so einfach, wie es klingt, betont Betonforscher Angst.
Aufwand hängt von Material ab
Das großformatige Abbruchmaterial müsse zunächst in kleinere Brocken und Körner zerbrochen werden. "Und dann nimmt man dieses gebrochene Material, mischt es mit neuem Zement und neuem Wasser und stellt daraus einen neuen Beton her", so Angst.
Mit welchem Aufwand das Abbruchmaterial wiederaufbereitet werden muss, um sich optimal zu neuem Beton zu verbinden, lässt sich nicht pauschal sagen - das hängt von der Art des Abbruchmaterials ab. Denn häufig ist darin alter Zementmörtel enthalten, und der macht den recycelten Beton weniger stabil als den herkömmlichen. Denn Zementmörtel saugt mehr Wasser auf und lässt dadurch Risse entstehen. Um das zu vermeiden, überprüfen die Forschenden experimentell, wie welches Baumaterial bearbeitet werden muss, bevor es zu neuem und qualitativ hochwertigem Beton werden kann, so Chemiker Troian.
"Effiziente und praktikable Lösung"
In den vergangenen Jahren hätten sich dafür verschiedene Methoden etabliert - etwa mit Säure oder mit Hitze -, aber sie alle kosteten viel Geld. "Wir haben jetzt herausgefunden, dass es völlig ausreicht, das Abbruchmaterial mit Wasser zu benetzen, bevor es zu neuem Beton weiterverarbeitet wird. Und das ist eine sehr einfache Weise, aber für ein zerstörtes Land tatsächlich auch eine effiziente und praktikable Lösung", erklärt Troian.
Rund 18 Prozent aller Betonbauten in der Schweiz, wo die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Thema forschen, entstehen aus Recycling-Beton. Damit ist die Schweiz europaweit führend auf diesem Gebiet. Die Forscher von der ETH freuen sich, ihren ukrainischen Kollegen Troian durch die gemeinsamen Forschungen zu unterstützen. Und sie hoffen, dass das Wissen um Recycling-Beton der Ukraine nach dem Krieg beim Wiederaufbau helfen wird.