Neuer Bericht So kann Fliegen "grüner" werden
Experten sind sich einig: Die Klimabilanz des Luftverkehrs ist verheerend, Fliegen muss "grüner" werden. Ein Bericht soll nun zeigen, welche Technologien am aussichtsreichsten sind. Noch ist viel Luft nach oben.
Aktuell trägt die Luftfahrt zwischen 3,5 bis fünf Prozent zur menschengemachten Klimaerwärmung bei. Bis 2050 könnten hier die CO2-Emissionen um 60 Prozent höher liegen als im Jahr 2019. Das sind Zahlen aus einem neuen Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB), die verdeutlichen, dass die Luftfahrtindustrie einen erheblichen Beitrag zur Klimakrise leistet und wohl auch weiter leisten wird.
Demnach ist klimaneutrales Fliegen durch einzelne Technologien zeitnah kaum realisierbar. Stattdessen betont der Bericht die Notwendigkeit eines Technologie- und Maßnahmenmixes, der unter anderem elektrische Antriebe, aber auch nachhaltige Kraftstoffe umfasst.
Für den Bericht analysierten die Autoren zahlreiche Studien und führten Interviews mit Experten durch. Das TAB, das seit 1990 vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) betrieben wird, präsentierte zuletzt die Ergebnisse.
TAB-Bericht: Wie soll der Flugverkehr "grün" werden?
Um seinen Teil zur Einhaltung des Pariser Abkommens beizutragen, steht der Luftverkehr vor der Herausforderung, die Treibhausgasemissionen, aber auch die Nicht-CO2-Effekte, wie Rußpartikel oder Wasserdampf, drastisch zu reduzieren - und das trotz prognostizierter Zunahmen im Passagieraufkommen. Dementsprechend komplex sei es auch, die Luftfahrt klimafreundlicher zu gestalten, so der Bericht. Hier werde ein Zusammenspiel mehrerer Technologien und Methoden notwendig:
- Sustainable Aviation Fuel (SAF): Einsatz von optimierten, nachhaltig produzierten Treibstoffen aus Abfall oder Biomasse
- Grüner Wasserstoff: Nutzung von Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird
- Elektrische Antriebssysteme: Fokus auf der Entwicklung und Implementierung elektrischer Triebwerke
- Nachhaltiges Flugzeugdesign: Konstruktion effizienterer Flugzeuge, zum Beispiel im Blended-Wing-Body-Design
- Anpassung der Besteuerung im Luftverkehr: Einführung einer Kerosinsteuer
- Optimierung von Flugrouten: Effizientere Gestaltung der Flugstrecken
Dennoch reicht laut dem Bericht keine der Methoden allein aus, um die Emissionsziele zu erreichen. Als den wichtigsten, kurzfristigen Innovationsbereich bezeichnen die Autorinnen und Autoren jedoch nachhaltige Treibstoffe. Hier geht es unter anderem um synthetisches Kerosin ("Power to Liquid", PtL), das mittels Strom aus Erneuerbaren Energien, CO2 und Wasser hergestellt wird und als treibhausgasneutrale, aber kostenintensive Schlüsseltechnologie gilt.
Auch Biokerosin, das aus Pflanzen, Algen oder Abfällen CO2-schonend gewonnen wird, ist eine Option, geht aber mit hohem Ressourcenverbrauch einher. Beide Kraftstoffe können in bestehenden Flugzeugen verwendet, Biokerosin kann sogar herkömmlichem Kerosin beigemischt werden. Jedoch weist das TAB auch darauf hin, dass ein massiver Ausbau Erneuerbarer Energien notwendig sei, um den so anfallenden Strombedarf zu stillen.
Eine weitere Methode, die bereits seit einiger Zeit getestet wird: grüner Wasserstoff. Ein Hindernis für die Nutzung von Wasserstoff als direktem Treibstoff besteht laut dem TAB-Bericht darin, dass er in großen, isolierten und schweren Tanks bei minus 253 Grad Celsius in Flugzeugen gelagert werden muss. Aufgrund dieses technischen Aufwands seien praktikable Anwendungen hier wohl kaum in den nächsten zehn Jahren zu erwarten.
"Umweltverträgliche" Luftfahrt: Forschende kritisieren TAB-Ansatz
Jedenfalls liegt der Hauptfokus des Papiers demzufolge auf den technischen Möglichkeiten der Emissionsminderung. Eine Verringerung von Flugreisen insgesamt wird zwar als Option erwähnt, aber als "wichtigster Ansatz der Emissionseinschränkung" zu wenig diskutiert, beanstandet Stefan Gössling von der Linnaeus University in Schweden.
Auch Martin Cames vom Ökoinstitut Berlin hebt diesen Punkt hervor: Es sei fraglich, "ob technologische Lösungen ausreichen, wenn nicht zugleich das Nachfragewachstum nach Flügen verringert und langfristig die Nachfrage nach Flügen reduziert werden kann", so der Experte für Energie und Klimaschutz.
Damit einhergehend kritisiert Wissenschaftler Gössling, dass das Papier eine lediglich "umweltverträglichere" Luftfahrt bis zum Jahr 2050 als Ziel ausrufe. Hier sei unklar, "warum die Luftfahrt weniger ambitiöse Klimaziele als andere Sektoren erreichen soll", sagt Gössling. Deutschland hatte sich bereits 2016 auf eine umfassende Treibhausgasneutralität bis 2050 über alle Sektoren hinweg festgelegt.
Forschende: Klimaneutrales Fliegen bis 2050 unwahrscheinlich
Insbesondere die Besteuerung von Langstreckenflügen, die den größten Teil der Emissionen verursachen, könne effektiv sein. Gössling weist darauf hin, dass etwa 25 Prozent der längsten Flüge für 70 Prozent der Emissionen verantwortlich seien. Eine gezielte Besteuerung dieser Flüge könne somit eine wesentliche Maßnahme zur Emissionsreduktion darstellen.
Laut Gössling fehlt im Bericht gerade die zentrale Aussage: "Das Ziel einer auch nur annähernd klimaneutralen Luftfahrt ist bis 2050 unerreichbar, sofern nicht deutlich drastischere Maßnahmen wie Besteuerung oder Einspeisequoten getroffen werden."
Neue Kraftstoffe, effizientere Triebwerke, optimierte Flugrouten - und doch bleibt die Frage offen, wie weit diese Innovationen den Ansprüchen einer klimaneutralen Luftfahrt genügen können. Im Konflikt über die Zukunft des Fliegens stehen sich auch Wissenschaft und Industrie gegenüber. Denn ohne eine Reduktion der Passagierflüge scheinen übergeordnete Klimaziele heute kaum erreichbar.