Neuer Weltklimabericht Schnellere Erwärmung, extremere Wetter
Der Klimawandel kommt noch schneller als befürchtet, und die Folgen sind schon deutlich sichtbar. Der neue Bericht des Weltklimarates lässt keinen Zweifel an dieser Erkenntnis - und wer dafür verantwortlich ist.
"Es ist eindeutig, dass menschliches Handeln die Atmosphäre erwärmt hat." Dieser Satz lässt nun keine Zweifel mehr. Im vorigen Bericht der Weltklimarates (IPCC) war nur der Wandel selbst als eindeutig beschrieben worden, das menschliche Zutun wurde als "äußerst wahrscheinlich" bezeichnet. Der IPCC macht nun deutlich, dass die Zahlenbasis so gut ist, die Modelle so präzise, dass sich alles andere ausschließen lässt. Diese Sicherheit zieht sich durch den gesamten neuen Sachstandsbericht und durch die Aussagen der beteiligten 230 Hauptautoren.
Der Grad der Erwärmung
Das vergangene Jahrzehnt war rund 1,1 Grad wärmer als die Zeit von 1850 bis 1900, über der Landfläche sogar 1,6 Grad. Der Meeresspiegel steigt immer schneller, derzeit im Schnitt 3,7 mm pro Jahr.
Auch wenn die Klimagase nur in geringen Konzentrationen in der Atmosphäre vorkommen, macht der Anstieg dieser Konzentration deutlich, dass es bereits große Veränderungen gegeben hat. Der CO2-Wert ist 47 Prozent höher als vor der Industrialisierung und damit auf einem Stand wie seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht mehr. Der Methangehalt ist sogar um 156 Prozent gestiegen.
Das hat weitgehende und starke Veränderungen zur Folge: Extremwerte, wie sie seit vielen Jahrtausenden oder gar Jahrhunderttausenden nicht vorgekommen sind. Zusammenhänge sind seit dem vergangenen Bericht sehr viel klarer geworden.
Unter anderem konnte die so genannte Klimasensitivität exakter bestimmt werden: Um wie viel steigt die Temperatur, wenn sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre verdoppelt? Bislang war die Antwort eher vage: zwischen 1,5 und 4,5 Grad. Jetzt lautet sie 2,5 bis vier Grad, und die Wissenschaft traut sich zu, einen Wert von drei Grad als beste Annahme zu nutzen. Allerneueste Studien hatten einen möglicherweise höheren Wert bis 5,7 Grad ergeben. Aber das ist in diesem Sachstandsbericht offenbar nicht mehr berücksichtigt worden.
Eine Folge: Extremwetter
Bei Hitzewellen sind sich die Wissenschaftler sehr sicher: Die haben zugenommen, und mit hoher Wahrscheinlichkeit ist daran der menschengemachte Klimawandel schuld. Das ist bei anderen Ereignissen, wie etwa Starkregen oder Dürren, schwieriger nachzuweisen. Einfach weil sie seltener sind und auch die natürliche Streuung eine größere Rolle spielt. Aber auch da sprechen viele Daten für einen Zusammenhang.
Der Bericht wertet die Antwort des Klimas auf fünf verschiedene Szenarien aus. Das pessimistischste: Was ist, wenn der Ausstoß an Co2 sich schon bis Mitte des Jahrhunderts verdoppelt? Das optimistischste: Wie sieht es aus, wenn wir bis 2050 weltweit klimaneutral leben und wirtschaften und danach sogar noch Co2 aus der Atmosphäre zurückholen (negative Emissionen). Die drei anderen liegen dazwischen.
Die Zukunft des Klimas
Nur im optimistischsten Szenario, das sofortigen entschiedenen Klimaschutz voraussetzt, könnte der Temperaturanstieg am Ende des Jahrhunderts auf etwa 1,5 Grad begrenzt werden. Ein mittleres bringt 2 bis 3,5 Grad höhere Temperaturen, ohne entschiedenen Klimaschutz sind bis zu 5,7 Grad zu erwarten. (Zum Vergleich: das entspricht in umgekehrter Richtung etwa dem Unterschied zwischen einer Warmzeit und einer Eiszeit auf dieser Welt, also einer Zeit wie unserer und einer Zeit, in der halb Europa unter einer Eisschicht von einer Dicke von Hunderten Metern begraben war.)
Schon bei zwei Grad Erwärmung würden extreme Hitzeereignisse 14-mal wahrscheinlicher, bei vier Grad Erwärmung sogar 40-mal. 70 Prozent beziehungsweise 170 Prozent mehr Starkregen-Ereignisse wären die Folge - und sie würden zudem noch jeweils bis zu 30 Prozent heftiger ausfallen.
Der Meeresspiegel steigt um rund einen halben Meter in einem Szenario mit niedrigen Emissionen und bis zu rund einem Meter in jenem mit sehr hohen. Das entspricht in etwa auch den Zahlen aus dem vergangenen Bericht. Allerdings besteht die - nicht sehr wahrscheinliche - Option, dass der westantarktische Eisschild kollabiert. Dann wären zwei Meter Anstieg zu erwarten. Die Temperaturerhöhung wirkt auf den Meeresspiegel langsam, aber dauerhaft. Deshalb gibt es eine Abschätzung für die Zeit bis 2300. In diesem unwahrscheinlichen, aber nicht auszuschließenden Fall wären bis zu 15 Meter höhere Pegel zu erwarten.
Klimafolgen, regional betrachtet
Zum ersten Mal gibt es eine regionalisierte Betrachtung von Klimafolgen. Die verbesserte Datenlage und feinere Modellierung lassen das zu. Während extreme Hitze-Ereignisse praktisch weltweit zugenommen haben, eben auch in der Region "West- und Mitteleuropa", in der Deutschland liegt, sind Dürren vor allem in den Mittelmeerländern und dem Westen der USA und Kanadas wahrscheinlich häufiger geworden, Starkregen in Zentralkanada. Abgenommen haben diese Extreme nirgends.
Für die Zukunft weisen die Szenarien selbst in einer nur zwei Grad wärmeren Welt aus, dass Starkregenereignisse in Nord-Amerika und Europa weiter zunehmen. Dürren werden in Afrika, Südamerika und dem Mittelmeerraum zunehmen.
Was ist zu tun?
Die Daten zeigen: Eine Begrenzung der Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad ist nur unter extremen Annahmen noch möglich. Berechnet man das Carbon-Budget, also die Menge CO2, die die Atmosphäre noch aufnehmen kann, ohne dass die Temperatur darüber geht, dann bleiben noch 400 bis 500 Gigatonnen. Der jährliche Ausstoß lag 2018 bei 42 Gigatonnen. Das bedeutet, dass in einem Jahrzehnt aber auch gar nichts mehr ausgestoßen werden dürfte. Bisher war der IPCC davon ausgegangen, dass das Budget noch für circa 20 Jahre reichen würde.
Da 0-Emission in diesem Jahrzehnt praktisch unmöglich ist, wird im optimistischsten Szenario davon ausgegangen, dass die gesamte Welt bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral leben und arbeiten wird. Und weil dann die Temperatur über 1,5 Grad steigt, müssten nach 2050 erhebliche Mengen CO2 wieder aus der Atmosphäre zurückgeholt werden (negative Emissionen). Alle anderen Optionen führen zu deutlich höheren Temperaturen. Die Autoren nennen ihren Bericht deshalb auch "Realismus-Check" für die Politik.
Das Paradox des Klimaschutzes
Wenn weniger fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas verbrannt werden, um das Klima zu stabilisieren, hat das einen beachtlichen Nebeneffekt. Der Ausstoß an Staub, Dreck und Abgasen anderer Art sinkt. Das ist gut für die Gesundheit der Menschen.
Aber diese Aerosole, vor allem Schwefeldioxid, wirken wie ein Sonnenschirm auf der Erde und senken die Temperatur. Tatsächlich wird dieser Effekt auf etwa ein halbes Grad berechnet. Weniger Dreck bedeutet mehr Erderhitzung. Der Weltklimabericht macht darauf aufmerksam, nennt aber gleich eine Lösungsmöglichkeit für dieses Dilemma. Ein anderes Klimagas, nämlich Methan, kann da die entscheidende Stellschraube sein. Denn neue Untersuchungen haben eine neben der Landwirtschaft eine weitere Quelle für die Methankonzentration in der Atmosphäre ausgemacht: undichte Gaspipelines. Die Emissionen könnten um bis zu 70 Prozent reduziert werden - das hält auch die Weltenergieagentur für technisch machbar. Und wirtschaftlich sei es auch ein Gewinn.
Anmerkung des Autors: Die Zahlenangaben des Weltklimarates sind immer "best estimates", also die bestmöglichen Annahmen - innerhalb einer breiteren Spanne. Wir verzichten hier meist auf diese Spannen-Angaben, weil die Texte dann kaum noch zu lesen wären. Sie finden sich aber alle unter https://www.ipcc.ch/assessment-report/ar6/. Außerdem haben wir gerundet und eine kleine und notwendigerweise vereinfachende Auswahl aus dem Datenmaterial getroffen.