Arktischer Ozean Klimawandel gefährdet Nahrungskette
Der Klimawandel bedroht neuen Untersuchungen zufolge das gesamte Ökosystem in der Arktis. Forscher warnen vor Folgen für alle Meeresbewohner - vom Zooplankton bis hin zu Robben und Eisbären.
Wenn es dunkel wird im Arktischen Ozean, kommt das Zooplankton heraus - eine gewaltige Gruppe unterschiedlicher Organismen, von winzigen Krebstieren bis hin zu Quallen. Die Organismen nähern sich dann der Wasseroberfläche, um zu fressen - und verschwinden zurück in die Tiefe, sobald es wieder heller wird.
Der Grund für diesen festen Rhythmus bei der Nahrungsaufnahme ist einfach: Das Zooplankton fühlt sich in der Dunkelheit besser vor Feinden geschützt.
Meeresbiologe Hauke Flores nennt das Essverhalten des Zooplanktons "die gewaltigste synchrone Massenbewegung auf dem Planeten". Die Tierchen seien zwar winzig, aber die Menge mache den Unterschied: "In der Summe ergibt sich eine enorme tägliche Vertikalbewegung von Biomasse."
2030 eisfreier Sommer am Nordpol?
Flores arbeitet beim Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Zusammen mit anderen Forschenden hat er jetzt herausgefunden, dass das Zooplankton ein Problem hat.
Denn durch den Klimawandel schmilzt das Meereis in der Arktis. Laut Wissenschaftlern schrumpft die durchschnittliche Fläche des Eises derzeit alle zehn Jahre um etwa 13 Prozent. Studien und Modellrechnungen ergeben, dass es im Jahr 2030 erstmals einen eisfreien Sommer am Nordpol geben könnte.
Und weniger Eis bedeutet weniger Dunkelheit. Denn wo die Eisschicht dünner ist, reicht das Sonnenlicht tiefer ins Wasser.
Futtersuche wird schwieriger
Das Zooplankton kann also nicht mehr so weit nach oben schwimmen, wie es das gewohnt ist. Das wäre nicht weiter schlimm, doch das Zooplankton ernährt sich überwiegend von Eisalgen - und die wachsen nahe der Wasseroberfläche. Es wird für die Organismen also immer schwieriger, an Futter zu gelangen.
Hinzu kommt, dass die Algenproduktion künftig wohl drastisch sinken wird, wenn sich das Eis im Herbst später bildet. Kurzum: Das Zooplankton wird künftig häufig hungern.
"Überlebenschancen könnten sich verschlechtern"
Mit einem Messgerät, das die Lichtintensität unter dem Eis und die Bewegungen des Zooplanktons analysiert, hat das Team um Hauke Flores erstmals erforscht, welche Folgen diese Entwicklung für den Ozean hat.
"Insgesamt zeigt unsere Studie einen bisher nicht beachteten Mechanismus auf, über den sich die Überlebenschancen des Zooplanktons in der Arktis in naher Zukunft weiter verschlechtern könnten", sagt der Meeresbiologe.
Problem für Wale, Robben und Eisbären
Und das hat Folgen für das ganze Ökosystem. Denn wenn es weniger Zooplankton gibt, haben viele Fische weniger zu fressen. Gibt es weniger Fische, haben wiederum Wale, Robben und Eisbären ein Problem.
Es sei notwendig, sagt Flores, dass die Weltgemeinschaft das 1,5-Grad-Ziel einhalte. Dadurch lasse sich der Prozess deutlich verlangsamen. Flores appelliert: Jedes Zehntel Grad weniger Erwärmung sei wichtig - nicht nur für das Zooplankton, sondern für die ganze Arktis.