UN-Klimakonferenz Ein versinkendes Dorf in Thailand
Die Bewohner eines Fischerdorfs in der Nähe der thailändischen Hauptstadt Bangkok wissen seit Jahren, was es bedeutet, mit einem steigenden Meeresspiegel zu leben. Doch sie lassen sich nicht vertreiben.
Die Wellen schlagen gegen die Schutzmauer. Die Fenster des alten buddhistischen Tempels sind zur Hälfte zugemauert. Den Fußboden im Inneren haben die Dorfbewohner von Ban Khun Samut Chin um mehr als einen Meter nach oben versetzt. Durch die Spalten zwischen den Holzplanken schaut man auf Wasser. "Wir sehen deutlich, wie das Land verschwindet", sagt Wisanu Khengsamut. "Und mit dem Land geht die Bevölkerung. Als ich ein Kind war, war vor uns Land. Jetzt ist das Festland zwei Kilometer entfernt."
Unter den Gebäuden steht das Wasser.
Der 41-Jährige ist der Dorfvorsteher. Er blickt aufs Meer hinaus. In der Ferne ragen hölzerne Strommasten aus dem Wasser. Als er geboren wurde, habe seine Familie dort gelebt, da wo die Strommasten sind, vor dem Tempel. "Unser zweites Haus war da, wo heute die Bäume im Wasser stehen, links neben dem Boot. Unser aktuelles Haus ist weiter im Inland. Ich bin dreimal umgezogen."
Die Dorfschule musste dreimal umziehen
Auch die Schule des Dorfes ist schon dreimal an einen neuen Ort gezogen. Die 35-jährige Nantawan Kengsamut ist hier als Kind zur Schule gegangen und kümmert sich heute um die Verwaltung. "Ich bin zurückgekommen, weil das mein Zuhause ist," erzählt die Frau, die in einem der verwaisten Klassenzimmer sitzt. Als sie ein Kind war, sind hier etwa 160 Schülerinnen und Schüler zur Schule gegangen. Heute sind es nur noch fünf. Zwei Lehrer unterrichten die Kinder im Alter von neun bis zwölf Jahren in allen Fächern.
Früher gab es 160 Schülerinnen und Schüler, heute sind es nur noch fünf.
Auf ihrem Smartphone zeigt sie ein Video des letzten Sturms. Er hat die Schutzmauer vor der Schule teilweise zerstört. Obwohl es nur ein schwacher Sturm war. Gerade reparieren Männer die Steinmauer. "Denn wenn die weg ist, gibt es unsere Schule auch nicht mehr." Das ist auch den Schülern bewusst. Im Innenhof der Schule gab es früher einen Spielplatz. Sie kennen ihn nur noch aus Erzählungen der Erwachsenen.
"Mein Onkel hat mir erzählt, dass er hier als Schüler früher Fußball gespielt hat", sagt Hall. Die Kinder zeigen von der Veranda runter auf eine Fläche, wo jetzt Plastikmüll und Äste auf dem Wasser schwimmen.
Mit dem Land geht die Bevölkerung.
Mangroven gegen den Untergang
Doch die Menschen, die noch im thailändischen Dorf Ban Khun Samut Chin leben, wollen sich vom Wasser nicht vertreiben lassen. Sie ergreifen seit Jahren Maßnahmen, pflanzen Mangroven, bauen Dämme. Am besten funktioniere eine Steinmauer aus dreieckigen Betonpfeilern. Die erste Reihe der Säulen teilt die Wellen in zwei, die Reihe dahinter viertelt, die dritte achtelt. Übrig bleiben schwächere Wellen, die der Küste nicht mehr viel anhaben können.
Entworfen hat sie Thanawat Jarupongsakul, Geologe an der Chulalongkorn Universität. "Wir haben herausgefunden, dass sich die Sedimente hinter der Barriere um mehr als zwei Meter angehäuft haben." Auf dem Boden könnten in Zukunft neue Mangroven gepflanzt werden, die die Küste schützen. Zudem sind die Barrieren durchgängig für Fische, Tiere, Nährstoffe aus dem Meer. Anders als feste, durchgängige Steinmauern. Das Ökosystem dahinter wächst also.
Thanawat sagt, seine Erfindung könne in vielen Ländern angewandt werden und auch Thailands Hauptstadt Bangkok vor dem Untergang retten. Dort greift das Meer ebenfalls die Küste an, nimmt sich Jahr für Jahr mehr Land. Insgesamt sind mehr als zehn Prozent der thailändischen Küstenbewohner betroffen.
"Wir brauchen strengere Bauvorschriften"
Stadtplanerin Wijitbusaba Marome von der Thammasat Universität sagt, "die meisten Wissenschaftler sprechen von einem steigenden Meeresspiegel von 20 bis 30 Zentimetern in den nächsten 30 Jahren, also bis 2050." Nicht nur der steigende Meeresspiegel trage zum Untergang der Küsten bei, sondern auch Dämme flussaufwärts, wodurch weniger Sediment an der Küste ankomme und ein absinkender Boden. Sie sagt, Thailand brauche strengere Bauvorschriften. Wichtig wäre, zu verbieten, dass schwere Gebäude, Fabriken oder Hauptstraßen auf überschwemmungsgefährdeten Gebieten gebaut würden.
Mit den Einnahmen aus dem Tourismus investiert das Dorf in Schutzmaßnahmen.
Attraktion für Touristen
Der Küstenort vor den Toren Bangkoks versucht, sich so lange über Wasser zu halten. Er ist inzwischen auch ein Anziehungsort für Touristen. Die Einnahmen können sie in weitere Schutzmaßnahmen investieren, sagt der Dorfvorsteher. Er hat das Amt vor kurzem von seiner Mutter übernommen. "Ich will ihre Arbeit fortsetzen und nicht mehr so viel darüber nachdenken, was wir verloren haben, sondern wie wir das, was noch da ist, retten können." Er denke inzwischen mehr über Lösungen nach. Alles andere sei nutzlos.
Neben dem alten im Wasser versunkenen Tempel haben die Dorfbewohner einen neuen gebaut. Größer als den alten und auf hohen Betonstelzen. Damit zukünftige Generationen ihn nicht nur - wie den Sportplatz - aus Erzählungen kennen.