Klimakonferenz in Bonn Ein verlorenes Klimajahr?
5000 Delegierte bereiten derzeit in Bonn die nächste Weltklimakonferenz vor. Doch das Ziel - raus aus den fossilen Energien - könnte mit dem nächsten Gastgeberland Dubai schwer zu erreichen sein, so Kritiker.
Die nächste UN-Klimakonferenz COP28 wird in Dubai stattfinden und Präsident des Gipfels soll der Chef der nationalen Ölgesellschaft ADNOC, Sultan Ahmed al Dschabir, werden. Nicht nur die Umweltschutzorganisation Greenpeace sieht weitere Fortschritte in Sachen Klimaschutz deshalb in Gefahr.
"Verheerendes Signal"
"Hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht", meint Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand bei Greenpeace Deutschland. "Denn einen Golfstaat zum Ausrichter einer Klimakonferenz zu machen, ist ein verheerendes Signal. Es sind ja gerade die Golfstaaten, die in den letzten Jahren immer wieder verhindert haben, dass wir den notwendigen Ausstieg aus Öl und Gas einleiten."
Wissenschaftler Niklas Höhne vom NewClimate Institut in Bonn befürchtet sogar: "Wir müssen dieses Jahr aufpassen, dass wir in der Weltklimapolitik statt einen Schritt nach vorne nicht einen zurück machen." Die Weltgemeinschaft könne es sich nicht mehr leisten, Zeit zu verlieren und Konferenzen ungenutzt zu lassen. "Früher war es wichtig, alle paar Jahre große Entwicklungen zu beschließen. Heute brauchen wir jedes Jahr."
Konferenzen weiterhin alternativlos
Denn dass die Zeit drängt, das hat auch im März der Bericht des Weltklimarats erneut dramatisch unterstrichen. Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels droht bald nicht machbar zu sein, wenn nicht zügig Maßnahmen getroffen werden. Naturkatastrophen häufen sich, wie Trockenheiten, Hitzewellen oder Überschwemmungen. "Klimakonferenzen wie in Bonn bleiben aber alternativlos und wichtig", betont Höhne. Immerhin komme die Welt so regelmäßig zusammen, um über die gemeinsame Bekämpfung des Klimawandels gemeinsam zu beraten.
Um all die verschiedenen Themen konsequent angehen zu können, schlägt der Wissenschaftler neben der bestehenden Konferenzstruktur vor, willige Länder zu verschiedenen Arbeitsgruppen zusammenzuschließen. Um in Bereichen wie den erneuerbaren Energiequellen, Elektromobilität oder auch im CO2-freiem Stahl Spezialisten- und Vorreitergruppen zu formen, an denen sich die Welt und die Klimagipfel orientieren können.
"Besonders für kommende Generationen"
"Im Endeffekt geht es ja darum, die Lebenschance von Millionen von Menschen aufrecht zu erhalten", sagt Celia Zoe Wicher von der Umweltorganisation BUND. "Das gilt ja auch besonders für kommende Generationen - da ist es wichtig, um jedes Zehntelgrad zu kämpfen."
Sie ist dort für internationale Klimapolitik zuständig und nimmt selber an der UN-Klimakonferenz Teil. So wie auch viele weitere NGOs, die sich in Diskussionen einbringen und Einfluss auf die Debatten und Verhandlungen der Regierungsgesandten der verschiedenen Nationen nehmen wollen. Auch wenn aus Sicht einiger Klimaschützer solche Konferenzen frustrierend sind, betonen sie dennoch auch ihre Notwendigkeit.
Globale Bestandsaufnahme
Vor allem diese Konferenz in Dubai stehe aber unter besonderer Beobachtung und besonderem Druck. Es ist die erste Konferenz auf der auch eine Art Zwischenbilanz gezogen werden soll. "In Dubai endet der erste sogenannte Global Stocktake, das heißt, wenn man so will eine Bestandsaufnahme des bisher erreichten und der vorliegenden Ziele der Vertragsstaaten", erklärt Manfred Fischedick, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. "Dabei wird die Lücke deutlich werden zwischen Anspruch und Wirklichkeit."
Jedes Land muss nachweisen, wo es steht, auf Basis der so genannten NDCs, der national festgelegten Beiträge. Johann Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), erwartet von der Weltklimakonferenz in diesem Jahr: "Die Länder der Welt müssen über wissenschaftlich abgestimmte NDCs berichten, und zwar nicht nur für Emissionsreduktionen aus fossilen Brennstoffen, sondern auch für alle Nicht-CO2-Gase wie Methan, Ruß und Lachgas sowie für CO2-Emissionen aus Landnutzungsänderungen." Die globale Bestandsaufnahme sei ein elementarer Punkt, um in Sachen Klimaschutz voranzukommen.
Tausende Vertreter von Staaten, NGOs und wissenschaftlichen Institutionen beraten für zehn Tage in Bonn.
Vorbereitung für Dubai
Die "Zwischenkonferenz" momentan in Bonn muss daher die Zeit nutzen, um Vorbereitungen und Diskussionen zu führen, die die Arbeit in Dubai erleichtern. Dabei dürfe auch nicht diese Frage aus dem Fokus verloren werden, betont Jessica Antonisse von der NGO One Campaign: "Wer zahlt für weltweite Klimaschutzmaßnahmen?"
Erst im vergangenen Jahr waren Entwicklungsländern, die von Klimakatastrophen besonders gefährdet sind, weitere Gelder versprochen worden. Antonisse fordert: "Wir brauchen einkommensstarke Länder, die ihre gemachten Zusagen einhalten - das heißt, die Finanzmittel für Klimaanpassungsprojekte zu verdoppeln. Auch ärmere Länder müssen ihre Anpassungen finanzieren können."
Einzelne Sektoren berücksichtigen
Jedes Land müsse seinen Beitrag leisten im Kampf gegen den Klimawandel. Doch vor allem Länder im globalen Süden könnten dies nicht eigenständig, da ihnen die Mittel fehlten - anders als die Staaten, die für den Hauptteil der CO2-Emissionen verantwortlich sind, wie die Industrieländer in Europa, die USA oder China, so Antonisse.
Laut Wissenschaftler Fischedick ist es in diesem Jahr außerdem wichtig, dass der Klimagipfel die Staaten auffordern sollte, ihre NDCs auf sektorale Ziele und Maßnahmen herunterzubrechen. Außerdem sollten sie diese weiter verstärken, um damit eine spezifischere Hebelwirkung zu generieren und ein "Schwarze Peter-Spiel" zwischen den Sektoren zu vermeiden. "Das bedeutet, dass der eine Sektor auf den anderen zeigt und von ihm Anstrengungen einfordert", erklärt er.
Wenig Zeit für wegweisende Schritte
Weiter betont er: "Jetzt in Bonn werden ja keine Entscheidungen getroffen, sondern vorbereitende Diskussionen geführt. Es ist aber absehbar, dass die Tage in Bonn für wegweisende Schritte nicht ausreichen werden. Insofern wird es im Vorfeld weitere vorbereitende Zusammenkünfte vor der COP28 in Dubai geben."
Klimaforscher Rockström schließt an: "Schließlich, und das ist das Wichtigste, hoffe ich, dass die COP28 zu einer Konferenz wird, auf der die größten Verursacher von Treibhausgasemissionen wirklich Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen aus Kohle, Öl und Gas ergreifen."