Ein Braunbär steht im Bärenwald Müritz auf einer Wiese.
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Sichtungen in Süddeutschland Wie gefährlich sind Bären?

Stand: 02.06.2023 14:05 Uhr

In Süddeutschland wurden bereits mehrere Male Bären gesehen. Siedeln sich die Tiere bald auch wieder bei uns an? Wie gefährlich sind sie? Und was bedeutet das für die Landwirtschaft?

Was wurde beobachtet?

Es gibt aus Bayern und Baden-Württemberg seit Jahresbeginn etwa ein Dutzend bestätigte Meldungen über Fotos oder Spuren von Bären - ungefähr so viele wie in den vier Jahren davor zusammen. Das bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) sammelt auf einer Monitoring-Seite alle Nachweise. Die Spuren stammen aus verschiedenen Regionen vom Oberallgäu bis zum Berchtesgadener Land.

Dabei handelt es sich laut Klaus Hackländer, Wildtierbiologe an der Universität für Bodenkultur Wien und Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung, um mindestens zwei verschiedene Tiere. Zwischenfälle mit Menschen gab es bislang nicht, bei Sichtungen zogen sich die Bären zumindest immer schnell zurück. Im April wurden im Landkreis Rosenheim jedoch zwei Schafe getötet.

Woher kommen die Bären?

"Das sind Jungtiere, die aus Italien zu uns hinüberwandern", erklärt Hackländer. In der Region Trentino leben etwa 130 Braunbären, die auf ein Wiederansiedlungsprojekt mit Tieren aus Slowenien zurückgehen. "Allerdings ist die Region nur für etwa 50 Tiere geeignet, deshalb wandern die jüngeren von dort ab." Dabei könnten sie durchaus weite Strecken zurücklegen - vom Trentino bis Bayern sind es einige Hundert Kilometer.

Werden Bären bald in Deutschland heimisch so wie Wölfe?

Das glaubt Wildtier-Experte Hackländer nicht. Denn anders als Wölfe brauchen Bären größere zusammenhängende Gebiete, gerade wenn sie Nachwuchs haben. Die gibt es aber in Deutschland kaum noch, so der Biologe: "Es wird hier keine Bärenpopulation geben, weil wir einfach zu zersiedelt sind, zu hohe Dichte haben an Menschen pro Fläche. Deswegen werden immer mal wieder Individuen aus dem Alpenraum zu uns vorstoßen, die sich aber nicht dauerhaft hier niederlassen."

Das sieht auch Moritz Klose, Wildtier-Experte der Umweltorganisation WWF, so. "Bären leben eher zurückgezogen und meiden eigentlich laute Straßen und menschliche Siedlungen - beides gibt es in Deutschland aber recht viel." Deshalb geht er davon aus, dass Bären zwar hier weiterhin gesichtet werden, sich aber keine eigenständige deutsche Bärenpopulation entwickelt.

Wie gefährlich sind Bären?

Zwischenfälle mit Menschen sind eher selten. Allerdings wurde im April in Italien ein Jogger von einem Braunbären getötet. Der Vorfall geht laut Bären-Experte Hackländer wahrscheinlich auf eine sogenannte Risikobärin zurück, eine Schwester von "Bruno" - dem berühmten bayerischen Bären von 2006 -, die mittlerweile gefangen wurde. In Deutschland seien aber maximal "Schadbären" unterwegs, so Hackländer. Solche also, die zwar Tiere reißen können, aber höchstwahrscheinlich keine Gefahr für Menschen darstellen.

"Risikobären - in den Medien auch oft Problembären genannt - gehen auch in menschliche Siedlungen hinein und zeigen nicht die Scheu, die die Tiere normalerweise haben", erklärt Hackländer. Der Grund dafür seien aber nicht nur Vererbung oder bestimmte Gene, sondern das, was die Tiere in der Jugend an Verhalten erlernt hätten - oft von Menschen. "Wenn die von früh an von Menschen angefüttert wurden oder ständig Müll als Nahrungsquelle wahrgenommen haben, kann es auch eher zu Konflikten mit Menschen kommen."

Das bayerische Landesamt für Umwelt, LfU, rät Wanderern und Spaziergängern in Wäldern daher auch dazu, Bären nicht zu füttern oder Essensreste in der Natur zurückzulassen. "In den USA sagt man: 'A fed bear is a dead bear.' (Ein gefütterter Bär ist ein toter Bär)”, so Klose. "Das liegt daran, dass Bären, die gefüttert werden, meist so ein problematisches Verhalten zeigen, dass es oft keine andere Möglichkeit gibt, als sie zu erschießen." Der Mensch trage also auch eine Verantwortung, gefährliche Verhaltensmuster gar nicht erst entstehen zu lassen.

Dass es sich bei Bären aber durchaus um potentiell gefährliche Raubtiere handelt, zeigt das Beispiel Rumänien. Nach Schätzung des Umweltministeriums leben dort 7500 bis 8000 Tiere. Und allein in den Jahren 2016 bis 2021 starben bei 154 Bärenangriffen im dem EU-Land 14 Menschen, weitere 158 wurden verletzt.

Wie verhalte ich mich, wenn ich einen Bären treffe?

Man sollte ruhig bleiben und Abstand halten. Das LfU rät dazu, den Bären durch ruhiges Sprechen und langsame Armbewegungen auf sich aufmerksam zu machen und dann kontrolliert den Rückzug anzutreten, allerdings ohne wegzurennen. Wenn Bären sich aufrichten, ist dies keine Drohgebärde - sie sind neugierig und richten sich auf, um die Situation besser einordnen zu können. 

"Wichtig ist, dass man dem Bären keinen Anlass gibt, dass er sich bedroht fühlen könnte, etwa indem man ihn einengt oder Wege abschneidet", erklärt Klose. Auf keinen Fall sollte man versuchen, den Bären mit Ästen oder Steinwürfen einzuschüchtern oder zu vertreiben - dann könnte er sich angegriffen fühlen. Und falls es doch zu einem Angriff kommt, sollte man sich flach auf den Boden legen und tot stellen. Konkret raten die Experten, sich auf den Bauch zu legen, das Gesicht nach unten, und den oberen Nackenbereich mit den Händen zu schützen.

Sollte der Abschuss erleichtert werden?

Bären abzuschießen, nur weil sie umherwandern oder einzelne Tiere reißen, hält Umweltschützer Klose für "den völlig falschen Weg". Zunächst einmal würden Bären genau wie Wölfe unter strengem Schutz stehen. Außerdem würde es das Problem möglicher Risse nicht lösen, "denn dann müsste man die Art in einer Region komplett ausrotten".

Auch Hackländer hält es für wenig sinnvoll, Bären generell leichter abschießen zu können, wie es einige CSU-Politiker bereits fordern. Prävention sei deutlich wirksamer, um Schafe oder Ziegen zu schützen. "Viel wichtiger ist, bevor man jetzt populistisch sagt, der muss geschossen werden, dass wir zunächst mal anders mit unseren Nutztieren umgehen."

Beide Experten sind sich aber einig: Bei Risikobären, die eine akute Gefahr für Menschen darstellen, ist die Entnahme - also in der Regel Abschuss oder zumindest Gefangennahme - geraten.

Was bedeuten die Bären für Landwirtschaft?

Bären ernähren sich - anders als Wölfe - überwiegend vegetarisch. Dennoch ist es möglich, dass sie Weidetiere reißen. Der Schaden lässt sich aber laut Expertinnen und Experten durch Herdenschutzmaßnahmen gut reduzieren. Dazu zählen etwa (Elektro-) Zäune, Herdenschutzhunde oder die Tiere über Nacht in Ställe zu bringen. Dabei sollten Landwirte laut Klose auch finanziell unterstützt werden - denn gerade in Bayern gebe es hier noch "einigen Nachholbedarf".

Zwar sind solche Maßnahmen nicht überall umsetzbar. Dennoch rechnen Experten nicht mit großen Schäden durch Bären. So schreibt etwa die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfU): "Das Ausbreitungs- und Schadenspotenzial der Braunbären ist grundsätzlich als erheblich geringer als beim Wolf einzustufen." Zudem gibt es Ausgleichszahlungen - die Landwirte bleiben also nicht allein auf möglichen Schäden sitzen, wie das LfU gegenüber tagesschau.de erklärt: "Grundsätzlich gilt: Sollte ein Nutztier von einem Bären gerissen werden, kann vom Freistaat Bayern eine vollständige Ausgleichszahlung gewährt werden."

Hackländer gibt dabei jedoch zu bedenken, dass Landwirte nicht nur finanziell, sondern auch emotional betroffen sind. Viele könnten die Beweidung ihrer Flächen aufgeben, weil der Aufwand für Herdenschutz nicht tragbar sei. Und das habe Auswirkungen auf den Naturschutz und den Tourismus. "Wenn Almen nicht mehr beweidet werden, verschwinden bedrohte Pflanzen- und Insektenarten und die Landschaft wird für Erholungssuchende weniger attraktiv", so Hackländer.

Auch WWF-Experte Klose sagt, Schutzmaßnahmen seien aufwendig und würden viel Geld kosten. Aber: "Wir haben eine Verantwortung für Artenschutz und Biodiversität. Und als reiches Land können und sollten wir uns eine intakte Natur leisten." Und dazu gehörten auch einzelne umherwandernde Bären.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Bayern 2 am 11. April 2023 um 06:00 Uhr.