RKI-Warnung Arzneimittel-Wirkung kann sich bei Hitze verändern
Das RKI warnt vor unerwünschten Nebenwirkungen von Medikamenten bei hohen Temperaturen. Das betrifft unter anderem blutdrucksenkende und entwässernde Mittel.
Hohe Temperaturen sind ein Risiko für die Gesundheit und fordern im schlimmsten Fall Menschenleben, zum Beispiel durch Hitzschläge. Ausreichend Trinken, Schatten suchen, Ruhepausen - darauf können alle achten, um sich zu schützen. Doch gerade Menschen, die Medikamente einnehmen, sollten an heißen Tagen besonders vorsichtig sein.
In einem aktuellen Bericht warnt das Robert Koch-Institut (RKI) vor unerwünschten Medikamenten-Nebenwirkungen durch Hitze. Die Veröffentlichung ist Teil des Sachstandsberichts Klimawandel und Gesundheit. Durch die Erderwärmung werden Extremwetter wahrscheinlicher, der Sommer 2023 war der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Besondere Vorsicht bei blutdrucksenkenden Medikamenten
Bei Hitze erweitern sich die Blutgefäße, damit viel Blut in die Haut strömt und über die Hautfläche Wärme abgegeben werden kann, erklärt Alina Herrmann im Gespräch mit SWR2 Impuls. Die Ärztin forscht an der Uniklinik Heidelberg zum Thema Klimawandel und Gesundheit. Deshalb könnte die übliche Dosis an Blutdruckmedikamenten an heißen Tagen zu hoch sein, sagt die Forscherin, und der Blutdruck sinkt gefährlich weit ab.
Das RKI warnt in seinem Bericht vor Ohnmacht und damit verbundenen Sturzverletzungen. Organe könnten unterversorgt sein, das Risiko eines Herzinfarkts steigt. Bestimmte Blutdruckmedikamente wie etwa ACE-Hemmer beeinflussen außerdem das Durstgefühl, wodurch manche eventuell zu wenig trinken, sagt Herrmann.
Doch auch Bluthochdruck kann eine unerwünschte Folge durch Hitze sein. So können Schmerzmittel, darunter Ibuprofen, bei heißem Wetter zu einem plötzlichen Anstieg des Blutdrucks oder Nierenversagen führen.
Medikamente zur Entwässerung
Ein weiteres Risiko besteht bei entwässernden Medikamenten, auch ihr Effekt wird verstärkt. Der Tipp der Ärztin: Sich täglich wiegen. Starke Gewichtsschwankungen hängen nicht unbedingt damit zusammen, dass man zu viel oder zu wenig gegessen habe. Eine starke, plötzliche Gewichtsabnahme oder "dass die Haut ganz faltig wird" seien Warnsignale für einen Wasserverlust. Es könne sinnvoll sein, die Dosis entwässernder Medikamente zu reduzieren.
Antidepressiva beeinflussen Schweißproduktion
Auch einige Psychopharmaka haben bei Hitze ein höheres Risiko von Nebenwirkungen, denn sie führen dazu, dass der Körper weniger Schweiß produziert. Davon betroffen sind auch andere sogenannte anticholinerge Arzneimittel, wie Medikamente gegen Schlafstörungen, Übelkeit, Parkinson und Harninkontinenz oder Antihistaminika. Durch sie wird die körpereigene Temperaturregulierung stark beeinträchtigt, was bei hohen Temperaturen zum Problem wird - denn Schwitzen kühlt ab. Alina Herrmann empfiehlt zum Beispiel kalte Arm- und Fußbäder, um die reduzierte Schweißproduktion zu kompensieren.
Medikamente nicht eigenständig absetzen
Während die Einnahme mancher Medikamente unterbrochen werden kann, stellt das bei anderen ein Gesundheitsrisiko dar. Herrmann betont, dass jede Änderung ärztlich abgesprochen werden müsse. Vor dem Sommer empfiehlt sie zudem, einen Medikamenten-Check-up zu machen.
Gerade ältere Menschen mit vielen Vorerkrankungen müssen vorsichtig sein. Starke Schmerzmittel, die die Aufmerksamkeit verringern, oder Erkrankungen wie Demenz führen dazu, dass man sich schlechter an Hitze anpasse, erklärt die Ärztin. Einfache Maßnahmen, wie die Rollläden bei Hitze herunterzulassen, werden womöglich nicht ergriffen. Angehörige sollten sich täglich erkundigen, ob alles in Ordnung sei und im Idealfall sogar vorbeigehen.
Doch auch jüngere Menschen sollten zusätzliche Risiken durch Hitze nicht unterschätzen, wie der RKI-Bericht zeigt. Die Fachleute beziehen sich hier auf eine Studie aus Augsburg, der zufolge Personen im Alter von 25 bis 59 Jahren bei Hitze ein erhöhtes Risiko eines nicht-tödlichen Herzinfarkts haben, wenn sie bestimmte Herz-Kreislauf-Medikamente einnehmen. Dazu gehören sogenannte Gerinnungshemmer wie Aspirin.
Auf kühle Lagerung achten
Als indirekte Folge der Hitze wird das Gesundheitswesen stärker belastet, da mehr Rettungseinsätze und Krankenhausaufnahmen daraus resultieren. Außerdem stellen sich neue Anforderungen an die Medikamentenlagerung, heißt es im Sachstandsbericht.
Das betrifft auch Privathaushalte. Das RKI warnt davor, dass sich die Wirksamkeit von Medikamenten verringern könnte, wenn diese bei zu hohen Temperaturen gelagert wurden. Herrmann nennt als Beispiel Insulin, das als Eiweiß sehr hitzeempfindlich ist. Vorsicht gelte auch bei Asthmasprays, da in den Alubehältern durch Hitze zu viel Druck entstehen kann oder die Ventile verkleben.
Ende des Jahres soll der dritte und abschließende RKI-Report erscheinen, der unter anderem Handlungsoptionen aufzeigt und thematisiert, wie eine geeignete Kommunikation gelingen kann.