Kühlgrenztemperatur Wann ist heiß zu heiß?
Die Welt wird immer heißer - mit Folgen für unsere Gesundheit. Doch die Temperatur ist nicht das einzige Problem, auch Luftfeuchtigkeit spielt eine Rolle. Welche Kühlgrenztemperatur halten Menschen maximal aus?
Große Hitze macht dem menschlichen Körper auf vielerlei Arten zu schaffen. Wenn es heiß wird, erweitern sich die Blutgefäße und vergrößern ihre Oberfläche, um möglichst viel Wärme abgeben zu können. Mehr Blut wird in die äußeren Adern gepumpt, um dort Wärme abzugeben. Wir fangen an zu schwitzen, um über die Verdunstung die Körpertemperatur zu kühlen.
In Extremfällen können zu hohe Temperaturen zum Tod führen: Bei der jüngsten Hitzewelle in Indien starben etwa 100 Menschen. Dort herrschten über Tage hinweg Temperaturen von fast 50 Grad. Bei einem Hitzschlag kann der Körper sich nicht mehr auf die benötigten 37 Grad herunterkühlen - die Organe versagen.
Schwüle Hitze belastender
So heiß ist es in Deutschland zwar nicht. Aber auch hierzulande starben in den vergangenen Jahren Zehntausende Menschen an Hitze. Doch hohe Temperaturen sind nicht immer gleich anstrengend für den Körper. Der zweite entscheidende Faktor ist die Luftfeuchtigkeit. Denn enthält die Luft zu viel Wasser, verdunstet unser Schweiß kaum noch und die Kühlung des Körpers funktioniert nicht mehr richtig.
Deshalb betrachten Experten immer auch die sogenannte Kühlgrenztemperatur. Das ist die niedrigste Temperatur, die der Körper durch Verdunstungskühlung erreichen kann. Sie zeigt genauer an, welcher Hitzestress bei welchen äußeren Bedingungen auf den Körper wirkt, denn trockene Hitze lässt sich besser ertragen als schwüle. Bei einer Luftfeuchtigkeit von 100 Prozent ist der Wert beispielsweise identisch mit der Temperatur in Grad Celsius. Bei 30 Grad Celsius und 50 Prozent relativer Luftfeuchte - für Deutschland realistische Werte - liegt die Kühlgrenztemperatur bei rund 22 Grad.
Bisheriger Wert wohl zu hoch angesetzt
Lange wurde davon ausgegangen, dass eine Kühlgrenztemperatur von 35 Grad lebensbedrohlich sein kann für einen gesunden Menschen. Grund ist eine Studie von 2010, in der diese theoretische Annahme postuliert wurde. Doch mittlerweile gehen Experten davon aus, dass dieser Wert zu hoch angesetzt ist.
Für eine neuere Untersuchung setzten Wissenschaftler 24 Probanden in einer Klimakammer verschiedenen Kombinationen von Hitze und Luftfeuchtigkeit aus. Sie verschluckten einen Sensor, der die Körperkerntemperatur maß, und mussten leichte Bewegungen machen, also etwa umhergehen.
Das Ergebnis: Keiner der Probanden erreichte das theoretische Limit von 35 Grad, ihre Werte wurden schon deutlich darunter kritisch. "Unsere Studie an jungen, gesunden Männern und Frauen zeigt, dass die obere Grenze, ab der lebensbedrohliche Hitzeschäden möglich sind, sogar noch niedriger ist. Sie liegt eher bei einer Kühlgrenztemperatur von 31," schreiben die Autoren im Magazin "Spektrum der Wissenschaft".
Kinder und Alte besonders gefährdet
Solch hohe Werte sind für Deutschland kaum zu erreichen. Doch auch niedrigere (Kühlgrenz)Temperaturen können für bestimmte Menschen gefährlich werden, erklärt die Biologin Veronika Huber von der LMU München. "Vor allem Ältere und Vorerkrankte sind gefährdet. Denn nur der geringste Teil der Hitzetoten stirbt wirklich an einem Hitzschlag, das zeigen Studien. Häufigere Todesursachen sind zum Beispiel Herzinfarkt oder Nierenversagen, die aber natürlich mit der Hitze zu tun haben können."
Bei älteren Menschen sei das Kühlungssystem des Körpers - wie viele Körperfunktionen - schwächer und reagiere langsamer. "Außerdem haben alte Menschen oft ein anderes Durstempfinden, was es für sie gefährlicher macht." Auch (Klein)Kinder sind empfindlicher, da sie eine wesentlich niedrigere Schweißproduktion haben.
Mehr und längere Hitzewellen
Das Problem: Bereits jetzt hat sich die Zahl der heißen Tage - an denen es also mindestens 30 Grad warm wird - seit dem 2. Weltkrieg fast verdreifacht. Und durch den Klimawandel wird die Hitze weiter zunehmen. "In Zukunft werden wir nicht nur höhere Durchschnittstemperaturen, sondern auch mehr und längere Hitzewellen erleben", sagt Andreas Matzarakis vom Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutscher Wetterdienstes in Freiburg.
"Ihre durchschnittliche Zahl wird von drei auf über fünf pro Jahr ansteigen und sie werden länger andauern. Momentan liegt die durchschnittliche Dauer bei circa fünf Tagen, sie wird sich aber bis zum Ende des Jahrhunderts auf durchschnittlich über acht Tage erhöhen." Das alles könnte zur Folge haben, dass mehr Menschen unter Hitze leiden und möglicherweise an den Folgen sterben.
"Bei einer globalen Erwärmung von etwa drei Grad bis 2100, wovon im Moment die meisten Experten ausgehen, könnte sich die hitzebedingte Mortalität bei uns verdreifachen, wenn keine wirksamen Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden", sagt Biologin Huber. Wichtig sei zu beachten, dass das Mortalitätsrisiko nicht linear, sondern exponentiell zur Temperatur steigt. "Der Unterschied zwischen 35 und 40 Grad ist bezogen auf die Mortalität enorm", so die Forscherin.
Tropische Regionen besonders betroffen
Dabei ist Deutschland als reiches Land zumindest in der Lage, Gegenmaßnahmen zu treffen. Das können viele ärmere Länder - die jedoch mitunter besonders vom Klimawandel betroffen sind - nicht. Erst jüngst zeigte eine Studie, dass die sogenannte Klima-Nische kleiner wird. Als Klima-Nische gilt der Temperaturbereich, in dem Menschen aufgrund günstiger klimatischer Bedingungen bevorzugt siedeln. Bis Ende des Jahrhunderts könnte ein Drittel der gesamten Weltbevölkerung außerhalb dieser Nische, also in besonders heißen Regionen leben.
Gerade in tropischen Regionen könnten die Kühlgrenztemperaturen in Zukunft steigen und zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen. Laut Studien dürften vor allem dicht besiedelte und landwirtschaftlich intensiv genutzte Regionen in Südasien davon betroffen sein. "Bei ungebremstem Klimawandel könnten die Flusstäler dort und in China ernsthafte Probleme kriegen. Aber auch in einigen Regionen im Nahen Osten könnten sich die Temperaturen so entwickeln, dass sie eine nie dagewesene Gefahr für die Menschen dort darstellen", erklärt Huber.
Schutz vor Hitze
Sollte es in Deutschland in diesem Sommer wieder extrem heiß werden, rät die Expertin vor allem dazu, viel zu trinken, die Sonne zu meiden und sich nicht zu sehr anzustrengen. Der DWD gibt für solche Tage Hitzewarnungen aus. Darin wird auch die gefühlte Temperatur berücksichtigt: Dabei werden neben Temperatur auch Luftfeuchtigkeit, Windstärke und andere Parameter berücksichtigt. Denn wie heiß und gefährlich es für Menschen ist, hängt nicht allein vom Thermometer ab.