Gynäkomastie Wenn Männer einen Busen haben
Vielen Jungen wächst in der Pubertät ein fast weiblicher Busen - manchmal bildet er sich zurück, manchmal nicht. Für die Betroffenen häufig eine starke Belastung. Was können sie tun?
Christian M. (Name von der Redaktion geändert) ging nie gern ins Freibad, denn er schämte sich für seinen Männerbusen. "Ich hab dann immer die Arme verschränkt, damit das keiner sehen konnte." Eine unbeschwerte Jugend hatte er deshalb nicht, sagt er.
Tatsächlich ist er mit dem Problem nicht allein. Bei rund zwei Drittel aller Jungen wächst in der Pubertät ein Männerbusen, im Medizinjargon: eine Gynäkomastie. Bei vielen bildet sie sich nach einiger Zeit wieder zurück, aber bei 10 bis 20 Prozent der Betroffenen bleibt die Gynäkomastie bestehen, schätzen Experten.
Wenn die Gynäkomastie nicht noch in der Pubertät verschwindet, bleibt sie für immer, berichtet der plastische Chirurg Jörn Lohmeyer vom Agaplesion Diakonieklinikum in Hamburg: "Typischerweise ist es so, dass die meisten Gynäkomastien, die ein Jahr oder länger bestanden, sich einfach verhärten."
Sport allein hilft nicht
Viele Betroffene treiben intensiv Sport, trainieren vor allem ihre Brustmuskeln, um die Gynäkomastie loszuwerden - doch ohne Erfolg. Der Grund: Die Muskeln zu trainieren wirkt sich auf die tatsächliche Ursache einer Gynäkomastie nicht aus.
Bei einer Gynäkomastie wächst die eigentlich winzige Brustdrüse stark an. Teilweise um mehrere Zentimeter. Sie wird deutlich sicht- und fühlbar. Der Auslöser dafür ist fast immer ein Ungleichgewicht zwischen den Hormonen Testosteron und Östrogen.
"Östrogen kennen wir aus dem weiblichen Hormonhaushalt, es wirkt wie ein Wachstumshormon, und manche Männerkörper reagieren darauf sehr stark. Wenn zu viel Östrogen vorhanden ist, führt das dann zu einem Wachstum der Brustdrüse", berichtet die plastische Chirurgin Heike Arnold aus Mörfelden-Walldorf. Sie berät in ihrer Freizeit über Social Media viele Betroffene und beobachtet, dass die Männer wenig gute Informationen finden. Sie geraten an unkundige Ärzte - und zahlen am Ende viel Geld.
Oft zahlt die Krankenkasse nicht für die Behandlung
Eine Gynäkomastie ist nur für kurze Zeit in der Pubertät mit Tabletten behandelbar. Verhärtet sich die Brustdrüse, bleibt nur noch die Operation. Die Kosten liegen in Deutschland im Schnitt zwischen 3.000 Euro und 7.000 Euro.
Wichtig ist vorher eine gründliche Untersuchung, so müssen unter anderem ein Brustkrebs oder versteckte Erkrankungen des Hodens ausgeschlossen werden. Zudem ist ein Arztbericht notwendig, um den Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse stellen zu können.
Gute Chancen auf Erfolg haben dem Mediziner Lohmeyer zufolge Männer, die nicht nur die psychische Belastung als Grund anführen: "Typischerweise wird von den Krankenkassen eine Behandlung übernommen, wenn nachweislich Beschwerden vorliegen. Das können Schmerzen sein im Bereich der Brust. Auf der anderen Seite werden die Kosten auch mal übernommen, wenn die Brust zum Beispiel sehr weiblich aussieht oder eine deutliche Asymmetrie besteht." Einen Anspruch auf eine Kostenübernahme gibt es nicht.
Auch Erwachsene können einen Männerbusen bekommen
Bestimmte Medikamente wie das Herz- und Blutdruckmittel Spironolacton oder chronische Lebererkrankungen können auch bei erwachsenen Männern ein Brustwachstum auslösen. Der plastischen Chirurgin Arnold fallen darüber hinaus besonders Konsumenten von Cannabis auf: "Die bekommen auf einmal eine Gynäkomastie, die unheimlich schnell fest wird."
Übergewicht kann zu einem Männerbusen führen
Das größte Risiko für eine Gynäkomastie ist Übergewicht. Der Grund: Fettgewebe, insbesondere das innere Bauchfett, wandelt Testosteron in Östrogen um, das kann auch bei Erwachsenen noch zum Wachstum der Brustdrüse führen.
Eine häufige Sonderform ist die Lipomastie, auch Pseudogynäkomastie genannt. Dabei lagert der Körper in der Brust viel Fett ein, so dass auch eine Art Busen entsteht. Bei einer Lipomastie übernehmen die Krankenkassen selten die Behandlungskosten.
Mischformen mit Brustdrüse und Fetteinlagerungen sind häufig. Dann rät der plastische Chirurg Lohmeyer, vor einer Operation abzunehmen, das reduziere die nötigen Narben und verbessere das spätere Aussehen sehr stark.
Auch Christian M. hat vor seiner Operation 20 Kilo abgenommen. Jetzt geht er wieder gern ins Freibad. Ohne Scham und Männerbusen.