Ernährungstrend Superfood Hafer?
Hafermahlzeiten gelten als ultimativer Abnehm-Hit, als unverzichtbar für die Gesundheit. Kaum ein Café kommt ohne Haferdrink aus, viele Supermärkte bieten eine breite Produktpalette an. Was ist dran am Hafer-Hype?
Porridge, Overnight Oats, Bircher Müsli, Haferdrinks und Co sind ziemlich hip und aus keinem Szenecafé wegzudenken. Und Hafer ist nicht nur angesagt, sondern auch tatsächlich gesund, sagen Forschende in großer Einmütigkeit, so wie beispielsweise Stefan Lorkowski, Professor für Ernährungswissenschaften an der Universität Jena: "Wir haben weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen, die viel Vollkorngetreide verzehren, wir haben weniger Diabetes, wir haben generell eine spätere Sterblichkeit." Und er fügt hinzu: "Das heißt, dass die Leute älter werden, länger gesund leben." Und sie erkranken zum Beispiel auch seltener an Dickdarmkrebs.
Das liegt vor allem an den Ballaststoffen, die in Getreide ganz allgemein und im Hafer besonders vorhanden sind. Matthias Fasshauer, Ernährungswissenschaftler an der Universität Gießen sagt: "Wir reden da von zehn Gramm Ballaststoffen ungefähr auf 100 Gramm Hafer, sodass er als ballaststoffreich gelten kann."
Denn, zum Vergleich: Ein herkömmliches Weißbrot verfügt gerade einmal über 2,7 Gramm Ballaststoffe auf 100 Gramm, Brokkoli hat 2,6 Gramm, Brombeeren 5,3 Gramm. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, pro Tag etwa 30 Gramm Ballaststoffe mit der Nahrung aufzunehmen.
Beta Glucan: Der Cholesterinsenker
Im Hafer ist ein ganz spezieller Ballaststoff enthalten. Das ist das sogenannte Beta Glucan, das auch in Pilzen, Algen, Bakterien und Hefen vorkommt. Dieser lösliche Ballaststoff ist nicht nur gut für die Darmflora, weil er das Mikrobiom im Gleichgewicht hält, sondern hat auch noch eine besonders wertvolle Eigenschaft: Er bindet das Cholesterin im Organismus.
Dadurch sinkt der Blutfettspiegel, der für viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen ursächlich ist, wie beispielsweise Herzinfarkt oder Schlaganfall. Deshalb wird ein erhöhter Blutfettspiegel in der Regel mit Medikamenten behandelt. Hafer kann in solchen Fällen nicht nur eine Therapie-Ergänzung sein, sondern - je nach Einzelfall - die Medikamente sogar ersetzen.
Beta Glucan und der Blutzuckerspiegel
Darüber hinaus senkt das Beta-Glucan auch den Blutzuckerspiegel, sagt Ernährungswissenschaftler Fasshauer: "Wenn man über die medikamentöse Wirkung von Hafer spricht, dann nennt man immer den Diabetes Mellitus Typ 2. Also ein Diabetes Mellitus, der mit Übergewicht assoziiert ist und dazu führt, dass Menschen insulinresistent werden."
Beim Diabetes Typ 2, der meistens durch den Lebensstil verursacht wird, verlieren die Körperzellen nach und nach die Fähigkeit, das körpereigene Insulin aufzunehmen und zu verarbeiten. Das aber brauchen wir, um den Zucker im Blut zu den Körperzellen zu transportieren und sie damit zu versorgen.
Nehmen die Zellen das Insulin nicht mehr auf, lässt sich das durch die Ernährung zumindest teilweise wieder rückgängig machen. Zum Beispiel durch Diättage, an denen ausschließlich Hafermahlzeiten gegessen werden.
Gewichtsreduktion durch Hafer?
Viele schwören auf Hafer, um damit Gewicht zu verlieren. Dafür aber ist die wissenschaftliche Datenlage ausgesprochen dünn, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Marie-Christine Simon von der Universität Bonn:
"Es gibt einige Arbeiten, die darauf hindeuten, dass es durch den Konsum von Hafer zu Gewichtsreduktion kommen kann. Es gibt aber auch andere Arbeiten, die sagen: Wenn wir das auf einer isokalorischen Ebene machen, also, dass man nur eine Mahlzeit mit einer Nicht-Hafer-Mahlzeit austauscht, aber sich in der gleichen Kalorienaufnahme befindet, dass das dann zwar zu einer Verbesserung des Stoffwechsels führt, aber man dennoch gar keine Gewichtsreduktion hat."
Das bedeutet, um abzunehmen, reicht es nicht aus, eine Mahlzeit durch Hafer zu ersetzen und dabei die Kalorienmenge gleich zu lassen. Dadurch schwinden keine Kilos. Das gelingt nur durch eine Reduktion der Gesamtmenge an Kalorien.
Hafer ist nicht gleich Hafer
Hafermahlzeiten können sogar zu einer Gewichtszunahme führen, also den gegenteiligen Effekt bewirken. Denn Hafer ist zwar von Natur aus sehr gesund, aber es kommt auf die Zubereitung an, sagt Ernährungswissenschaftler Fasshauer. "Wenn mir jemand erzählt, dass er viel Hafer isst, dann weiß ich noch nicht sehr viel darüber, ob er sich gesund ernährt."
Nicht alle Lebensmittel, die Hafer enthalten, sind gleichermaßen gesund, so der Forscher. Häufig sind Haferriegel, Kekse, Haferdrinks oder Müslis mit Zucker und Aromen angereichert. Dann können diese Produkte nicht nur zu einem kurzfristigen Blutzuckeranstieg führen, sondern auch zu einer Gewichtszunahme.
Denn "dann ist aus einem Lebensmittel mit Hafer ein hochverarbeitetes Lebensmittel geworden. Da sind Dickmacher-Zutaten drin, von denen wir wissen, dass sie das Über-Essen und das Übergewicht fördern, und dann wird dieses Haferprodukt ungesund und sollte vermieden werden." Deshalb rät Fasshauer, Haferprodukte vor dem Kauf genau anzugucken.
Und das heißt: Die Zutatenliste durchlesen. Wenn beispielsweise dem Müsli Aromen, Süßungsmittel und/oder Zucker zugesetzt sind, dann sei klar, dass der Wert des guten Nahrungsmittels Hafer, geschrumpft ist. Und dass die negativen Anteile dieser Ernährung die positiven Eigenschaften des Getreides überwiegen.