Zwei Frauen essen und trinken nach einem Workout proteinhaltige Lebensmittel.

Ernährungsergänzung So sinnvoll sind High-Protein-Produkte wirklich

Stand: 20.02.2024 15:59 Uhr

Fertigprodukte mit viel Eiweiß sollen beim Abnehmen oder Muskelaufbau helfen. Auf den ersten Blick sind sie tatsächlich auch gesünder als andere hochverarbeitete Lebensmittel. Sinnvoll oder gar notwendig sind sie dadurch aber nicht.

Von Yasmin Appelhans, NDR

Kaum ein Platz ist frei im kleinen Hörsaal an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Auf einer Tagung der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät stellt die Wissenschaftlerin Franziska Hägele neueste, noch unveröffentlichte Ergebnisse aus ihrer eigenen Forschung und der ihrer Kollegin Jana Koop vor. Es geht um High-Protein-Lebensmittel, Produkte also mit besonders viel Eiweiß. Sie sollen helfen, viel Muskelmasse aufzubauen oder Gewicht zu verlieren.

Proteine sind wichtig für den Muskelaufbau, und sie sollen schneller sättigen als zum Beispiel Kohlenhydrate. Einen Proteinanteil von mindestens 20 Prozent müssen Puddings, Riegel oder Müslis haben, um als High-Protein-Produkte bezeichnet werden zu können.

Gesünder als andere Fertigprodukte

Dabei gibt es aber auch gesundheitliche Bedenken, denn bei den High-Protein-Produkten handelt es sich um hochverarbeitete Lebensmittel. Und die enthalten normalerweise besonders viel Zucker, Salz und gesättigte Fettsäuren und relativ wenige Ballaststoffe.

Auf den ersten Blick sind diese Bedenken nicht unbedingt gerechtfertigt, denn nach einer systematischen Untersuchung stehen High-Protein-Produkte überraschenderweise besser da als andere Fertigprodukte, so Hägele: "Wenn der Proteinanteil höher ist, dann ist tendenziell der Kohlenhydratanteil geringer, auch der Anteil, der wirklich auf Zucker entfällt." Es seien insgesamt weniger Fette in den High-Protein-Produkten enthalten und auch weniger der ungesünderen gesättigten Fettsäuren, gleichzeitig aber mehr Ballaststoffe. Nur etwas mehr Salz konnten die beiden Wissenschaftlerinnen bei ihrer Untersuchung finden.

Weniger Kalorien mit High-Protein

Und auch in Versuchen in sogenannten Stoffwechselkammern zeigten sich erst einmal positive Effekte bei den Probandinnen und Probanden. Stoffwechselkammern sind abgeschlossene, kleine Räume, in denen die verbrauchte Luft abgesaugt und analysiert wird. Dadurch können die Forschenden feststellen, wie viele Kalorien aus Kohlenhydraten, Fett und Proteinen verbrannt werden. Die Kammern sind spärlich eingerichtet. Nur ein Bett, einen Tisch, eine Toilette mit Waschbecken und ein Fahrradergometer gibt es dort.

Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer verbrachten zweieinhalb Tage in diesen Räumen. In der Kontrollgruppe bekamen sie so viele normale Fertigprodukte angeboten, wie sie essen wollten. Die andere Gruppe bekam solche mit einem besonders hohen Proteinanteil. In dieser Gruppe nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fast 200 Kilokalorien pro Tag weniger zu sich.

Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie ihr Essen intensiver kauten, wie die Forscherinnen beim Zählen der Kaubewegungen feststellten. Auch verbrannten die Probandinnen und Probanden der High-Protein-Gruppe bei der vorgegebenen Bewegung auf dem Fahrradergometer mehr Kalorien als die Kontrollgruppe, die normale Fertigprodukte aß.

Auch bei hohem Proteinanteil zu viele Kalorien

"Das klingt erstmal natürlich ganz toll, doch ein kleines 'Aber' gibt es dann doch noch. Vielleicht auch nicht ganz so klein", so Franziska Hägele. Denn in beiden Gruppen nahmen die Teilnehmenden trotzdem noch mehr Kalorien zu sich als sie verbrennen konnten. In der Kontrollgruppe mit herkömmlichen Fertigprodukten waren es im Schnitt 30 Prozent zu viel. Bei den Probandinnen und Probanden, die die High-Protein-Produkte bekamen, waren es zwar wesentlich weniger, aber auch sie aßen durchschnittlich 16 Prozent zu viel.

Insgesamt würden die Teilnehmenden der Studie also auch mit den Fertigprodukten mit hohem Proteingehalt noch zunehmen, würden sie ausschließlich diese essen. Es handelt sich eben auch bei High-Protein-Produkten noch um hochkalorische Fertigprodukte. Um abzunehmen ist eine Ernährung mit nur dieser Spezialform also weniger geeignet.

Auch beim Sport nicht nötig

Und auch Sportlerinnen und Sportler brauchten die High-Protein-Produkte nicht, sagt Anja Carlsohn. Sie ist Ernährungswissenschaftlerin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und leitet die Arbeitsgruppe Sporternährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Leistungssportlerinnen und -sportler haben zwar durchaus einen höheren Bedarf an Proteinen. Bis zu doppelt so viel Eiweiß können ihre Muskeln brauchen. Auch ambitionierte Hobbysportlerinnen und -sportler können mehr Protein brauchen als Couchpotatoes.

Zusätzliches Protein ist aber meistens gar nicht nötig. "Man muss da ehrlicherweise sagen: Im Durchschnitt isst die Allgemeinbevölkerung so viel Protein, wie wir für Leistungssportler empfehlen", so Carlsohn. Der höhere Bedarf bezieht sich also auf die allgemeinen Empfehlungen. Das ist aber immer noch nicht höher als das, was die Allgemeinbevölkerung in Deutschland gerade konsumiert.

Mehr Kohlenhydrate nötig

Viel eher sollten Sportlerinnen und Sportler auf ausreichend Kohlenhydrate achten. "Das ist das größere Problem, dass die Kohlenhydrate momentan als der schlechte oder der böse Nährstoff dastehen, so wie es vielleicht in den 1970er-, 1980er-Jahren das Fett war", sagt Carlsohn. High-Protein-Produkte seien in jedem Fall überflüssig, so die Ernährungswissenschaftlerin. Denn der Proteinbedarf ließe sich leicht über Lebensmittel wie Quark und Hähnchen decken- oder umweltfreundlicher: durch Soja und Hülsenfrüchte.

High-Protein schlecht für die Umwelt

Denn tierische Produkte haben schließlich eine viel schlechtere Bilanz, was CO2-Ausstoß, Wasserverbrauch, Landflächenverbrauch angeht, als pflanzliche Proteine. Deshalb sind High-Protein-Produkte häufig nicht besonders umweltfreundlich. Franziska Hägele und Jana Koop haben in ihren Untersuchungen festgestellt, dass das zusätzliche Protein nur zu ungefähr einem Drittel aus pflanzlichen Quellen stammt. Der Rest kommt entweder gemischt aus tierischen und pflanzlichen oder gleich vollständig aus tierischen Quellen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR Info am 20. Februar um 09:50 Uhr.