Immunologie Warum manche Menschen keine Corona-Symptome hatten
Einfach Glück oder doch Genetik? Forschende aus den USA und Australien haben neue Hinweise darauf gefunden, weshalb manche Menschen keine Corona-Symptome hatten.
Während manche Menschen sehr schwer an Corona erkrankten, hatten andere keine Symptome oder nur einen milden Verlauf. Doch woran liegt das? In einer neuen Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift "Nature" erschienen ist, wird eine genetische Ursache näher beleuchtet. Das Forschungsteam aus den USA und Australien hat dazu über 1400 Personen mit einer nachgewiesenen Corona-Infektion untersucht, von denen etwa jede zehnte keine Symptome hatte. Und hier fanden sie eine Gemeinsamkeit: eine HLA-Genvariante, die nicht alle Menschen besitzen.
HLA - das steht für Humanes Leukozyten-Antigen. HLA-Proteine sitzen auf der Oberfläche unserer weißen Blutkörperchen und erfüllen wichtige Funktionen für das Immunsystem. Beispielsweise helfen sie den Immunzellen, unsere eigenen Körperzellen von fremden zu unterscheiden und Krankheitserreger zu erkennen. Im Laufe der Evolution hat sich bei HLA-Proteinen eine große genetische Vielfalt entwickelt. Einige Varianten kommen häufig vor, andere nur sehr selten. Sie treten in verschiedenen Kombinationen auf.
Schutz vor Krankheiten durch HLA-Varianten nicht neu
Schon länger ist bekannt, dass manche HLA-Varianten ihre Träger vor bestimmten Krankheitserregern schützen. Die Variante HLA-B*27 beispielsweise soll vor Grippeviren schützen und den Ausbruch von AIDS verzögern können.
In der Studie hatte jede fünfte Person der symptomlos Infizierten die HLA-Variante namens HLA-B*15:01. Manche Menschen tragen diese Variante sogar gleich zweimal in ihrem Erbgut - einmal vererbt von der Mutter, einmal vom Vater. Die Variante garantierte den Teilnehmenden keinen asymptomatischen Verlauf. Sie machte jedoch eine symptomlose Corona-Infektion achtmal wahrscheinlicher als bei Befragten mit anderen HLA-Varianten.
Auch andere Faktoren für Schwere der Erkrankung entscheidend
Die Forschenden griffen für ihre Studie auf registrierte Knochenmarkspenderinnen und -spender zurück und riefen sie zur Teilnahme an einer Handy-Umfrage zu ihren Corona-Symptomen auf. Besonders praktisch: Deren HLA-Daten wurden durch die Spendenbereitschaft bereits erfasst. Denn welche Varianten ein Mensch besitzt, ist besonders bei Organ- und Stammzelltransplantationen wichtig. Je ähnlicher sich die HLA-Varianten von Spender und Empfänger sind, desto unwahrscheinlicher ist eine Abstoßungsreaktion.
"Eine sehr gute Idee", findet Julian Schulze zur Wiesch, leitender Oberarzt der Sektion Infektiologie am Universität Klinikum Hamburg-Eppendorf und Leiter eines klinischen Labors, das sich mit akuten und chronischen menschlichen Viruserkrankungen befasst. Die Schwäche der Studie sei jedoch, dass man durch die Handy-Befragung nicht alle Angaben noch mal kontrollieren konnte, so Schulze zur Wiesch.
Er betont, dass weitere Faktoren wie das Alter, die Einnahme von immunsupprimierenden Medikamenten, Vorerkrankungen und insbesondere Impfungen für den Schutz vor Infektionen eine wichtigere Rolle spielen und man sich nicht auf genetische Veranlagung verlassen sollte.
Hinweise auf Kreuzimmunität
Und die Studie aus den USA und Australien liefert noch Hinweise auf einen weiteren Grund, weswegen manche Menschen keine Corona-Symptome hatten. Das Stichwort: Kreuzimmunität. Dieser Begriff stand schon zu Beginn der Pandemie immer wieder im Raum. Denn neben SARS-CoV-2 gibt es auch die sogenannten Erkältungs-Coronaviren.
Etwa ein Drittel der typischen Erkältungen gehen auf diese Viren zurück. Wer gegen die immun ist, ist auch vor Covid-19 besser geschützt, so die Annahme. Das Forschungsteam nahm die Immunzellen von Menschen mit der auffälligen HLA-Variante unter die Lupe, die angaben, dass sie noch nie mit Corona infiziert waren. Und tatsächlich: Die Immunzellen reagierten auf einen Teil des SARS-CoV-2-Virus, der in ähnlicher Form auch bei Erkältungs-Coronaviren vorkommt.
Noch viele Fragen zu Corona offen
"Auch wenn wir 2020 gemeint haben, wir hätten keinerlei Immunantworten, scheint es doch so zu sein, dass es wohl als Kreuzimmunität mit anderen Coronaviren schon eine Teilimmunität gegeben hat", sagt Professor Schulze zur Wiesch. Gemeinsam mit anderen Forschenden des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hat der leitende Oberarzt ebenfalls Hinweise darauf gefunden, dass eine Infektion mit Erkältungs-Coronaviren eine breite Kreuzimmunität gegen SARS-CoV-2 auslösen kann.
Es sei jedoch noch unklar, erklärt Schulze zur Wiesch, wie lange diese Immunität anhalte, und auch das sei keine Garantie für einen symptomlosen Verlauf. "Es wird immer klarer, dass es da ganz viele Verflechtungen gibt und dass ein Immunsystem auch ein Gedächtnis hat, was sehr unterschiedlich bei uns allen ist", sagt der Mediziner.
Und um das besser zu verstehen, braucht es mehr Forschung - auch zu Corona, obwohl die Pandemie vorbei ist. Das ist zum Beispiel für Menschen mit Long Covid wichtig oder für viele Ältere und Vorerkrankte, die sich in wenigen Monaten wieder die Frage stellen, ob sie sich im Herbst noch mal gegen Corona impfen lassen sollen. Die Autoren der "Nature"-Studie hoffen jedenfalls, dass sich durch ihre Forschung neue Erkenntnisse für die Therapie und Impfstoffentwicklung gewinnen lassen.