Krankheit im Herbst Was bedeuten die steigenden Corona-Zahlen?
Seit sechs Wochen verzeichnet das RKI einen Anstieg der gemeldeten Coronainfektionen. Außerdem wird die Variante EG.5.1 vermehrt nachgewiesen. Was bedeutet das?
Wie hoch sind die Infektionszahlen momentan?
Das Robert Koch-Institut (RKI) schreibt in seinem aktuellen Wochenbericht zu akuten respiratorischen Erkrankungen (AREs), dass seit etwa sechs Wochen steigende Fallzahlen von Covid-19 zu verzeichnen seien. Insgesamt seien die Inzidenzwerte aber weiterhin sehr niedrig. In Stichproben war das Coronavirus für weniger als zehn Prozent der AREs verantwortlich.
Die aktuelle 7-Tage-Inzidenz liegt laut Pandemieradar des Bundesgesundheitsministeriums bei vier Covid-19-Fällen pro 100.000 Einwohner. Allerdings wird gerade auch deutlich seltener getestet als zu Pandemie-Zeiten. Fachleute gehen deshalb von einer hohen Dunkelziffer aus. Gerade asymptomatische Infektionen würden seltener erkannt, sagt der Immunologe Carsten Watzl im Interview mit tagesschau24.
Einen verlässlicheren Einblick in das Infektionsgeschehen, einschließlich asymptomatischer Infektionen, gibt das Abwassermonitoring. Die Teststellen geben an, ob die Zahl der Coronaviren im Abwasser steigt, gleich bleibt oder sinkt. Deutschlandweit gaben zuletzt 70 Prozent der Teststellen eine steigende Viruslast an.
Wie gefährlich sind die Varianten EG.5 und BA.2.86?
Die Variante EG.5, auch Eris genannt, ist eine Untervariante des bisher vorherrschenden Omikron-Subtyps XBB.1.5 und hat ihrerseits mehrere Untervarianten. In den vom RKI untersuchten Proben findet sich zunehmend die Variante EG.5.1. Das zeigt, dass die Variante etwas ansteckender ist als bisherige Varianten.
Watzl gibt jedoch Entwarnung: "Sie ist nicht krankmachender, also der Anteil der Menschen, die sich mit dieser neuen Variante infizieren und dann schwer erkranken, ist nicht erhöht im Vergleich zu früheren Varianten." Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat EG.5 als "Variant of Interest" eingestuft.
Eine weitere Variante, BA.2.86, weist mehr Mutationen auf als EG.5. Fachleute beobachten diese Variante mit mehr Sorge. Ob sie sich durchsetzt, hängt allerdings davon ab, wie ansteckend sie ist. In den Proben des RKI fand sie sich bisher nicht. Die WHO stuft die Variante derzeit noch als "Variant under Monitoring" ein.
Viren mutieren ständig weiter. Viele der Mutationen sind harmlos, manche ändern jedoch die Eigenschaften des Virus. Dazu zählt beispielsweise, wie leicht sich die Viren verbreiten und wie schwer eine Infektion verläuft. Die WHO überwacht neue Varianten, um besorgniserregende Mutationen frühzeitig zu erkennen. Dabei unterscheidet sie drei Stufen: Variant under Monitoring, Variant of Interest und Variant of Concern. Ausschlaggebend für die Einstufung sind die vorhergesagten Eigenschaften der Varianten, wie schnell sie sich gegenüber anderen Varianten durchsetzen und ob sie zusätzliche Schutzmaßnahmen erfordern.
Wie verhalte ich mich, wenn ich mich infiziert habe?
Seit dem 1. März 2023 gilt in Deutschland nicht mehr die Pflicht, sich bei einer Coronainfektion zu Hause zu isolieren. Arbeitgeber können demnach von ihren Beschäftigten verlangen, zur Arbeit zu erscheinen - vorausgesetzt, dass diese sich fit fühlen. Das RKI empfiehlt allerdings, sich bei Symptomen einer Atemwegsinfektion - unabhängig von der Art des Erregers - drei bis fünf Tage lang zu Hause zu isolieren, bis die Symptome abgeklungen sind. Für den stationären Bereich von Krankenhäusern und für Pflegeheime gibt es gesonderte Empfehlungen des RKI.
Für wen ist eine Auffrischungsimpfung sinnvoll?
Hier gelten die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO). Eine jährliche Auffrischungsimpfung wird demnach Personen mit einem Risiko für einen schweren Verlauf empfohlen - darunter fallen alle Menschen ab 60 Jahren und Personen mit bestimmten Grunderkrankungen. Darüber hinaus richtet sich die Empfehlung an Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie an medizinisches Personal und Pflegepersonal. Auch Familienangehörigen und Kontaktpersonen von Immunsupprimierten wird die Auffrischungsimpfung empfohlen.
Der beste Zeitpunkt für die Impfung ist laut STIKO im Herbst, um gut auf die Winterwelle vorbereitet zu sein. Als Impfstoff kommen dann auch die an den Omikron-Subtyp XBB.1.5 angepassten Impfstoffe in Frage, die ab Mitte September verfügbar sein sollen. Immunologe Watzl empfiehlt, bis zu diesem Zeitpunkt zu warten: "Es reicht auch, wenn man sich dann impfen lässt, um dann einfach diesen Schutz vor der schweren Erkrankung nochmal besser aufzubauen."
Bin ich ohne Auffrischungsimpfung noch geschützt?
Das Hauptziel der Impfung ist laut Watzl, geimpfte Personen vor einem schweren Verlauf zu schützen. Bei gesunden Menschen unter 60 Jahren sei dieses Ziel auch dann noch erfüllt, wenn die dritte Impfung bereits anderthalb Jahre her ist, so der Immunologe. Jedoch nehme der Schutz vor der reinen Infektion mit der Zeit ab.
Wer den eigenen Immunschutz aufbessern möchte, könne daher eine Auffrischungsimpfung in Erwägung ziehen, so der Experte: "Wenn ich trotzdem möchte, dass ich meine Immunität besser aufbaue, schadet so eine Impfung auch nicht. Gerade wenn ich diese Abstände von einem Jahr einhalte, dann könnte ich mich auch impfen lassen, wenn ich das möchte." Um den vorhandenen Immunschutz zu überprüfen, kann man außerdem einen Antikörpertest als IGeL-Leistung durchführen lassen.
Wie geht es im Herbst weiter?
Fachleute prognostizieren für den Herbst einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen. Grund dafür seien bessere Ausgangsbedingungen für die Verbreitung der Viren, so Watzl: "Die Luft ist kälter, sie ist trockener. Das begünstigt die Aerosole, über die sich das Virus auch verbreitet." Er hält es außerdem für sinnvoll, in Pflegeeinrichtungen im Herbst und Winter auf Maßnahmen zum Infektionsschutz zurückzugreifen. Möglich wären beispielsweise eine Testpflicht für Besucherinnen und Besucher, regelmäßige Tests für Bewohnerinnen und Bewohner, sowie die Anwendung antiviraler Medikamente.