Starliner-Panne NASA-Astronauten sitzen auf ISS fest
Eigentlich sollten Butch Wilmore und Suni Williams nur etwa zehn Tage an Bord der Internationalen Raumstation ISS sein. Daraus könnten jetzt neun Monate werden. Schuld sind die Probleme mit dem Boeing-Raumschiff Starliner.
Seit dem 6. Juni sind die NASA-Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams auf der Internationalen Raumstation ISS. Bisher haben NASA und Boeing die Probleme mit ihrem Raumschiff Starliner heruntergespielt, aber jetzt macht auch die NASA ernst: Es bestehe die Option, dass Wilmore und Williams nicht mit dem Starliner zurückfliegen.
Probleme beim Jungfernflug
Eigentlich sind die beiden "nur" die Testbesatzung des ersten astronautischen Flugs des Starliners, eines neu entwickelten Raumschiffs von Boeing. Doch das machte bereits auf dem Hinflug zur ISS Probleme. Beim Andocken an die Station fielen fünf der 28 Triebwerke aus. Erst im zweiten Versuch klappte das Manöver.
Astronauten sitzen auf ISS fest
Statt eines Rückflugs mit dem Starliner schlägt die NASA nun vor, ein halb leeres Raumschiff zur ISS zu schicken. Der nächste Flug zur ISS ist für Ende September geplant.
Wenn dann statt vier Personen nur zwei an Bord sind, bleiben zwei Sitze frei, die beim Rückflug zur Erde von Wilmore und Williams eingenommen werden könnten. "Wir könnten sie mit einem anderen Raumschiff zurückbringen", so Ken Bowersox, stellvertretender Leiter des Raumfahrtbetriebs bei der NASA
Besonders peinlich für Boeing: Es wäre die Crew Dragon des Konkurrenten Space-X, mit dem Wilmore und Williams zur Erde zurückkehren würden. Der Starliner müsste in dem Fall schon vor dem Start der halbleeren Crew Dragon von der ISS abdocken und ohne Besatzung zurückfliegen.
Ansonsten würde der Rückflug von Wilmore und Williams frühestens im Februar oder sogar erst im März 2025 von der ISS abdocken können. Statt zehn Tagen hätte der Aufenthalt der ersten Starliner-Crew auf der ISS dann mindestens knappe neun Monate gedauert.
Grund für Triebwerk-Ausfall des Starliners bleibt ungeklärt
Trotz aller Tests an baugleichen Triebwerken in Laboren und trotz aller Checks an dem seit Wochen an der ISS angedockten Starliners wurde kein eindeutiger Grund für das Versagen der Triebwerke gefunden.
Eine Vermutung lautet, die Triebwerke neigten zur Überhitzung. Deshalb würden sich Kunststoffteile verbiegen, so dass deren Beschichtung abplatzt und die abgeplatzten Krümel dann die Funktion der Triebwerke beeinträchtigten.
Doch nicht alle Experten sehen dies als die entscheidende Fehlerkette. Das liegt auch daran, dass die fehlerhaften Triebwerke des Starliners bei einem Test, während das Raumschiff an die ISS angedockt war, auf einmal wieder fast die volle Leistung zeigten. Woran diese spontane Selbstreparatur liegt, kann derzeit niemand erklären.
NASA will auf Nummer sicher gehen
Während Boeing-Ingenieure davon überzeugt sind, dass die beiden Astronauten mit dem Starliner sicher zur Erde zurückkehren könnten, heißt es von NASA-Seite derzeit noch: höchstens im Notfall. Zu groß sei die Unsicherheit, wo genau das Problem liege.
Wenn die versammelten Fachleute nicht zu einer gemeinsamen Einschätzung der Flugsicherheit des Boeing-Raumschiffs kommen, wird die Entscheidung über das weitere Vorgehen bei NASA-Chef Bill Nelson liegen. Man darf vermuten, dass er dann die sichere Variante wählt.
Nelson war im Jahr 1986 als Astronaut für den Flug mit dem Space Shuttle Challenger vorgesehen, das dann kurz nach dem Start explodierte, weil das NASA-Management damals trotz Warnungen von Ingenieuren das Shuttle für den Flug freigegeben hatte. Alle sieben Besatzungsmitglieder kamen damals ums Leben. Reiner Zufall, dass der Astronaut und heutige NASA-Chef Nelson damals auf einen früheren Shuttleflug umgebucht worden war.
Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass Bill Nelson heute einen Starliner mit ungeklärten Triebwerksproblemen den Rückflug zur Erde antreten lässt.
Raumschiffe kommerzieller Anbieter
Der aktuelle Fall zeigt aber auch genau, warum die NASA sich dafür entschieden hat, verschiedene Raumschiffe von kommerziellen Anbietern wie Space-X und Boeing entwickeln zu lassen. Nach dem Ende des Space-Shuttle-Programms gab es für US-amerikanische Astronauten nur die Möglichkeit mit russischen Sojus-Kapseln ins All zu fliegen.
Ein eigenes Raumschiff musste wieder her und am besten mindestens ein weiteres, um eine Redundanz für die astronautische Raumfahrt zu schaffen. Allein zwei Raumschiffe vom gleichen Typ würden dafür nicht reichen, da Probleme bei Raketen oder Raumkapseln oft zum Flugverbot für alle Modelle des fehlerhaften Typs führt, bis die Probleme erkannt und gelöst sind.
Selbst wenn sie einen zur Verfügung hätten, würde die NASA Wilmore und Williams also nicht mit einem zweiten Starliner abholen. Der erste astronautische Start der Crew Dragon im Jahr 2020 wurde sehr groß als eine Art Rückkehr der USA ins All unter dem Motto "Launch America" gefeiert.
Mit der Crew Dragon und dem Starliner verfügt die NASA mittlerweile über zwei verschiedene Raumschiffe, welche im Falle eines Problems füreinander einspringen können - so, wie es jetzt der Fall sein könnte, falls die Crew Dragon die gestrandeten Starliner-Astronauten von der ISS abholt.