Drei Geschwister lachen in die Kamera.

Geschwisterforschung Was Sandwich-Kinder auszeichnet

Stand: 07.01.2025 06:18 Uhr

Ältere Geschwister sind verantwortungsbewusster, jüngere hingegen risikofreudiger: Über die Eigenschaften von Geschwisterkindern wird viel diskutiert. Eine neue Studie hat insbesondere die mittleren Kinder ins Visier genommen.

Sandwich-Kinder haben besonders kooperative Persönlichkeiten. Zu diesem Schluss kommt zumindest eine Studie kanadischer Wissenschaftler, deren Ergebnisse im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurden. Die Arbeit liefert neue Erkenntnisse zur umstrittenen Frage, ob die Geburtenreihenfolge das Verhalten prägt.

Persönlichkeitsprofil mit sechs Dimensionen

Ältere Geschwister sind verantwortungsbewusster und zuverlässiger, jüngere hingegen kreativer und risikofreudiger: Über Vorurteile wie diese wird seit Jahrzehnten diskutiert und das auch in der Wissenschaft. Während manche Studien zu dem Schluss kommen, dass die Position in der Geschwisterfolge keinen Einfluss auf die Persönlichkeit hat, sehen andere durchaus Effekte der Geburtenreihenfolge.

Ins zweite Lager gehört die aktuelle Studie. Michael Ashton von der Brock University in St. Catharines und Kibeom Lee von der University of Calgary untersuchten die Effekte der Geburtenreihenfolge anhand von Menschen, die online einen 100 Fragen umfassenden Fragebogen im Rahmen des sogenannten HEXACO-Persönlichkeitsmodells ausgefüllt hatten. Dieses Modell wurde bereits vor Jahren von Ashton und Lee entwickelt zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, die sechs Faktoren umfassen:

  • Ehrlichkeit-Bescheidenheit (H: Honesty-Humility)
  • Emotionalität (E: Emotionality)
  • Extraversion/nach außen Gewandtheit (X: Extraversion)
  • Verträglichkeit (A: Agreeableness)
  • Gewissenhaftigkeit (C: Conscientiousness)
  • Offenheit für Erfahrungen (O: Openness to Experience)

Für ihre erste Analyse bezogen die beiden Wissenschaftler die Daten von mehr als 700.000 Teilnehmern ein, von denen die meisten aus den USA, Großbritannien, Kanada und Australien stammten. In dieser ersten Stichprobe hatten sogenannte Sandwich-Kinder - also solche in der Mitte zwischen älteren und jüngeren Geschwistern - im Mittel die höchsten Werte bei Ehrlichkeit-Bescheidenheit und Verträglichkeit, gefolgt von Letztgeborenen, Erstgeborenen und Einzelkindern.

Die Kategorie Ehrlichkeit-Bescheidenheit wird auf der HEXACO-Website wie folgt beschrieben: "Personen mit sehr hohen Werten auf der Ehrlichkeit-Bescheidenheit-Skala vermeiden es, andere zu ihrem persönlichen Vorteil zu manipulieren, fühlen sich wenig dazu verleitet, Regeln zu brechen, sind nicht an verschwenderischem Reichtum und Luxus interessiert und haben keinen besonderen Anspruch auf einen höheren sozialen Status."

Zahl der Geschwister wirkt sich stärker aus

In einer zweiten kleineren Stichprobe mit knapp 75.000 Teilnehmern konzentrierten sich Ashton und Lee auf die Frage, ob sich die Zahl der Geschwister auf das Persönlichkeitsprofil auswirkt. In dieser Analyse wiesen Ehrlichkeit-Bescheidenheit und Verträglichkeit höhere Mittelwerte in größeren Geschwisterschaften auf. Mit anderen Worten: Auch das Aufwachsen mit vielen Geschwistern scheint ein kooperativesVerhalten zu fördern, und das - angesichts der Analysewerte - noch stärker als die Position in der Geburtenreihenfolge.

In dieser kleineren Stichprobengruppe schnitten Erstgeborene in den entsprechenden Persönlichkeitsdimensionen etwas schlechter ab als Sandwich-Kinder und Letztgeborene. All diese Differenzen waren bei Personen, deren Erziehung sehr religiös war oder die sich zum Zeitpunkt der Befragung als religiös bezeichneten, allerdings deutlich geringer.

Weniger klar, aber doch signifikant, waren zudem in beiden Stichproben Unterschiede bei Offenheit für Erfahrungen - hier zeigten sich bei Einzelkindern und den ältesten Geschwistern etwas höhere Mittelwerte. Sandwich-Kinder und Erstgeborene hatten hingegen im Schnitt geringfügig höhere Werte bei Extraversion.

Mehr Geschwister - mehr Kooperation

Ashton und Lee spekulieren in ihrer Studie über die Ursachen für die beobachteten Unterschiede: "Es liegt nahe, dass man, wenn man mehr Geschwister hat, häufiger kooperieren muss, anstatt egoistischen Präferenzen zu folgen." Dies könnte dann die Entwicklung von kooperativen Tendenzen im Allgemeinen fördern. "In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl Ehrlichkeit-Bescheidenheit als auch Verträglichkeit positiv mit der Größe der Geschwisterschaft zusammenhängen, beinhaltet eine solche Entwicklung kooperativer Tendenzen offenbar sowohl die Tendenz, andere nicht auszubeuten (Ehrlichkeit-Bescheidenheit), als auch die Tendenz, auf wahrgenommene Ausbeutung durch andere nicht übermäßig zu reagieren (Verträglichkeit)", heißt es weiter.

Insgesamt widerlege die Studie bisherige große Untersuchungen, die keinen Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und Geburtenreihenfolge gezeigt hatten: Ihre Daten deuteten darauf hin, „dass sich die Ausprägung von Persönlichkeitsmerkmalen in Abhängigkeit von der Reihenfolge der Geburt und der Größe der Geschwisterschaft unterscheidet“.

Quelle: dpa/fwt