Glücksforschung Junge Erwachsene sind immer unglücklicher
Das junge Erwachsenalter galt in der Forschung lange als die glücklichste Zeit des Lebens. Das hat sich geändert. Grund sind unter anderem Social Media und globale Krisen.
Seit Mitte der 1950er-Jahre geht die Forschung davon aus, dass das Lebensglück die Form einer U-Kurve hat: Es fängt an mit einem Glückszustand, der die Zeit des Heranwachsens bis ins junge Erwachsenenalter erfüllt. Etwa ab Mitte 20 sinkt das Lebensglück und zwar immer weiter - bedingt durch die sogenannte Rushhour des Lebens. Erst im Alter ab 60 Jahren steigt das Glücksempfinden wieder an.
Doch diese bekannte U-Form des Lebensglücks stimmt nicht mehr. Junge Erwachsene sind nicht mehr so glücklich wie Menschen im hohen Alter. Sie sind nicht einmal so glücklich wie Menschen in der Mitte des Lebens. Das ist das Fazit einer neuen Studie aus Großbritannien.
Junge Glücksphase von Angst überschattet
Bisher ging die Forschung davon aus, dass es zu Beginn des Erwachsenwerdens und Heranwachsens eine erste Glücksphase gibt. Ihre Ursache beschreibt der Zufriedenheitsforscher Tobias Esch von der Uni Witten Herdecke so: "Das ist das jugendliche Glück der Vorfreude, der Erwartung. Jugendliche und junge Erwachsene wollen sich ausprobieren, wollen wachsen, sie gehen gern Risiken und Abenteuer ein."
Doch heute erleben junge Erwachsene und Heranwachsende diese frühe Glücksphase nicht mehr. Stattdessen ist die Zeit der Jugend und des jungen Erwachsenenalters geprägt von Ängstlichkeit, Unsicherheit und wenig Zuversicht für die Zukunft.
Zustand der Jugend am messbaren Tiefpunkt
Die klassische U-Form des Glücks ist zusammengebrochen. Der Glückszustand der jungen Erwachsenen befindet sich nun am Tiefpunkt. Und das ist kein Befund, der durch die Einschränkungen während der Corona-Pandemie beeinflusst wurde. Denn die Entwicklung ist bereits seit 2011 messbar.
Eine Ursache sieht Glücksforscher Esch darin, dass Heranwachsende immer mehr Schwierigkeiten hätten, sich auf etwas zu freuen: "Denken wir an die globalen Krisen, denken wir an die planetare Krise, denken wir an Kriege, denken wir aber auch an den Verlust von Werten, auch die Bedrohung von Demokratie, auch die Bedrohung der persönlichen Sicherheit, dann der Anteil der sozialen Medien." Dadurch werde die Welt insgesamt zunehmend als feindselig erlebt, so Esch. Das mindere das Empfinden von Glück.
Social Media als Treiber des Unglücks
Der ständige Vergleich mit anderen in den sozialen Medien führe dazu, dass sich Jugendliche häufig als mangelhaft erleben würden. Sie sähen eher ihre Defizite und entwickeln Ängste vor dem echten Leben. Ihre Schwelle, im realen Leben mit Menschen in eine Beziehung zu treten, steige immer mehr an, so Esch. "Wir sehen, dass Menschen immer mehr Schwierigkeiten haben, zum Beispiel zum Arzt zu gehen, weil sie alles oder vieles ins Virtuelle verlagern."
Junge Frauen besonders unglücklich
Junge Frauen im Alter zwischen 18 und 25 fallen durch besonders große Unglücklichkeitsbefunde aus. Die britischen Studienautoren vermuten als Ursache, dass sich gerade Mädchen und junge Frauen von den Inhalten der sozialen Medien in Bezug auf ihre Körper stark verunsichern lassen.
Jugend hat keinen "Glückspuffer"
Die britischen Studienautoren sehen diese Entwicklung auch in US-amerikanische Daten der nationalen Gesundheitsbehörde CDC. Sie stellen dort einen rasanten Anstieg der Verzweiflung vor dem 25. Lebensjahr fest. Das liege auch daran, dass Jugendliche und junge Erwachsene noch keinen Glückspuffer aufbauen konnten, erklärt Esch. Das Zutrauen und gute Gefühl für die Welt sei bei Jugendlichen heute schon im Vorhinein weniger vorhanden.
Phänomen weltweit vertreten
Das Muster der unglücklichen Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ist weltweit zu erkennen. Die Daten aus den USA decken sich mit den Daten aus Großbritannien, so die Forschenden. Ähnliche Muster haben sie auch in Australien, Neuseeland und Kanada gefunden. Und in einer großangelegten Datensammlung von 2020 bis 2023 hat sich gezeigt, dass das Unglück in den 34 untersuchten Ländern ebenfalls gerade in der Jugend am höchsten ist.