EU-Kommission für Lockerung Mehr Gentechnik auf Europas Feldern?
Durch weniger strenge Regeln für den Einsatz von Gentechnik könnten gentechnisch veränderte Pflanzen in Zukunft eine größere Rolle spielen. Was bedeutet das für die Landwirtschaft?
Der Landwirt Gerhard Rost aus dem unterfränkischen Geiselwind steht neben einer Maispflanze - sie ist so hoch wie er selbst. Normalerweise sollte sie um diese Zeit schon 2,5 bis drei Meter hoch sein. Das war letztes Jahr im August. Der Grund: In Franken hat es zu wenig geregnet, dem Mais war es schlicht zu trocken.
Und auch in diesem Jahr herrscht in Teilen Frankens extreme Trockenheit. Klimamodelle sagen voraus, dass Extremwetterereignisse wie Trockenheit immer wahrscheinlich werden. Robert Hoffie forscht am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik an möglichen Lösungen für dieses Problem: Mithilfe grüner Gentechnik, also mit neuen gentechnischen Verfahren, bei denen das Erbgut von Pflanzen gezielt verändert wird. Er sieht großes Potenzial, die Eigenschaften von Pflanzen so zu verändern, dass sie besser mit Trockenheit klarkommen.
Gentechnik hat einen schlechten Ruf
Er arbeitet unter anderem mit den sogenannten neuen gentechnischen Verfahren. Dazu gehört die CRISPR/Cas9-Methode, umgangssprachlich auch Gen-Schere genannt. Dabei wird die DNA an einer bestimmten Stelle durchschnitten und einzelne DNA-Bausteine werden entfernt, verändert oder eingefügt.
Hoffie setzt große Hoffnungen in diese Technik. Konkret ist das Ziel vieler Forschender: Schneller und präziser züchten, Sorten entwickeln, die mit weniger Dünger und Pflanzenschutzmitteln auskommen.
Viele Bedenken, aber wenige Risiken
Doch bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern hat die Gentechnik einen schlechten Ruf. Bio- und Umweltverbände warnen vor den potenziellen Gefahren und lehnen die geplanten Lockerungen der EU ab. Oft wird vor unbeabsichtigten Effekten beim Einsatz der Gen-Schere auf die Umwelt gewarnt.
Diese Sorgen sind aus Sicht von Hoffie aber unbegründet: Jahrzehntelange Biosicherheitsforschung habe gezeigt, dass Gentechnik per se keine anderen Risiken berge als traditionelle Pflanzenzüchtung, zum Beispiel durch Kreuzung oder Auslese.
EU will Zulassung vereinfachen
Auch die EU sieht Handlungsbedarf bei der Gefahrenbeurteilung von grüner Gentechnik und will die Zulassung von Saatgut vereinfachen, das mithilfe von neuen gentechnischen Verfahren verändert wurde. Voraussetzung ist, dass das Saatgut im Ergebnis nicht von herkömmlich gezüchtetem Saatgut unterscheidbar ist. Alle anderen Saatgutsorten fallen in Kategorie 2 - für sie gelten weiterhin die aktuellen Genehmigungsverfahren, allerdings soll die Risikobewertung angepasst, also erleichtert werden.
Lars Neumeister, Pestizidexperte und Sprecher der Organisation Foodwatch sieht die Pläne der EU kritisch. Er warnt davor, sich von internationalen Saatgut-Konzernen abhängig zu machen.
Die Sorge: Große internationale Firmen könnten sich das genveränderte Saatgut patentieren lassen und die Landwirtinnen und Landwirte dadurch in eine Abhängigkeit geraten. Ein breites Bündnis aus Umwelt- und Bio-Verbänden bezweifelt zudem, dass mit neuer Gentechnik erzeugte Pflanzen höhere Erträge erzielen und zu einem geringeren Pestizideinsatz führen - also nachhaltiger sind.
"Pflanzenzucht ist eigentlich auch eine Veränderung der Genetik"
Auch Landwirtinnen und Landwirte stehen dem Thema gespalten gegenüber. Gerhard Rost aus Franken sieht das so: "Pflanzenzucht ist eigentlich auch eine Veränderung der Genetik, nur dass die entsprechend langsamer geht." Gentechnik, die seinen Mais resistenter gegen Trockenheit macht - das könnte er tolerieren. Dass Gentechnik aber eingesetzt wird, um die Pflanzenschutzmittelverträglichkeit zu verbessern, sieht er kritisch.
Sollten die Vorschläge, die die EU-Kommission heute vorstellt, tatsächlich umgesetzt werden, könnte das auch seinen Berufsalltag verändern. Denn dann könnte in Zukunft deutlich mehr gentechnisch verändertes Saatgut in der EU zugelassen werden.