DNA-Struktur Als das Leben entschlüsselt wurde
Am 25. April 1953 schrieben Forscher Wissenschaftsgeschichte: Sie entschlüsselten die Struktur unseres Erbguts. Ganz sauber verlief die Suche jedoch nicht.
Wenn sie die Abkürzung DNA hören, haben viele Menschen wahrscheinlich gleich ein Bild vor Augen: Zwei Stränge, die sich umeinanderwinden, in der Mitte wie eine Leiter verbunden: eine Doppelhelix. Doch genau dieser Aufbau war in der Wissenschaft lange ein großes Rätsel.
Von Vererbung zur DNA
Mitte des 19. Jahrhunderts experimentierte der Abt Johann Gregor Mendel im Klostergarten mit Erbsenpflanzen. Er wollte herausfinden, nach welchen Regeln äußerlich sichtbare Merkmale wie die Farbe der Blüten von Generation zu Generation weitergegeben werden. Mit seinen Versuchen legte er die Grundsteine der Genetik - der Wissenschaft, die sich mit unserer Erbinformation beschäftigt.
Doch wo und wie diese Erbinformation gespeichert ist, wurde erst knapp 100 Jahre später entschlüsselt. Die Bausteine der DNA - kurz für das englische Desoxyribonucleic Acid (deutsch: Desoxyribonukleinsäure) - wurden zu diesem Zeitpunkt zwar schon jahrzehntelang erforscht, als Speicher der Erbinformation vermutete man jedoch lange Zeit Proteine. Erst 1944 gelang drei in den USA tätigen Forschern der Nachweis, dass die DNA für die Vererbung von Merkmalen verantwortlich sein musste.
Ein wissenschaftliches Rätsel
Doch man wusste weder, wie die Vererbung funktionierte, noch wie die DNA aufgebaut war. Es gab zwar Erkenntnisse über ihre Bestandteile und in welchem Verhältnis diese vorlagen. Unklar war jedoch, wie diese Puzzleteile zusammenpassten.
An der Lösung dieses Rätsels arbeiteten in den 1950er-Jahren mehrere Forschungsgruppen. Am King‘s College in London untersuchten die Biochemikerin Rosalind Franklin und ihr Kollege Maurice Wilkins die DNA mit Röntgenstrahlen. Sie entdeckten so viele Details der DNA-Struktur, zum Beispiel, welche Bausteine sich auf der Außenseite befinden mussten und wie groß die Abstände zwischen den einzelnen Bausteinen waren.
Gleichzeitig versuchten an der Universität Cambridge James Watson und Francis Crick ein Modell der DNA mit theoretischen Mitteln zu entwickeln. Dafür dachten sie über mögliche chemische Bindungen nach und berechneten die physikalischen Kräfte dahinter. Außerdem überlegten sie anhand eines Modells, wie sie die Bestandteile so anordnen konnten, dass alles ineinander passte - vergleichbar mit einem Chemiebaukasten.
Datenweitergabe hinter Franklins Rücken
Doch allein durch Theorie ließ sich das Rätsel um die Struktur der DNA für sie nicht lösen. Watson und Crick brauchten experimentelle Daten, die sie auf die richtige Fährte brachten und ihre Theorien untermauerten.
An diese Daten kamen sie schließlich auch - allerdings auf nicht ganz sauberen Wegen. Franklins Kollege Wilkins zeigte den beiden Forschern ein Bild der DNA, das in Franklins Labor mit ihrer Röntgentechnik aufgenommen worden war - ohne sie zu fragen. Außerdem wurde den beiden ein inoffizieller Forschungsbericht zugespielt, in dem Franklin ihre Ergebnisse detailliert beschrieb. Auch von dieser Weitergabe wusste Franklin nichts.
Für Watson und Crick waren das die fehlenden Puzzleteile. Franklins Daten ergänzten ihre Überlegungen und ihnen wurde klar: Die DNA ist wie eine Strickleiter aufgebaut, die sich um sich selbst windet - eine sogenannte Doppelhelix.
Nobelpreis: Keine Würdigung für Franklin
Ob Franklin jemals erfuhr, dass ihre Arbeit hinter ihrem Rücken weitergegeben wurde, ist bis heute unklar. Am 25. April 1953 veröffentlichten sie ihre Aufnahmen und experimentellen Daten zur DNA gleichzeitig mit dem Modell von Watson und Crick in der Fachzeitschrift Nature. In derselben Ausgabe veröffentlichte auch Wilkins seine Daten.
1958 verstarb Franklin mit gerade einmal 37 Jahren an Eierstockkrebs. Damit kam sie für einen Nobelpreis nicht mehr in Frage - denn der wird nur an lebende Personen verliehen. 1962 erhielten daher Watson, Crick und Wilkins den Nobelpreis für die Entschlüsselung der DNA-Struktur. In ihrer Rede erwähnten das Nobelkomitee und die drei Preisträger jedoch Franklins Beitrag mit keinem Wort.