Neue Studie Liegt musikalisches Talent in den Genen?
Töne richtig erkennen, zum Beat klatschen - manche Menschen sind musikalischer als andere. Forscher haben nun eine Methode entwickelt, anhand der Gene herauszufinden, ob jemand musikalisches Talent hat.
Von Lena Schmidt und Ralf Kölbel, SWR
Wunderkinder wie Mozart, Kleinkinder, die bereits im Takt klatschen können und sogar Tiere, die zum Rhythmus wippen: Liegt das Geheimnis ausgeprägter Musikalität in den Genen? Durch die Analyse bestimmter Gene lässt sich zumindest beim Menschen ein gutes Taktgefühl vorhersagen - darauf deuten Ergebnisse einer aktuellen Studie unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) hin.
Indikator für Rhythmusgefühl entwickelt
Das internationale Forschungsteam entwickelte einen Indikator, mit dem die angeborene Musikalität eines Menschen vorhergesagt werden kann. Um diesen genetischen Faktor für Rhythmusgefühl zu bestimmen, haben die Forschenden genetische Daten von 5648 Menschen untersucht.
Bei den Teilnehmenden handelt es sich um Zwillingspaare aus Schweden. Dass die Probandinnen und Probanden eineiige Zwillinge sind, war für die Forschenden spannend, da sie genetisch nahezu identisch und zudem unter gleichen Bedingungen aufgewachsen sind, schreibt Miriam Mosing, die auch an der Studie mitgearbeitet hat.
Tausende Gene ausschlaggebend
Für musikalische Veranlagung verantwortlich ist nicht ein einzelnes Gen, sondern viele Tausende, die alle einen winzig kleinen Effekt haben, erklärt die Verhaltensgenetikerin Mosing. Die Forschenden sprechen daher von einem polygenen Score, dem sogenannten PGSrhythm.
Für die Studie füllten alle Probandinnen und Probanden Fragebögen zu musikalischen Themen aus und lösten musikbezogene Aufgaben. So wurde gemessen, wie gut sie Rhythmen, Melodien und Tonhöhen unterscheiden können. Die Ergebnisse wurden dann mit den genetischen Daten verglichen. "Wir fanden heraus, dass der PGSrhythm in der Lage war, die allgemeine Musikalität der teilnehmenden Personen vorherzusagen", so Laura Wesseldijk, Erstautorin der Studie, in einer Pressemitteilung des MPIEA.
Auch Tiere sind musikalisch
Sogar Tiere scheinen angeborene musikalische Fähigkeiten zu besitzen. Dass sie auch zum Rhythmus mitwippen können, konnte bereits an Elefanten und anderen Tierarten beobachtet werden. Eine Studie aus Japan hat kürzlich gezeigt, dass auch Ratten ein angeborenes Taktgefühl haben - und dass sie auf ganz ähnliche Rhythmen reagieren wie Menschen.
Talent ist nicht gleich Können
Musikalität scheint also teilweise angeboren zu sein. Doch eine Veranlagung allein macht noch keinen guten Musiker oder Musikerin. "Wir können nicht bei einem Menschen voraussagen: Dieser Mensch wird einmal musikalisch", erklärt Mosing. Man könne anhand der Gene aber durchaus erkennen, ob ein Mensch verglichen mit anderen mehr oder weniger musikalisches Talent habe. Was das für das richtige Leben heiße, sei eine andere Frage, erläutert sie in einem Interview mit dem SWR.
Sollten also nur Kinder musikalisch gefördert werden, die von Geburt an eine entsprechende Veranlagung besitzen? Das Forschungsteam würde nicht empfehlen, über musikalische Förderung und Unterricht nur auf Basis eines genetischen Scores zu entscheiden. Laut Mosing könne ein Kind durchaus selbst auswählen, was gut für es ist. Und: Musik macht glücklich und kann beruhigen, wie auch andere Studien zeigen.
Musikalische Eltern bekommen musikalische Kinder
Die Studie untersucht zudem, inwiefern die Gene mit der Erziehung zusammenwirken. Es zeigte sich eine Wechselwirkung: Menschen, die eine musikalische Veranlagung haben, wuchsen auch eher in einer Umgebung auf, die Musikalität fördert.
Das liege daran, dass Eltern, die auch diese genetische Veranlagung haben und sie vererben, oft ein entsprechendes musikalisches Umfeld für ihre Kinder schaffen, erläutert Mosing. Bei Kindern mit hoher genetischer Disposition zur Musikalität ist es zum Beispiel auch wahrscheinlicher, dass sie im Laufe des Lebens Musikunterricht bekommen.
Musikalität hat viele Aspekte
Mit dem Indikator konnte nicht nur das Rhythmusgefühl richtig vorhergesagt werden, sondern auch andere Aspekte von Musikalität. Damit sind nicht nur musikalische Fähigkeiten gemeint, sondern zum Beispiel auch die Zeit, die Menschen mit dem Hören von Musik im Allgemeinen verbringen, erklärt Wesseldijk. Auch tänzerische Fähigkeiten fallen darunter.
In Zukunft könnte der polygene Score den Forschenden zufolge zuverlässig verwendet werden, um die genetischen Grundlagen individueller Unterschiede von Musikalität weiter zu entschlüsseln.