100 Jahre Planetarium Die Sterne in begreifbarer Nähe
Am 21. Oktober 1923 drehte sich erstmals ein künstlicher Sternenhimmel an einer Kuppel über den Köpfen der staunenden Betrachter: Das Planetarium im Deutschen Museum in München war ein technisches Wunderwerk.
Schätzungsweise eine Milliarde Menschen waren schon einmal in einem Planetarium. Sie auch? Schlechtem Wetter und aller Lichtverschmutzung zum Trotz können Sie dort gemütlich im Warmen sitzen und den Sternenhimmel bestaunen - und begreifen, wie er sich über uns dreht, wo die Planeten wandern, welche Phasen der Mond durchläuft und warum. Heute ist das auch dank Simulationen, Apps und VR-Brillen jederzeit möglich, doch vor einem Jahrhundert war das eine Sensation.
Die erste Idee vom Planetarium
Die Idee kam Oskar von Miller, als er 1905 den Bau des Deutschen Museums in München plante: Darin wollte er ein Planetarium haben, das den Betrachtern den Sternenhimmel über München zeigt. Ursprünglich stellte er sich eine Art begehbare Blechkugel vor, in der von außen beleuchtete Löcher die Sterne repräsentieren sollten.
Es gab auf Wunsch von Miller sogar noch ein zweites Planetarium, in dem die Besucher in einer Art "Erdwagen" um die Sonne und Planeten kreisten. Es hieß das Kopernikanische Planetarium, da hier - wie in der Lehre des Astronomen Kopernikus - Erde und Planeten um die Sonne kreisten.
Im Gegensatz zum Ptolemäischen Planetarium, das Mond, Sonne, Sterne und die Planeten um die Erde kreisen lässt. So wie es unserer Wahrnehmung entspricht, wenn wir zum Nachthimmel blicken. Der Wandel zu einem astronomischen Weltbild, in dem die Erde um die Sonne kreist, sollte durch den Perspektivwechsel verständlich werden.
Der Projektor "Modell 1015" im Deutschen Museum. Ihn brachte die Firma Carl Zeiss Ende der 1980er-Jahre heraus. Nach Angaben der Firma war er nicht nur in München, sondern weltweit installiert - etwa in Seoul.
Viel Zeit von der Idee bis zur Entwicklung
Bis das Ptolemäische Planetarium die Türen öffnete, vergingen aber noch Jahrzehnte. Erst 1914 konnte Miller einen Partner finden, der seiner Idee zur Verwirklichung helfen sollte: die Firma Carl Zeiss in Jena, die mechanische und optische Geräte produzierte.
Und deren Ingenieur Walter Bauersfeld lieferte knapp zehn Jahre darauf ein wahres Meisterwerk. Im Prinzip war sein Gerät auch eine durchlöcherte Kugel, aber nicht selbst begehbar, sondern ein Projektor. Der Planetariums-Projektor Zeiss Modell I sah aus wie eine stachelige Kugel. Mittels 31 Sternfeld-Projektoren konnte der Sternenhimmel mit 4.500 Sternen simuliert werden, eigene Projektoren für die fünf mit bloßem Auge sichtbaren Planeten, die Sonne und den Mond projizierten zusätzlich das Sonnensystem auf den Sternenhimmel.
Wie Zahnräder die Welt bewegten
Ein Motor und ein raffiniertes Zahnradwerk brachten dieses optische Universum in Bewegung - und zwar nach den astronomisch exakten Werten. Keine Kleinigkeit, wenn man bedenkt, dass Erde, Mond, Planeten und Sterne sich ganz unterschiedlich bewegen. Das Planetarium selbst, dessen Kuppel als Leinwand für den künstlichen Sternenhimmel diente, maß nur neun Meter im Durchmesser.
So etwas hatte es 1923 noch nirgendwo auf der Welt gegeben, verdeutlicht Christian Sicka, der Astronomie-Kurator im Deutschen Museum in München. Der Museumsausschuss, der im Rahmen einer Begehung der Museums-Baustelle am 10. Oktober 1923 erstmals das neue Planetarium sehen durfte, schien erstaunt und beeindruckt. In den kommenden sechs Wochen drehten sich die Projektoren weiter für die Öffentlichkeit.
Verkaufsschlager Zeiss-Planetarium
Als das Deutsche Museum und mit ihm das Planetarium 1925 dann die Türen endgültig öffneten, wurde die zahnradgetriebene Sternenhimmel-Projektion zum Publikumserfolg. Und zum Erfolg für die Firma Carl Zeiss. Denn in der Folge wollte jede größere Stadt ihr eigenes Planetarium - nicht nur in Deutschland, sondern auch bald in der ganzen Welt.
Ein Bild vom Tarantelnebel (links) ist im Deutschen Museum in der Sonderausstellung "100 Jahre Planetarium" zu sehen. Heute lässt sich das Universum mit hochaufgelösten Aufnahmen erleben.
Das Universum ist digital geworden
Heute gibt es rund 4.000 Planetarien weltweit. Längst drehen sich keine Zahnräder mehr im Inneren: Das Universum ist digital geworden und erlaubt Ihnen, wenn Sie heute in ein Planetarium gehen, nicht nur den Anblick des Sternenhimmels, wie er sich am Nachthimmel präsentiert, sondern eine Reise hinein ins Universum: zur Milchstraße und darüber hinaus. Sie können die Erde aus Sicht eines Planeten sehen oder in spektakuläre, farbenprächtige Nebel eintauchen und zu anderen Galaxien reisen. Hochaufgelöste Aufnahmen der Weltraumteleskope und Animationen astronomischer Ereignisse entführen Sie optisch in ferne Welten, die in Realität unerreichbar bleiben.
Und wenn Sie sich diese unermesslichen, unendlichen Weiten gemeinsam mit anderen Menschen in einem Planetarium ansehen, sagt Shannon Schmoll von der International Planetarium Society, dann wissen Sie: "Sie sind nicht allein im Universum."