Artensterben Kampf um den Großen Brachvogel
Zu wenig Lebensraum, zu viele Fressfeinde: Der Große Brachvogel könnte in Deutschland bald ausgestorben sein, nur wenige Küken überleben. Naturschutzverbände versuchen gegenzusteuern - mit mäßigem Erfolg.
Auf einem Maisacker bei Ingolstadt entdeckt Marie Heuberger einen Ring und einen Peilsender. Erst vor wenigen Tagen hat sie beides an einem Brachvogel-Küken befestigt. Ein Fuchs hat das Küken vermutlich gefressen und den Ring sowie den Sender auf dem Acker zurückgelassen.
Enttäuscht notiert sich Heuberger die Nummer des gefressenen Vogels - eine weitere auf einer langen Liste. Es ist nicht das erste Küken, das in dieser Saison stirbt.
Jedes Jahr im Frühjahr geht sie mit ihrem Team auf die Suche nach den Nestern der bedrohten Brachvögel. Es ist ein Projekt des Landesbundes für Vogel- und Naturschutz, Heuberger ist als Gebietsleiterin für das Donaumoos bei Ingolstadt zuständig. Insgesamt 30 Küken bekommen einen Ring und einen Peilsender. Durch den Sender weiß Heuberger, wo sich die Küken im hohen Gras verstecken und kann so verhindern, dass sie von Traktoren versehentlich überfahren werden.
Immer weniger Lebensraum
Wenige Küken überleben die ersten Wochen. Für mehrere Monate ist das für Heuberger ein Vollzeitjob, und das alles, um die Art des Großen Brachvogels zu schützen. Doch von den 30 besenderten Küken ist nach wenigen Wochen gerade einmal ein Küken am Leben. "Es ist eben nicht nur ein Vogel, der jetzt ausstirbt, sondern es ist ein ganzes Artenspektrum. Man sagt, es wäre das größte Artensterben seit den Dinosauriern. Hier bekommt man es live mit", erklärt sie in der BR-Reportage “Kampf um die Brachvögel”.
Die Zahl der Brachvögel hat sich stark verringert. Bundesweit leben schätzungsweise noch etwa 3.600 bis 4.800 Brutpaare. In den 1980er-ahren waren es noch um die 8.000. Die Vögel bauen ihre Nester nicht im Baum, sondern am Boden. Er zählt deswegen zu den Wiesenbrütern, wie auch der Kiebitz, das Rebhuhn oder die Wachtel.
0er Große Brachvogel braucht für seine Küken feuchte Wiesen, Moore oder wenig bewirtschaftetes Grünland. Doch von diesen Gebieten gibt es in Deutschland immer weniger. Der Vogel hat kaum geschützte Orte zum Brüten Der Rückgang zeigt sich auch in anderen Gebieten in Deutschland.
Zu viele Fressfeinde
Natalie Busch, Biologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Michael-Otto-Institut in Bergenhusen in Schleswig-Holstein, hat dafür vor allem zwei Erklärungsansätze: Dem Großen Brachvogel fehle es einerseits an Lebensraum. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft habe der Vogel kaum Orte, an denen er ungestört seine Küken großziehen könne.
Ein weiteres großes Problem seien die Prädatoren, also die Fressfeinde der Vögel. "Von diesen Prädatoren haben wir leider zu viele in der Landschaft", erklärt Busch. Auch das ist ein menschengemachtes Problem. Der Fuchs hat in den vergangenen Jahrzehnten von den Eingriffen des Menschen in die Natur profitiert. Ein Beispiel dafür ist die Tollwut-Impfung der Füchse, durch die Deutschland heute als tollwutfrei gilt.
Gleichzeitig hat das dazu geführt, dass sich Füchse ausbreiten konnten - mit Folgen für den Brachvogel: Viele Küken werden schon nach wenigen Tagen vom Fuchs gefressen. Auch weil sie immer weniger Flächen finden, in denen sie sich vor ihren Fressfeinden verstecken können. Ein Lösungsansatz ist eine verstärkte Bejagung von Füchsen.
Aufzucht von Hand mühsam und wenig nachhaltig
Gegen die Fressfeinde können die Naturschützerinnen und Naturschützer kaum etwas ausrichten. In Großbritannien und Polen werden die Brachvögel von Hand aufgezogen und ausgewildert, sobald sie flügge sind. Das ist allerdings sehr mühsam und aus Sicht von Biologin Busch nur der letzte Ausweg: "Damit kann man eine Population über einen gewissen Zeitraum stabilisieren. Aber das kann man nur tun, wenn man sich am Ende auch sicher ist, dass das Habitat auch wieder renaturiert wird. Sonst kreiert man sich eine Falle für diese Vögel."
Naturschutzverbände fordern als langfristige und nachhaltige Maßnahme deswegen, dass wieder mehr Lebensräume für den Brachvogel geschaffen werden müssen, zum Beispiel in dem Moore wieder vernässt werden. Auch eine weniger intensive Landwirtschaft würde der bedrohten Art helfen. Die Hoffnung ist, dass es in den kommenden Jahren mehr Küken schaffen werden. Und sich der Bestand eines Tages wieder stabilisiert.