Krise im Baugewerbe Hohe Kosten hemmen sozialen Wohnungsbau
Gestiegene Zinsen, hohe Kosten: Viele Bauvorhaben werden derzeit auf Eis gelegt, auch geplante Sozialwohnungen. Dabei sind sie dringend nötig - und der Bund hat eigentlich große Ziele.
Zwölf neue Sozialwohnungen waren geplant, ein paar Kilometer weiter weitere Wohnungen für Senioren neben einem Pflegeheim. "Das war für dieses Jahr vorgesehen, aber momentan liegt alles auf Eis", sagt Jörg Eschmann, Geschäftsführer von Gewobau, der kommunalen Wohnungsgesellschaft im rheinland-pfälzischen Zweibrücken. Allein für das Projekt im Bereich barrierefreies Wohnen hätten sich die Baukosten von vier auf acht Millionen Euro verdoppelt. Die Wohnbaugesellschaft habe die Reißleine ziehen müssen. "Wir merken gerade einfach, dass die Preise unkalkulierbar werden", sagt Eschmann.
Bestenfalls Stagnation
Die Gewobau ist kein Einzelfall. Nach Angaben des Münchner ifo-Instituts stornierten im September 16,7 Prozent der befragten Unternehmen Bauaufträge - ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vormonat. "Aufgrund der explodierenden Material- und Energiepreise sowie der steigenden Finanzierungszinsen ist die Planungssicherheit dahin. Die Baukosten steigen immer weiter. Für einige Bauherren ist das alles nicht mehr darstellbar", schrieb das Institut im Oktober.
Neben privaten und kommunalen Bauherren sind auch genossenschaftliche und kirchliche Wohnungsunternehmen betroffen. "Fast alles, was noch in der Planung war, haben sie auf Eis gelegt", sagte kürzlich Matthias Günther vom Pestel-Institut in Hannover, das unter anderem zum Wohnungsmarkt forscht. In der Folge fehlt nicht nur Wohnraum, sondern vor allem sozial geförderter und bezahlbarer Wohnraum. Dabei plante die Bundesregierung dieses Jahr mit 400.000 neuen Wohnungen, davon 100.000 Sozialwohnungen - doch dieses Ziel rückt auch wegen der Kostensteigerung in weite Ferne.
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW geht davon aus, dass dieses Jahr lediglich in etwa so viele Sozialwohnungen wie vergangenes Jahr fertiggestellt werden - also nur etwas mehr als 20.000. "Eventuell werden wir hier eine kleine Delle bei den Zahlen sehen", sagt GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser. "Ab 2023 sieht es noch deutlich schlimmer aus", sagt Esser. Denn nur einige bereits begonnene Projekte würden derzeit trotz Kostensteigerung fertiggestellt. Für dieses Jahr geplante Bauvorhaben drohen nun wegen der nicht absehbaren Preisentwicklung für lange Zeit in den Schubladen zu verschwinden.
Noch etwas mehr als eine Million Sozialwohnungen
Der Bestand an sozial gefördertem Wohnraum schrumpft ohnehin kontinuierlich. 2021 sei rein rechnerisch alle 19 Minuten eine Wohnung vom Sozialwohnungsmarkt verschwunden, weil sie aus der Sozialbindung herausfällt, heißt es von der Industriegewerkschaft BAU. Nur alle 25 Minuten komme eine durch Neubau hinzu. Bundesweit gebe es demnach noch 1,1 Millionen Sozialwohnungen. Nicht zuletzt wegen der geflüchteten Menschen aus der Ukraine sei das viel zu wenig.
Der Bund will gegensteuern und hat angekündigt, die Förderung für den sozialen Wohnungsbau bis 2026 auf insgesamt 14,5 Milliarden Euro zu erhöhen. GdW-Hauptgeschäftsführerin Esser sieht darin "ein wichtiges Signal", "auch wenn die Aufstockung durch die Baupreis- und Zinssteigerung natürlich konterkariert wird". Die IG BAU fordert deutlich mehr: Bund und Länder müssten jährlich 12,5 Milliarden Euro investieren.
Wohnungsbestand rückt stärker in den Fokus
In Folge der Krise rückt man vielerorts von Neubauten ab. "Aus Sicht der Kommunen muss bundesweit stärker auf Investitionen in den vorhandenen Wohnungsbestand gesetzt werden", heißt es vom Deutschen Städtetag. Rechtliche Hürden, etwa um ehemalige Kaufhäuser umzuwidmen, müssten dafür abgebaut werden. Auch die IG BAU sieht hier Potenzial und fordert darüber hinaus, dass öffentliche Grundstücke vergünstigt für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden.
Auch in Zweibrücken in Rheinland-Pfalz rückt der Fokus inzwischen auf den bisherigen Wohnungsbestand. "Wir werden nun vor allem Modernisierungen angehen", sagt Gewobau-Geschäftsführer Jörg Eschmann. Doch auch dafür, etwa bei Handwerkern, steigen die Kosten, und die Refinanzierung wird immer schwieriger. "Das Problem bei uns ist, dass wir auch nicht einfach die Mieten erhöhen können. Als kommunale Wohnungsgesellschaft haben wir ja eine soziale Funktion und sind an Mietobergrenzen gebunden". Zumindest was das Baumaterial für die Projekte im nächsten Jahr angeht will Eschmann gewappnet sein: Ziegel dafür hat die Gewobau bereits gekauft und eingelagert - denn wer weiß, wohin die Reise bei den Baukosten noch geht.