Industrieanlagen auf dem Gelände des BASF-Konzerns in Ludwigshafen

Industrie Gespaltene Reaktionen auf Strompreispaket

Stand: 09.11.2023 18:58 Uhr

Von "Booster für den Standort Deutschland" bis "Tropfen auf den heißen Stein": Aus der Wirtschaft kommen sehr unterschiedliche Reaktionen auf das Strompreispaket der Bundesregierung.

Von Anne-Catherine Beck, ARD-Finanzredaktion

Nach monatelangem Streit hat sich die Bundesregierung auf ein Strompreispaket geeinigt, mit dem sie die Wirtschaft für die kommenden fünf Jahre unterstützen will. Das milliardenschwere Paket besteht aus mehreren Teilen und sieht unter anderem vor, dass die Stromsteuer für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes von derzeit 1,537 Cent pro Kilowattstunde auf den europäischen Mindestwert von 0,05 Cent gesenkt wird.

Für 350 ausgewählte Konzerne soll es zusätzliche Hilfen geben. Die Liste mit den Unternehmen ist bereits vor vielen Jahren festgelegt worden. Weil sie sowohl viel Strom benötigen als auch im internationalen Handel stehen, leiden sie besonders unter erhöhten Strompreisen. Der bestehende Spitzenlastausgleich soll für fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden.

Energieintensive Branchen bleiben skeptisch

Die besonders energieintensiven Branchen machten deutlich, dass sie sich mehr erhofft hatten. Das Paket löse nur einen kleinen Teil der Probleme, es fehlten zusätzliche Entlastungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit, sagte der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbandes VCI, Wolfgang Große Entrup.

Einer der größten Stromverbraucher in Deutschland ist die Deutsche Bahn mit ihren Tochterunternehmen. Auf Nachfrage von tagesschau.de hieß es vom Unternehmen, man sei noch dabei, das Strompreispaket zu bewerten.

"Booster für den Standort Deutschland"

Die Präsidentin des Verbands der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, sieht in dem Paket einen Fortschritt: "Die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß und deren Ausweitung auf alle produzierenden Unternehmen ist ein Booster für den Standort Deutschland."

Auch Thilo Schaefer, Ökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW), begrüßt das Strompreispaket grundsätzlich und prognostiziert positive Effekte sowohl für Unternehmen als auch für die Wirtschaft: "Die Wirtschaft stagniert und die Unternehmen kämpfen seit fast zwei Jahren mit horrenden Stromkosten. Im Vergleich mit den USA und China etwa ist Deutschland Spitzenreiter. Die Stromsteuersenkung kommt daher zur rechten Zeit", sagt Schaefer. "Sie ist unbürokratisch und entlastet in der Breite."

Kurzfristig werde der Kostendruck auf die Wirtschaft damit etwas gelindert, doch die langfristige Planungssicherheit bliebe ungewiss, so Schaefer weiter. Auch sei fraglich, ob die Verlängerung der Strompreiskompensation um weitere fünf Jahre reicht, um Investitionsanreize zu schaffen und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu sichern.

Existenzbedrohung kleiner und mittlerer Unternehmen

Christoph Ahlhaus, Chef des Mittelstandsverbandes BVMW, sieht das Strompreispaket zum Teil kritisch und fordert deutliche Nachbesserungen: "Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein und wird nicht zu den erwünschten Effekten führen." Unklar sei, inwieweit bei der Strompreiskompensation auch mittelständische Unternehmen berücksichtigt werden sollen. "Es besteht die Gefahr, dass die Breite der mittelständischen Unternehmen vom Strompreispaket der Bundesregierung nicht profitieren, was zu einer Existenzbedrohung der kleineren und mittleren Unternehmen führen wird", so Ahlhaus.

Außerdem vermisst der Mittelstandschef Standortgarantien, die die Bundesregierung als Voraussetzung von Hilfen einfordern müsse. Denn nur so könne Deutschland als Wirtschafts- und Produktionsstandort erhalten bleiben.

Bianca von der Au, HR, tagesschau, 10.11.2023 06:11 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 09. November 2023 um 20:00 Uhr.