Folgen der deutschen Wirtschaftsflaute Tschechien und Slowakei unter Rezessionsdruck
Tschechien und die Slowakei sind wichtige Länder für Deutschlands Autoindustrie. Und so hängt die Wirtschaft beider Länder am Wohl und Wehe der deutschen Konjunktur.
Die Zeitung "Mlada Fronta Dnes" beschreibt die Lage in Tschechien mit einer Karikatur: Zu sehen ist der Finanzminister mit tiefen Sorgenfalten. Auf seinem T-Shirt stehen die Namen deutscher Autokonzerne - schließlich ist Tschechien ihr wichtigstes Zulieferland.
Allerdings sind die Logos mit grünen Aufnähern notdürftig geflickt, die Mobilitätswende hinterlässt ihre Spuren. Die Wirtschaftsaussichten in Deutschland seien nicht gut, ist darunter zu lesen. Auch Tschechien als das "17. Bundesland" habe nichts Gutes zu erwarten.
"Wird uns in den Abgrund ziehen"
"Leider verschlechtert sich die Auslandsnachfrage, die für die tschechische Exportwirtschaft sehr wichtig ist", sagt Tomas Dvorak. Der gebürtige Tscheche ist Ökonom und forscht in London. "Daher habe ich Tschechien als den kranken Mann Europas bezeichnet, was man eigentlich meist über Deutschland sagt. Das steht auch nicht gut da und wird uns leider noch einige Zeit in den Abgrund ziehen."
Dvoraks Analyse hat in Tschechien heftige Reaktionen ausgelöst. Dabei sehen die Zahlen in der Tat nicht gut aus: Im vergangenen Jahr ist die tschechische Wirtschaft geschrumpft, um 0,4 Prozent - anders als die Nachbarländer Polen oder Österreich. Nur Deutschland hielt zu Tschechien, heißt es ironisch, und schrumpfte ebenfalls - und zwar um 0,3 Prozent.
"Der primäre Schock war die Corona-Pandemie, von der wir uns als einziges EU-Land nie wirklich erholt haben", analysiert Dvorak. "Dann kam die Energiekrise. Wir sind nicht sehr energieeffizient. In Europa liegt nur Bulgarien hinter uns." Bei der Inflation dagegen steht Tschechien konstant mit an der Spitze. In der Folge sind die Reallöhne stark gesunken, die private Nachfrage ist eingebrochen. Die tschechische Handelskammer warnt vor einer langfristigen Stagnation.
Tschechien ökonomisch vor Spanien, Portugal oder Polen
Die Prognosen der konservativen Mitte-Rechts-Regierung in Prag sind optimistischer. Schlagzeilen wie die vom "kranken Mann" beschrieben nicht die Realität. "Die Opposition trägt zu dieser Wahrnehmung bei", so der Abgeordnete Jan Lacina. "Sie zeichnet seit zwei Jahren ein Bild der verbrannten Erde. Das setzt die Menschen unter Stress, dass sie nicht viel ausgeben. Das schadet uns allen."
Auch andere Wirtschaftsexperten sehen nicht so schwarz: Die tschechische Wirtschaftsleistung pro Kopf liege konstant über der in Spanien, Portugal oder Slowenien. Auch Polen sei noch weit davon entfernt, Tschechien zu überholen. Das Bild vom kranken Mann sei deshalb völlig überzogen, findet auch Bernhard Bauer, der Geschäftsführer der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer. Er hat außerdem ein Problem mit einseitigen Schuldzuweisungen.
"Wenn wir uns den Handel mit Deutschland anschauen, dann sehen wir, dass rund ein Drittel des tschechischen Außenhandels mit Deutschland abgewickelt wird. Und dieser hat in den letzten drei Jahrzehnten mit jährlichen Rekorden für einen Wohlstand im Land gesorgt", sagt Bauer. "Die Verflechtung zwischen unseren Wirtschaften ist enorm - und das in guten, aber auch in schlechten Zeiten." Das deutsch-tschechische Wirtschaftsmodell stehe nun aus vielen Gründen unter Druck und müsse durch Investitionen wiederbelebt werden.
Erinnerungen an Detroit
Sorgen, dass sich Tschechien und das Nachbarland Slowakei zu einem "europäischen Detroit" entwickeln, teilt die Handelskammer nicht. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte gewarnt, der Übergang der Autoindustrie zur Elektromobilität könne zu Unternehmenspleiten und Massenentlassungen führen wie vor 15 Jahren in den USA. Die Slowakei ist noch vor Tschechien der größte Autoproduzent der Welt, gemessen an der Anzahl hergestellter Fahrzeuge pro Kopf - die Autobranche ist der Motor der Wirtschaft. Die Hersteller Kia, Volkswagen, PSA (Peugeot, Citroën) und Jaguar Land Rover haben hier Werke.
Durch den Umstieg auf einfacher zu montierende E-Autos könnten hier laut einer Analyse des "Think-tanks" Globsec 85.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren. "Detroits Absturz hat die Wirtschaftskrise verursacht; auch die Lohnerhöhungen auf Druck der Gewerkschaften und die gesunkene Produktivität", sagt der Präsident des slowakischen Autoverbandes, Alexander Matusek. "Zum Glück ist die slowakische Autoindustrie die zweitproduktivste in Europa gleich hinter Spanien. Außerdem haben wir schon Fabriken, die reine E-Autos herstellen, und weitere sind geplant. Die Zukunft sieht ganz gut aus."
Als eine der größten Wachstumsbremsen für die Wirtschaft insgesamt gilt zurzeit übrigens der Fachkräftemangel - in der Slowakei und in Tschechien.