Trotz EU-Sanktionen Wie Osteuropa weiter am russischen Öl hängt
Seit genau einem Jahr gilt das Öl-Embargo der EU gegen Russland. Doch Ungarn, Tschechien und die Slowakei haben Ausnahmen erkämpft - und wollen diese nun verlängern.
Michal Majzner hat einen Benzinkanister vor das Industrieministerium in Prag mitgebracht. Der Aktivist hat keine Angst, dass ihm der Sprit ausgeht. Er protestiert dagegen, dass Tschechien noch immer am Öltropf Russlands hängt.
Aus seinem Kanister schüttet Majzner rote Farbe auf ein Transparent. Darauf steht: Russisches Öl gleich ukrainisches Blut. Im Fernsehen erklärt er, warum: "Zurzeit zahlen wir Russland mehr fürs Öl als im Durchschnitt in den ganzen vergangenen Jahren. Und Russland nutzt dieses Geld sicherlich auch, um Militärtechnik zu kaufen und um Soldaten zu bezahlen - in seinem brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine."
Tschechien importiert aktuell in der Tat mehr Öl über die russische Druschba-Pipeline als vor dem Krieg - der höchste Stand seit dem Jahr 2012. Von den Russland-Sanktionen ist diese Pipeline nicht betroffen. Diese Ausnahme nutzen Tschechien, die Slowakei und Ungarn. Polen und Deutschland, die auch an Druschba angeschlossen sind, haben darauf verzichtet.
Kein einfacher Ausstieg
Mazjner sammelt zusammen mit der Organisation "Nein zu russischem Öl" Unterschriften für eine Petition an die tschechische Politik. Sie solle den privaten Pipelinebetreiber dazu motivieren, woanders einzukaufen. Die Regierung in Prag sieht sich eigentlich als starke Stimme der Ukraine in der EU. Mit dem Ausstieg aus dem russischen Öl sei das aber nicht so einfach, sagt Industrieminister Jozef Sikela. Zuerst müsse das Pipeline-Netz nach Italien ausgebaut werden.
"Im Moment installieren wir größere Turbinen und robustere Motoren. Nach dem Ende dieses Projekts wird es möglich sein, sämtliche Lieferungen aus Russland über die Ölpipeline Druschba zu stoppen." Doch das dauert: Erst im Jahr 2025 könnte es so weit sein. Und es kostet. Dagegen ist das russische Rohöl laut Energieexperten derzeit einfach viel billiger als anderes.
Die Abhängigkeit von Russland
Tschechien ist außerdem auch indirekt abhängig von russischem Erdöl. Das Land stellt selbst nicht genug Treibstoff her, sondern importiert einen großen Teil aus der Slowakei. Die einzige Raffinerie des Nachbarlandes verarbeitet vor allem russisches Öl und liefert rund ein Fünftel des tschechischen Bedarfs. In einigen Regionen sogar die Hälfte. Doch ab heute soll damit Schluss sein. Dann darf "Slovnaft" nichts mehr exportieren, was aus Russland stammt.
"Sollte diese Ausnahme nicht verlängert werden, könnte es zu einer Destabilisierung der Lieferung von Erdölprodukten und Treibstoffen kommen", warnt der slowakische Parlamentspräsident Peter Pellegrini. "Nicht nur bei uns und in Tschechien, sondern auch in der ganzen Region."
Öllieferungen trotz Sanktionen
Außerdem dürften die Spritpreise steigen. Daher unterstützt die tschechische Regierung den slowakischen Verlängerungswunsch bei der EU. Und auch Ungarn wirbt dafür. Denn "Slovnaft" gehört dem ungarischen Mineralölkonzern "MOL". Die Umstellung auf nicht-russisches Erdöl sei teuer und werde sich ebenfalls noch mindestens bis 2025 hinziehen, heißt es. Die Raffinerie könne derzeit nur rund 30 Prozent anderes Öl verarbeiten - zu wenig für Tschechien.
"Wir werden natürlich ab dem 5. Dezember trotz Sanktionen voll einsatzfähig sein", versichert der "Slovnaft"-Sprecher Anton Molnár. "Wir werden weiterhin versuchen, den tschechischen Markt zu beliefern. Wir müssen sehen, wie erfolgreich wir sein werden".
Egal, wie Brüssel entscheidet, feststeht: Leicht fällt der Ausstieg aus dem russischen Öl der Slowakei und Tschechien nicht.