Russische Gaslieferungen Was bedeutet die Rubel-Strategie des Kreml?
Ab heute müssen westliche Käufer ihr Gas aus Russland nach einer Anordnung Putins über spezielle Konten bei der Gazprombank bezahlen. Noch scheint bei der Maßnahme vieles unklar.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seiner Verordnung, russisches Gas müsse nun in Rubel bezahlt werden, für viel Verwirrung gesorgt. Die betroffenen Kunden aus "unfreundlichen Staaten" dürfen danach jedoch weiterhin Beträge in Euro und Dollar überweisen. Wie die neuen Modalitäten ablaufen sollen, ist dabei selbst dem ehemaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi nicht ganz klar.
Was hat Putin verordnet?
Zahlungen für Lieferungen von russischem Erdgas sollen von heute an in Rubel geleistet werden, heißt es in dem gestern unterzeichneten Dekret. Westliche Abnehmer sind damit verpflichtet, ein spezielles Rubelkonto und ein spezielles Fremdwährungskonto bei der Gazprombank zu eröffnen. Dafür muss kein Vertreter des Kunden anwesend sein. Ihre Gasrechnungen können Firmen in der EU dementsprechend weiter in Euro oder Dollar begleichen.
Dennoch scheint vieles noch unklar zu sein. "Was ich verstanden habe - aber ich kann mich auch irren -, ist, dass die Umrechnung der Bezahlung eine interne Angelegenheit der Russischen Föderation ist", sagte etwa Ex-Zentralbanker Draghi gestern nach einem Telefonat mit Putin. Der Kreml-Chef habe betont, dass dies ein "Zugeständnis" an europäische Firmen und Staaten sei.
Auch hatte Putin Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch bereits die Zahlung in Euro zugesichert. In der vergangenen Woche hatte er dagegen noch angekündigt, dass die Kunden künftig in Rubel zahlen müssen. Das hatten die G-7-Staaten entschieden abgelehnt.
Wie soll die Zahlung nun ablaufen?
Der Ablauf der Zahlungsweise wird im Punkt 6 des Dekrets beschrieben. Der ausländische Kunde soll danach das Geld zunächst auf das Sonderwährungskonto des Typs "K" in der im Erdgaslieferungsvertrag angegebenen Fremdwährung - sprich in Euro oder Dollar - überweisen. Die Gazprombank in Luxemburg verkauft die Währung anschließend auf Anweisung des Gas-Abnehmers an der Moskauer Börse und schreibt den Erlös in russischen Rubeln auf dem Sonderwährungskonto gut.
In einem weiteren Schritt landen die Rubel schließlich auf dem Konto des russischen Lieferanten. Erst dann gilt die Zahlung als abgeschlossen. Die Gazprombank unterliegt anders als viele andere russische Banken nicht den europäischen Sanktionen, die wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine verhängt wurden.
Was passiert, wenn das Geld nicht in Rubel ankommt?
"Wenn solche Zahlungen nicht geleistet werden, betrachten wir dies als Verzug der Käufer mit allen daraus resultierenden Konsequenzen", erklärte Putin. "Niemand verkauft uns etwas umsonst, und wir werden auch keine Wohltätigkeit tun - das heißt, bestehende Verträge werden gestoppt."
Droht also ein Ende der Gaslieferungen?
Vorerst dürfte das nicht der Fall sein. Denn erst einmal könnte sich für westliche Unternehmen kaum etwas ändern - außer dass sie ein neues Konto bei der Gazprombank eröffnen müssen. Auch am Tag der verfügten Umstellung der Gas-Zahlungen liefert Russland eigenen Angaben zufolge den Rohstoff weiter in großem Umfang für den Transit durch die Ukraine nach Europa.
Heute würden 108,4 Millionen Kubikmeter Gas durch das Leitungssystem gepumpt, sagte der Sprecher des Energiekonzerns Gazprom, Sergej Kuprijanow, der Agentur Interfax. Das entspreche fast der vertraglich möglichen maximalen Auslastung pro Tag.
Darüber hinaus begann der Gasriese nach eigenen Angaben damit, seine Kunden über die geforderte Umstellung der Endzahlungswährung auf Rubel zu informieren. Die russischen Gasexporte würden nach russischen Regeln fortgesetzt, teilte das staatlich kontrollierte Unternehmen mit. Gazprom bleibe ein verantwortungsvoller Partner und die Gaslieferungen seien weiterhin sicher.
Welche Konsequenzen hat die Umstellung für deutsche Firmen?
Die genauen Auswirkungen der geänderten Modalitäten sind aufgrund der unkonkreten und kurzfristigen Meldungen noch unklar. Analysten in Moskau gehen davon aus, dass das System erst im April und Mai zur vollen Wirkung kommt. Fachleute erwarten allerdings nicht, dass die Änderungen in der Gas-Abrechnung große Konsequenzen für deutsche Firmen bedeuten. "Für die deutschen Unternehmen dürfte sich unter dem Strich nicht besonders viel ändern", sagte Ulrich Leuchtmann, Leiter der Devisen-Abteilung bei der Commerzbank.
Ähnlich sieht es Experte Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen: "Letztlich ändert sich an der bisherigen Zahlungsweise nur wenig, wenn die Abnehmerländer ihre Gasrechnung weiter in ihren Landeswährungen bezahlen und eine russische Bank die Devisen in Rubel umtauscht."
Was sind die Vorteile für Russland?
Mit dem Schritt will Russland Putin zufolge seine "finanzielle und wirtschaftliche Souveränität stärken". Das Land bezeichnete die Umstellung auf Rubelzahlungen für seine Gaslieferungen an den Westen als derzeit günstigste Lösung für sich. Die neue Regelung sei nicht in Stein gemeißelt und könne wieder geändert werden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax. "Aber unter den gegenwärtigen Bedingungen ist der Rubel die bevorzugte und am ehesten verlässliche Variante."
Ökonomisch ändere sich für Russland nur wenig, sagte Janis Kluge, Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, bereits zu Wochenbeginn im Gespräch mit tagesschau.de. Denn schon zuvor seien Gazprom und Rosneft von der russischen Zentralbank verpflichtet worden, innerhalb von drei Tagen 80 Prozent der Einnahmen aus den Energielieferungen in Rubel einzutauschen. "Somit entsteht eine Nachfrage nach der Währung, und sie wird gestärkt", so Kluge. Ob der Rubel nun noch weiter gestützt wird, ist fraglich.
Ökonom Marcus Keupp wertete die Maßnahme dagegen als Währungsintervention zur Stützung des Rubel-Kurses. Da die Zahlungen aber weiter in Dollar und Euro geleistet werden können, "scheint es weniger dramatisch als zunächst dargestellt", teilte der Dozent für Militärökonomie der Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich tagesschau.de mit.
Finanzexperten haben noch eine andere Theorie: Da die russische Zentralbank durch die Sanktionen weitestgehend isoliert ist, könnte Moskau die Gazprombank als zentrales Tor zur westlichen Finanzwelt aufbauen wollen. "Es scheint so, als wolle der Kreml die Gazprombank zu einer Art Quasi-Zentralbank aufbauen", sagte Devisenexperte Leuchtmann der "Süddeutschen Zeitung".
Wie reagiert die Politik?
Die Bundesregierung werde Putins Dekret "gründlich prüfen" und bewerten, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums heute in Berlin. Die meisten mit russischen Firmen abgeschlossenen Gaslieferverträge sähen Zahlungen in Euro oder Dollar vor - dies sei aus Sicht der Bundesregierung "die Grundlage" der Vertragsbeziehungen.
"Die Bundesregierung prüft derzeit dieses Dekret auf die konkreten Auswirkungen hin", so die Sprecherin. Sie wies auch auf einen Passus in dem Dokument hin, wonach die Gazprom-Bank nun zehn Tage Zeit habe, um "das Prozedere zu erläutern". Dies werde sich die Bundesregierung dann ebenfalls "genau anschauen". Zum weiteren Vorgehen stimme sich Berlin außerdem "natürlich auch europäisch ab".
Auch Bundeskanzler Scholz betonte erneut, dass Gaslieferungen aus Russland in Euro bezahlt werden sollen. "Auf alle Fälle gilt für die Unternehmen, dass sie in Euro zahlen wollen, können und werden", sagte er gestern in einer ersten Reaktion.
Und was sagen die Unternehmen?
Die deutschen Großkunden des russischen Gasriesen Gazprom zeigten sich zunächst zurückhaltend. "Wir haben die Meldungen und das Dekret auf Russisch gesehen, aber brauchen die Zeit zur Übersetzung und Prüfung", erklärte etwa ein Sprecher des Energiekonzerns Uniper.
Ähnlich äußerte sich die Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae: "Wir teilen die Auffassung von Bundeskanzler Scholz, dass zunächst das Prozedere sehr klar beschrieben wird, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden."
Zudem solle die Geschlossenheit innerhalb der EU und mit den G7-Staaten bei dieser Frage im Blick behalten werden. "Die Verträge belaufen sich derzeit in Euro oder Dollar. Und die Energiebranche geht davon aus, dass dies weiterhin gilt", so Andreae.