Russische Energie-Lieferungen Gas nur noch gegen Rubel?
Wladimir Putin hat mit seiner Forderung, für russisches Erdgas nur noch Rubel zu akzeptieren, europäische Konzerne und Verbraucher alarmiert. Doch was bedeutet das konkret - und wird Gas nun noch teurer?
Mit seiner Anweisung, dass "unfreundliche Staaten" ihre Gaslieferungen künftig in Rubel zu bezahlen hätten, hat Kreml-Herrscher Wladimir Putin gestern Märkte, Unternehmen, Politiker und Verbraucher aufgeschreckt. Die Auswirkungen könnten Experten zufolge erheblich sein. Antworten auf einige wichtige Fragen.
Wie wird das russische Gas bislang bezahlt?
Dem Schweizer Investmenthaus Vontobel zufolge werden aktuell etwa 60 Prozent der russischen Gaslieferungen in Euro und die restlichen 40 Prozent in Dollar bezahlt.
Welche Länder sind betroffen?
Auf der russischen Liste "unfreundlicher Staaten" stehen die Länder, die Sanktionen gegen russische Firmen und Individuen verhängt haben. Darunter sind die USA, die Mitglieder der EU, Großbritannien, Japan, Kanada, Norwegen, Singapur, Südkorea, die Schweiz und die Ukraine.
Ist Putins Rubel-Forderung ein Vertragsbruch?
Hier gehen die Meinungen der Experten auseinander. Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht darin einen "Bruch der Verträge". Auch Jens Südekum, Professor am Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, spricht von einem klaren Vertragsbruch: "Für Gaslieferungen gibt es langfristige Verträge, die auf Dollar lauten. Wenn Putin nun erklärt, er akzeptiere nur noch Rubel, bricht er diese Verträge."
Doch Fakt ist: Gaslieferverträge sind Verträge zwischen russischen Unternehmen wie Gazprom und EU-Firmen wie OMV, Uniper oder E.ON. Diese Verträge sahen zwar bislang größtenteils die Bezahlung in Dollar oder Euro vor. Doch es sind nicht die russischen Unternehmen, welche plötzlich von sich aus erklären, nur noch Rubel zu akzeptieren. Es sind vielmehr die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Russland, die sich ändern. "Das ist kein Vertragsbruch, sondern die Vertragserfüllung ist objektiv unmöglich geworden", ist daher Commerzbank-Devisenexperte Ulrich Leuchtmann überzeugt.
Umgeht Russland damit die Sanktionen?
Auch in diesem Punkt sind die Experten geteilter Meinung. Russland wolle die westlichen Länder dazu zwingen, ihre Sanktionen bei den russischen Banken zu lockern, meint etwa Vontobel-Rohstoffexpertin Kerstin Hottner. Nur unter dieser Voraussetzung wäre es den Gasimporteuren nämlich überhaupt möglich, ihre Währung in Rubel zu tauschen.
Der Commerzbank-Devisenexperte Leuchtmann hält dagegen, dass eine Bezahlung in Rubel grundsätzlich möglich sein dürfte, ohne Sanktionen zu brechen, solange einige Geschäftsbanken von den Sanktionen ausgeschlossen sind. Zwar seien neben der russischen Zentralbank auch einige Geschäftsbanken von Sanktionen betroffen - "aber eben nicht alle". Um Rubel zu erwerben, müsse niemand die Sanktionen gegen die russische Zentralbank brechen.
Was sagen die deutschen Unternehmen?
Die deutschen Energiekonzerne halten sich mit Reaktionen auf die Putin-Forderung aktuell auffallend zurück. So wollte sich der Uniper-Konzern auf Anfrage von tagesschau.de nicht dazu äußern. E.ON verwies auf eine Aussage seines Vorstandschefs Leonhard Birnbaum auf der Bilanzpressekonferenz, wonach der Energiekonzern keine langfristigen Lieferverträge direkt mit den Produzenten habe. Die EnBW-Tochter VNG ist nach eigenen Angaben dabei, "diesen Sachverhalt genau zu analysieren und in verschiedene Richtungen zu prüfen", wie ein Konzernsprecher gegenüber tagesschau.de erklärte. Offensichtlich wurden auch die Energieunternehmen von dem russischen Vorgehen komplett überrascht.
Warum will der Versorger OMV vorerst nicht auf Rubel umstellen?
Deutlich weniger zugeknöpft als die deutschen Konzerne gibt sich der österreichische Energiekonzern OMV. Der teilstaatliche Konzern will seine Zahlungen für russisches Gas vorerst nicht von Euro auf Rubel umstellen. "Ich dürfte so etwas gar nicht", sagte OMV-Chef Alfred Stern dem TV-Sender Puls 24. Laut Vertrag seien die Rechnungen nämlich in Euro zu begleichen. Gegenüber tagesschau.de erklärte OMV, man habe wegen dieser Angelegenheit auch bislang keine Informationen oder eine Anfrage des OMV-Vertragspartners Gazprom erhalten.
Was macht der Gaspreis?
Die erste Reaktion am Gasmarkt auf die Putin-Forderung fiel ebenso rasch wie deutlich aus: Die europäischen Gaspreise machten gestern einen kräftigen Satz nach oben. Der europäische Terminmarkt-Gaspreis Dutch TTF schnellte zwischenzeitlich um 25 Prozent empor und verabschiedete sich schließlich mit einem Plus von 13 Prozent auf 112 Euro je MWh aus dem Handel. Heute sinken die Preise wieder, es geht über sechs Prozent nach unten auf 98 Euro/MWh. "Unsicherheiten quittiert der ohnehin sehr nervöse Markt mit deutlichen Ausschlägen", kommentierten die Rohstoffexperten der Commerzbank.
Wird russisches Gas langfristig nun billiger oder teurer?
Wer angesichts des jüngsten Wertverfalls des Rubels nun mit Blick auf eine mögliche Rubel-Umstellung der Verträge auf günstigere Preise für europäische Energiekonzerne hofft, täuscht sich wahrscheinlich. Denn letztlich käme es darauf an, mit welchen Rubel-Beträgen die bisher in den Verträgen notierten Euro- (oder Dollar-) Beträge in nachverhandelten Verträgen ersetzt würden. Europäische Unternehmen und damit letztlich auch die Verbraucher müssten zudem befürchten, dass sie mit dem erzwungenen Umschreiben der langfristigen Gasverträge womöglich schlechtere Konditionen erhalten.
Welche Signale kommen vom Gasmarkt?
Die Marktreaktion ist insofern interessant, als dass der europäische Terminmarkt-Gaspreis Dutch TTF trotz der Ankündigung aus Moskau deutlich unterhalb seines Rekordhochs bleibt. Zur Erinnerung: Im März war der TTF-Erdgas-Preis bis auf 227 Euro/MWh geklettert. Selbst das Oktober-2021-Hoch (132 Euro/MwH) blieb unangetastet.
"Der TTF-Future für das vierte Quartal 2022 notiert bei 109,80 Euro/MWh, derjenige für den Sommer 2023 bei 62,20 Euro/MWh. Weiter steigende Preise werden aktuell nicht erwartet", betont Marktexperte Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest. "Die Marktteilnehmer scheinen zuversichtlich, dass der Preisanreiz ausreichend hoch ist, um russisches Gas durch LNG aus Katar, den USA und anderen Staaten ersetzen zu können."
Was bedeutet das für den russischen Rubel?
Putins Ankündigung hatte den Rubel zunächst deutlich aufwerten lassen. Aktuell notiert der Dollar bei knapp 96 Rubel. Allerdings hatte sich der Rubel schon zuvor von seinen Tiefständen im Ukraine-Krieg erholen können. Zum Vergleich: Anfang März mussten zeitweise 154 Rubel für einen Dollar bezahlt werden. Devisen-Experten gehen davon aus, dass dieses Rubel-Rekordtief erst einmal nicht unterboten werden dürfte. Damit sei nur dann zu rechnen, wenn westliche Sanktionen auf schärfere Maßnahmen gegen russische Erdöl- oder Erdgas-Lieferungen ausgeweitet werden.