Container und Verladekräne im Containerhafen Yang Shan, Shanghai.
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Exportschwemme und De-Risking Deutschland in der China-Falle

Stand: 15.04.2024 17:38 Uhr

Die China-Reise von Bundeskanzler Scholz ist eine schwierige Mission: Einerseits will sich die EU gegen eine chinesische Exportschwemme wehren. Andererseits ist die deutsche Wirtschaft noch immer stark abhängig von China.

Von Birgit Eger und Ulrich Ueckerseifer, WDR

Kurz vor der China-Reise von Bundeskanzlers Olaf Scholz ist eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) erschienen: Danach ist und bleibt die deutsche Wirtschaft abhängig von China; mehr noch: Die Studie zeigt, dass bei einigen Produkten - unter anderem bei einigen wichtigen Rohstoffen und bei Grundstoffen für Medikamente - die Abhängigkeit sogar gestiegen ist. Das oft geforderte De-Risking - also die Reduzierung der Importabhängigkeit - ist laut Jürgen Matthes vom IW zumindest in der Breite nicht zu erkennen.

Ein Problem: Es ist gar nicht so einfach, die benötigten Produkte, zum Beispiel für die Chemie- und Elektronikindustrie von alternativen Anbietern zu bekommen. Und bei vielen Rohstoffen ist China preislich so günstig, dass in anderen Weltregionen durchaus vorhandene Rohstoffvorkommen gar nicht erst abgebaut werden. In der aktuellen Studie schlagen die Forscher darum vor, eine staatliche Taskforce zu bilden. Sie soll mit den besonders abhängigen Unternehmen vertraulich klären, wie Abhängigkeiten reduziert werden können.

Die chinesische Wirtschaft lahmt

Zur gleichen Zeit, da Deutschland eher schlecht als recht versucht, sich unabhängiger von China zu machen, steckt das Riesenreich in einem Dilemma: Die Politik, mit dem Ausbau der Infrastruktur und des Wohnungsbaus die Konjunktur zu befeuern, funktioniert nicht mehr. Das Wachstum wird schwächer. Infolgedessen überschwemmt das Land die Weltmärkte mit billigen Waren, um seine Wirtschaft durch einen stärkeren Export zu stützen. Ökonomen sprechen bereits von China als "Produktionssupermacht".

Schon seit Jahren beherrschen chinesische Solaranlangen den Weltmarkt, inzwischen geht es auch um Elektroautos, Windkraftanlagen und Maschinen. Die Exportschwemme aus China betrifft also auch und insbesondere Branchen, in denen auch die deutsche Industrie stark ist.

China setzt auf qualitatives Wachstum

Chinas Regierung plant langfristig. Auch die Wirtschaftsentwicklung soll nicht dem Zufall überlassen werden. Seit seinem Amtsantritt als Parteichef der Kommunistische Partei Chinas im Jahr 2012 beschwört Xi Jinping den "Chinesischen Traum" und hat das Ziel ausgegeben, 2049 Weltmarktführer in wichtigen wirtschaftlichen Bereichen zu sein - pünktlich zum 100-jährigen Bestehen der Volksrepublik China.

Deshalb setzt die chinesische Regierung auf qualitatives Wachstum in strategisch wichtigen Sektoren; dazu gehören unter anderem die Chipherstellung, Robotik und Künstliche Intelligenz, Energiegewinnung und Mobilität. In diesen Branchen soll China Weltmarktführer werden und möglichst unabhängig von ausländischen Zulieferern. Um das Ziel zu erreichen, wird die Forschung gefördert, die passende Infrastruktur aufgebaut, und es soll auch die Produktivität gesteigert werden.

Konkrete Maßnahmen der Regierung, um chinesische Firmen zu unterstützten, sind zum Beispiel günstige staatliche Kredite, Zugang zu billiger Energie und kritischen Rohstoffen oder die Bevorzugung bei staatlichen Ausschreibungen. Nach einer Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) erhielten 2022 fast alle börsennotierten Unternehmen direkte staatliche Subventionen. Besonders hohe Unterstützung erfahren danach die Hersteller von Elektroautos, hier besonders der Hersteller BYD, und die Hersteller von Windkraftanalgen.

Scholz: "Kein Dumping, keine Überproduktion"

Es gibt bereits Gegenreaktionen: Die USA verhängten Strafzölle auf zahlreiche Industrieprodukte aus China. Die Regierung hat deutlich gemacht, dass sie die US-Autoindustrie vor chinesischen Importen schützen will. Auch die EU-Kommission sieht den wachsenden Import billiger Elektroautos aus China kritisch. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnt bereits seit Monaten davor, dass subventionierte chinesische Überproduktion europäische Hersteller verdrängen könnte.

Importbeschränkungen der EU würden allerdings zu chinesischen Gegenmaßnahmen führen, unten denen die deutsche Industrie stärker leiden würde als die Produzenten in anderen Ländern, weil das China-Geschäft der deutschen Industrie besonders groß ist. Das gilt vor allem für die Autoindustrie. Deutschland hat also unter den internationalen Handelspartnern Chinas eine Sonderrolle.

Bundeskanzler Scholz hat das Thema Dumping in Shanghai angesprochen. "Das Einzige, was immer klar sein muss, ist, dass der Wettbewerb fair sein muss", sagte Scholz bei einer Diskussion mit Studenten. "Also, dass es kein Dumping gibt, dass es keine Überproduktion gibt, dass man keine Urheberrechte beeinträchtigt."

Chinas aktuelle Wirtschaftsentwicklung

Die chinesische Regierung setzt auch für das Jahr 2024 auf Wachstum. Rund fünf Prozent Steigerung der Wirtschaftsleistung sollen erreicht werden. Aber derzeit schwächelt die chinesische Wirtschaft. Die unsicheren Zukunftsaussichten und die Immobilienkrise verderben vielen Chinesen die Kauflaune. Außerdem steigt die Staatsverschuldung dieses Jahr voraussichtlich auf 87 Prozent des BIP, schätzt die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung GTAI. Das ist deutlich höher als die deutsche Staatsverschuldung von rund 64 Prozent. Gründe sind vor allem die hohen staatlichen Wirtschaftshilfen und weiterhin hohe Investitionen in die Infrastruktur.

Auch der Handel mit Deutschland schwächelt. Betrachtet man den Gesamtumsatz, war China 2023 nur noch knapp die Nummer Eins der Handelspartner Deutschlands, mit nur noch rund zwei Milliarden Euro Vorsprung vor den USA. Die Importe aus China sanken um rund 19 Prozent, die Exporte um rund neun Prozent.

Eine stetige Wirtschaftsentwicklung ist aber das Versprechen an die chinesische Bevölkerung und Bestandsgarantie für die Herrschaft der Kommunistischen Partei. In der aktuellen Wirtschaftssituation hat die chinesische Regierung deshalb großes Interesse, auf die ausländischen Unternehmen zuzugehen und zumindest kleine Zugeständnisse zu machen. Größere, systematische Reformen sind aber nicht geplant.

Chinas Charmeoffensive

Vielen Staaten sind die staatlichen Subventionen für chinesische Unternehmen, die ihre Produkte dann zu günstigen Preisen auf dem Weltmarkt verkaufen können, ein Dorn im Auge. Die chinesische Regierung startet deshalb zurzeit eine Charme-Offensive und betont die gute Zusammenarbeit mit Deutschland.

Max Zenglein vom Mercator Institute for China Studies sieht darin eine Chance: "Da Länder wie die USA oder Japan sich weitaus schärfer gegenüber China positionieren, hat Deutschland eine wichtige Funktion, wenn es um den Zugang zu Technologie und auch Kapital geht. Deutschland ist hier durchaus in einer Position der Stärke."