Prävention gegen Spielsucht Maltas Schutzschirm für die Glücksspielbranche
Malta will Glücksspielfirmen vor Schadenersatzklagen aus dem Ausland schützen. Die Auswirkungen auf den deutschen Spielerschutz wären weitreichend. Die Bundesregierung zeigt sich ahnungslos, die EU prüft eine Beschwerde.
Die maltesische Regierung plant mit einer Gesetzesänderung, die heimische Glücksspielindustrie vor Klagen aus dem Ausland zu schützen. Wirtschaftsminister Silvio Schembri hat das Vorhaben ins Parlament eingebracht. Die Glücksspielregulierung in dem Land soll um eine Vorgabe erweitert werden: Maltesische Gerichte sollen künftig Urteile aus dem Ausland gegen Firmen und deren Leitung nicht mehr vollstrecken, wenn diese eine maltesische Glücksspiellizenz besitzen und die örtlichen Regularien befolgen.
Malta reagiert damit offenbar auf eine Klagewelle aus dem Ausland. Insbesondere Spielerinnen und Spieler aus Deutschland und Österreich haben zuletzt immer häufiger gegen Glücksspielanbieter mit Sitz auf Malta geklagt. Zivilgerichte verurteilen die Firmen mittlerweile regelmäßig dazu, den Klägern erlittene Spielverluste zu erstatten. Oft geht es bei den Verfahren um fünf- und sechsstellige Beträge.
Online-Glücksspiel war in Deutschland lange verboten
In Deutschland war Online-Glücksspiel mit Ausnahmen in Schleswig-Holstein jahrelang weitgehend verboten. Erst vor knapp zwei Jahren änderte sich die Rechtslage. Seither können Unternehmen eine Lizenz beantragen, um im Internet für Kunden aus ganz Deutschland legal virtuelle Automatenspiele um Geld anbieten. Viele Glücksspielfirmen sind allerdings bereits deutlich länger hierzulande aktiv. Das heißt, sie haben Online-Casinos für den deutschen Markt angeboten, als das noch verboten war. Ihre Rechtfertigung lautete: Glücksspiellizenzen unter anderem aus Malta hätten sie dazu berechtigt.
Obwohl Behörden und Gerichte das mehrfach zurückwiesen, lief das lukrative Geschäft jahrelang weitgehend ungestört. Für Spielerinnen und Spieler war es zudem kaum möglich zu erkennen, dass es sich bei den zahlreichen deutschsprachigen Onlinecasinos im Netz um unerlaubtes Glücksspiel handelte. Banken wickelten die Zahlungen ab, große Bundesligaclubs und selbst der Deutsche Fußball-Bund warben bereits damals für Sportwettanbieter, die auf ihren Plattformen auch Online-Casinospiele um Echtgeld anboten.
Nachspiel für Zeit der illegalen Angebote
Für die Glücksspielunternehmen hatte all das kaum Konsequenzen. Den Aufsichtsbehörden gelang es nicht, das unerlaubte Geschäft zu unterbinden, Staatsanwaltschaften blieben untätig. Die Bundesländer einigten sich schließlich auf eine Legalisierung des Online-Glücksspielmarkts ab Sommer 2021. Lizenzen gingen seither auch an Firmen, die zuvor im Schwarzmarkt tätig waren.
Ganz abgehakt ist die Zeit vor der Legalisierung aber noch nicht. Seit einigen Jahren klagen Anwälte für ihre häufig spielsüchtigen Klienten vor Zivilgerichten gegen die Glücksspielfirmen. Sie argumentieren: das Angebot war in Deutschland damals illegal, die Spielverträge zwischen den Kunden und den Firmen damit nichtig. Da die Anbieter gegen das gesetzliche Verbot verstoßen haben, müssen die Verluste aus dieser Zeit erstattet werden.
Tausende Verfahren in Deutschland
Erste Urteile, bei denen die Kläger Recht bekamen, sorgten für Aufsehen. Immer mehr Kanzleien und Start-ups entdeckten das Thema als neues Geschäftsfeld. Bundesweit dürften aktuell mehr als 5000 Verfahren anhängig sein, schätzt István Cocron. Der Anwalt ist seit mehreren Jahren in dem Bereich tätig, seine Kanzlei betreut laut eigenen Angaben aktuell rund 1400 Fälle.
Während die Gerichte anfangs noch uneinheitlich urteilten, verlieren die Glücksspielfirmen mittlerweile regelmäßig vor Gericht. Mehrere Oberlandesgerichte haben ebenfalls entsprechend geurteilt.
Das Gesetzesvorhaben aus Malta könnte weitreichende Auswirkungen auf die vielen offenen und zukünftige Verfahren haben. Cocron und viele seiner Kolleginnen und Kollegen sehen darin einen Angriff auf den Verbraucherschutz. Es gehe Malta darum, den Glücksspielfirmen Zeit zu verschaffen, Sand ins Getriebe zu streuen. Das Vorhaben verstößt seiner Ansicht nach klar gegen EU-Recht.
Zwei Anwälte aus Österreich und Deutschland haben bei der EU-Kommission bereits eine Beschwerde eingereicht. Darüber berichtete zuerst die Zeitung "Times of Malta". Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigt auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios, dass die Beschwerde geprüft wird.
Bundesministerien verweisen gegenseitig aufeinander
Während das Thema unter Spielerschützern und Anwälten für Aufregung sorgt, zeigt sich die Bundesregierung bislang weitgehend ahnungslos. Auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios verweisen mehrere Bundesministerien wechselseitig aufeinander und sehen die Zuständigkeit jeweils beim anderen. Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder teilt mit, man habe die geplante Gesetzesänderung bereits zur Kenntnis genommen. "Auswirkungen dieser geplanten Regelung auf den Spielerschutz in Deutschland können zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht beurteilt werden."
Der ehemaligen Linken-Politiker Fabio De Masi fordert von der Politik mehr Einsatz. Insbesondere das Wirtschaftsministerium solle darauf drängen, dass Malta auch weiterhin Gerichtsurteile aus Deutschland und Europa anerkennt. De Masi bezeichnet Malta als "Patin der Glücksspielindustrie" und erinnert daran, dass die Branche immer wieder im Zusammenhang mit Geldwäsche und Organisierter Kriminalität auffällt.
Eine Sprecherin des maltesischen Wirtschaftsministeriums weist auf Anfrage Kritik zurück. Malta sei entschlossen, seinen Glücksspielsektor zu schützen. Die regulatorischen Standards seien in Malta hoch und den lizensierten Anbietern solle mit dem Gesetz die notwendige Sicherheit vor unbegründeten Anfechtungen gegeben werden. Wann das Gesetz in Kraft tritt, ist noch offen. Derzeit befindet es sich im parlamentarischen Verfahren in Malta.