Bekämpfung von Geldwäsche Warten auf den großen Wurf
Im Sommer sagte Bundesfinanzminister Lindner der Geldwäsche den Kampf an. Seitdem sorgten Tausende unbearbeiteter Verdachtsfälle und der Rücktritt des Chefs der Anti-Geldwäschebehörde für Schlagzeilen.
Es war ein sonniger August-Tag in diesem Jahr, als Finanzminister Lindner im Garten seines Ministeriums den "ganz großen Wurf" verkündete. Deutschland werde immer wieder als Paradies für Geldwäsche bezeichnet, damit könne er sich nicht zufriedengeben.
Der FDP-Politiker räumte Defizite bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland ein und kündigte zugleich einen inhaltlichen und organisatorischen Neuanfang an. Dafür soll eine neue Bundesbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität aufgebaut werden, so Lindners Ansage.
Teil der neuen Behörde sollen ein neues Bundesfinanzkriminalamt und eine neue Zentralstelle für die Geldwäscheaufsicht werden. Auch die Financial Intelligence Unit (FIU), eine Geldwäsche-Einheit, die beim Zoll angesiedelt ist, soll gestärkt werden. Sie ist für die Auswertung von Verdachtsmeldungen zuständig. Solche Meldungen müssen unter anderem Banken, Notare und Casinos erstellen, wenn ihnen eine Überweisung oder ein Geschäft verdächtig erscheint.
Immer wieder Negativ-Schlagzeilen
Immer wieder sorgte die FIU allerdings in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen. Regelmäßig ging es dabei darum, dass Verdachtsmeldungen zu langsam bearbeitet, zu spät an Polizei und Staatsanwaltschaften weitergeleitet werden. Gegen unbekannte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der FIU ermittelt deshalb noch immer die Staatsanwaltschaft Osnabrück. Der Verdacht: Strafvereitelung im Amt.
Das Handlungsbedarf besteht, war deutlich, als Linder im Sommer seine Pläne für den Kampf gegen die Finanzkriminalität verkündete. Bekannt war zu diesem Zeitpunkt auch, dass die Financial Action Task Force (FATF) ihren Prüfbericht zu Deutschland kurze Zeit später veröffentlichen wird.
Die FATF ist ein internationales Gremium, das regelmäßig seine Mitgliedsstaaten überprüft, ob sie genug gegen Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche unternehmen. Das Zeugnis für Deutschland im Sommer war letztlich durchwachsen, aber besser, als von manchen im Vorfeld erwartet.
Rücktritt des Chefs der Anti-Geldwäschebehörde
Doch nun kommen Fragen auf, ob die FATF bei ihrer Prüfung alle nötigen Informationen hatte. Am Donnerstag trat der Chef der Anti-Geldwäschebehörde Christof Schulte zurück. Aus "persönlichen Gründen", heißt es in einem Schreiben an den Finanzausschuss des Bundestags.
Kurz zuvor hatte die WirtschaftsWoche unter Verweis auf eine Anfrage des CDU-Abgeordneten Matthias Hauer berichtet, dass die FIU die FATF nicht darauf hingewiesen hatte, dass sich bei ihr unbearbeitete Verdachtsmeldungen aufstauen. Es geht um mehr als 100.000 Fälle. Wurden die Prüfer hier also in die Irre geführt?
Was sich hinter den Fällen verbirgt, ob da die "großen Fische der Geldwäsche" gemeldet wurden, die der Finanzminister so gerne schnappen würde, ist unklar. Finanzminister Lindner sagte dazu, einen Tag nach dem Rücktritt von Schulte: "Ein Fisch der Größe Wirecard, also einen Wal, erwarte ich nicht darunter".
Dennoch sei die große Zahl an unbearbeiteten Meldungen nicht hinnehmbar. "Das ist eine weitere Bestätigung, dass es richtig war, der Bekämpfung von Geldwäsche und Finanzkriminalität höchste Priorität einzuräumen."
Viele unbearbeitete Meldungen
Sebastian Fiedler, SPD-Politiker und ehemaliger Kriminalbeamter, blickt mit Sorge auf die unbearbeiteten Meldungen: "Das Risiko, dass dort wirklich auch schwerwiegende Straftaten nicht erkannt worden sind oder nicht an die Strafverfolgungsbehörden weiter ermittelt wurde, ist sehr groß", sagt Fiedler im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Unklar ist weiterhin, warum die FIU die Informationen zu den unbearbeiteten Meldungen erst so spät weitergegeben hat. Bei einer Sitzung des Finanzausschuss des Bundestags im Februar hatte ihr damaliger Chef noch gesagt, es gebe keinen Bearbeitungsrückstau. Auch bei einem Besuch der Abgeordneten im September sei dazu nichts gesagt worden, berichten Teilnehmer.
Das Finanzministerium teilt auf Anfrage mit, dass es Ende August "beiläufig den Hinweis” von der FIU dazu erhalten habe. Im September sei dann mitgeteilt worden, dass zum Stichtag 30. September 2022 insgesamt 100.963 risikorelevante Verdachtsmeldungen noch nicht bearbeitet waren.
Ursachen sollen aufgearbeitet werden
Und wie steht es um das Zeugnis der FATF? Matthias Hauer (CDU) vermutet, "dass die Bewertung" Deutschlands in Sachen Geldwäschebekämpfung "deutlich schlechter ausgefallen wäre, wenn diese wichtigen Informationen bekannt gewesen" wären.
Ein Sprecher des Finanzministeriums verweist auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios darauf, dass alle Meldungen an das Gremium bereits spätestens im November 2021 erfolgten und damit "vor dem Bekanntwerden der unbearbeiteten Verdachtsmeldungen". Zudem habe die FATF auch Hinweise über Bearbeitungsrückstände aus den Jahren 2017 und 2018 in ihrem Bericht verarbeitet.
"Selbst wenn diese Bewertung für die FIU durch die jetzt bekanntgewordenen erneuten Bearbeitungsrückstände schlechter ausgefallen wäre, hätte dies für das Gesamtergebnis der FATF-Prüfung nicht zu einem Abrutschen Deutschlands in die nächst schlechtere Kategorie" geführt, so der Sprecher.
Zugleich kündigt das Ministerium an, dass die neuen Informationen bei einer anstehenden Folgeprüfung der FATF eingespeist werden. Das Ministerium habe zudem die FIU aufgefordert, die Ursachen für die Bearbeitungsrückstände aufzuarbeiten. Dabei soll auch die Beratungsfirma PwC helfen. "Die Ergebnisse bleiben abzuwarten", so ein Sprecher des Finanzministeriums.