Zahlungen für Online-Casinos Die deutschen Banken und das Online-Glücksspiel
Die Recherchen zu den "Paradise Papers" belegen, wie deutsche Banken an illegalem Glücksspiel mitverdienen. Das ist den Aufsichtsbehörden bekannt - wird aber weitgehend ignoriert.
Von Philipp Eckstein, Jan Lukas Strozyk und Benedikt Strunz, NDR
Zahlreiche deutsche Banken und Zahlungsdienstleister verstoßen offenbar systematisch gegen deutsche Gesetze, indem sie Zahlungen für illegale Internet-Casinos abwickeln. Das ist das Ergebnis einer Recherche von NDR und "Süddeutscher Zeitung" im Zusammenhang mit den "Paradise Papers".
Demnach nehmen unter anderem die DZ-Bank, die Postbank und die Hypovereinsbank Gelder für illegale Glücksspielangebote entgegen. Andere Banken, wie die Wirecard Bank, führen für Offshore-Glücksspielanbieter Konten, über die auch Auszahlungen an Spieler abgewickelt werden. Nach Auffassung des niedersächsischen Innenministeriums und mehrerer Banken- und Strafrechtsexperten verstoßen Kreditinstitute, die diesen Geldfluß zulassen damit gegen den Glücksspielstaatsvertrag. Zudem könnten sie sich der Beihilfe zum illegalen Glücksspiel und der Geldwäsche strafbar machen.
Onlinecasinos zielen auf deutschen Markt
Der Glücksspielmarkt ist in Deutschland streng reguliert. Glücksspiele darf in Deutschland nur anbieten, wer über eine Lizenz verfügt. Die allermeisten privaten Anbieter verfügen nicht über eine solche Lizenz. Das gilt auch für die Branchengrößen Tipico und Bwin. Sie verfügen lediglich über eine Erlaubnis, die nur in Schleswig-Holstein gültig ist. Im Internet bieten sie aber dennoch Online-Casino-Spiele wie Roulette oder Spielautomaten für alle deutschen Spieler an.
Damit verstoßen auch die Banken, die für sie die Ein- und Auszahlung abwickeln, gegen das Gesetz. Viele deutsche Banken sind in dem Bereich dennoch tätig. Recherchen von NDR und "SZ" zeigen, dass die Wirecard Bank ein Konto für den illegalen Glücksspielanbieter OCG International Limited führt, der die Seite Onlinecasino.eu betreibt. Die Wirecard akzeptiert nachweislich Zahlungen deutscher Kunden auf dieses Konto. Zudem führt die Bank auch ein Konto des Anbieters Tipico, über das Gewinne aus illegalem Online-Glücksspiel an deutsche Kunden ausgezahlt werden. Wirecard erklärte, man erfülle alle Pfrüfpflichten.
Verstoß gegen Glücksspielstaatsvertrag
Auf Nachfrage von NDR und "SZ" erklärte das niedersächsische Innenministerium: Sollten sich Kreditinstitute an Zahlungen für illegale Online-Casinos beteiligen, so "verstoßen sie gegen das im Glücksspielstaatsvertrag formulierte Verbot". Das Innenministerium in Niedersachsen ist in Deutschland speziell für die Aufsicht über die Mitwirkung von Banken und Finanzdienstleistern bei illegalem Glücksspiel zuständig. Weiter teilte es mit, die Zahlungsabwicklung könne zudem "nach hiesiger Einschätzung eine Straftat der Beihilfe zur Veranstaltung von unerlaubtem Glücksspiel" und den "Straftatbestand der Geldwäsche" erfüllen. Auch andere Banken- und Strafrechtsexperten teilen auf Nachfrage diese Auffassung.
In einer Stichprobe haben Reporter von NDR und "SZ" sich bei mehreren Online-Casinos angemeldet, die nicht für den deutschen Markt lizenziert und hier auch nicht erlaubnisfähig sind. Neben den Online-Glücksspielangeboten von Tipico und Bwin umfasste die Stichprobe weitere populäre Anbieter wie Stake7, das auch mit Spielen aus dem Hause Merkur wirbt, Royal-Panda, Spin Palace, Onlinecasino.eu und Karamba. In allen Fällen waren deutsche Banken an den Ein- oder Auszahlungen beteiligt.
Regelmäßig sind Zahlungsdienstleister dazwischen geschaltet. Die Hypovereinsbank nahm Zahlungen entgegen, die für das Casino Spin Palace bestimmt waren. Die Zahlungen gingen zunächst auf das Konto des Dienstleisters PPRO Financial Ltd. und wurden von dort aus weiter an das Casino überwiesen. Ähnlich liefen die Einzahlungen bei der Postbank, der DZ-Bank, der Deutschen Handelsbank und der Volks- und Raiffeisenbank Westmünsterland. Unter den involvierten Zahlungsdienstleistern sind Global Collect und Adyen. Sie gehören zu den Marktführern in diesem Segment.
Die Auszahlungen der Gewinne aus den illegalen Glücksspielen erfolgten zum Teil über Konten bei ausländischen Banken, etwa der niederländischen ABN Amro Bank oder der Erste Group Austria mit Sitz in Österreich. Die betroffenen Banken gaben an, dass sie sich zu konkreten Kundenbeziehungen nicht äußern, dass man sich aber stets an deutsches Recht halte. Die DZ-Bank erklärte, man wolle den Sachverhalt klären.
Verweis auf EU
Die Casino-Anbieter sehen sich indes im Recht. Sie behaupten, der deutsche Glücksspielstaatsvertrag und die daraus resultierenden Landesgesetze seien ungültig, weil sie nicht europarechtskonform seien. Tatsächlich hat die Europäische Union Deutschland in der Vergangenheit regelmäßig wegen seiner Glücksspielregulierung kritisiert: Der Spielerschutz sei beispielsweise nicht ausreichend berücksichtigt. Hintergrund ist ein seit Jahren schwelender Streit zwischen den Ländern.
Online-Glücksspiel ist in Deutschland verboten. Nur einige Anbieter in Schleswig-Holstein sind lizenziert.
Die Glücksspielregulierung ist Aufgabe der Bundesländer, die Auffassung darüber, wie diese zu erfolgen habe, ist allerdings höchst unterschiedlich.
Trotz allem Streit um die Regeln zum Glücksspiel, gibt es in Deutschland eine geltende Rechtslage. Der auf Wirtschaftssachen spezialisierte Richter am Landgericht, Jan-Philipp Rock, sagte dem NDR: "Es gibt natürlich Personen, die die Gültigkeit des Glücksspielverbots anzweifeln aus europarechtlichen Gründen, aber bislang ist mir keine Entscheidung des EuGH bekannt, die gerade das Internetglücksspielverbot für europarechtswidrig erklärt." Ende Oktober bestätigte das Bundesverwaltungsgericht das Verbotsgesetz für Online-Casinos.
Deutsche Aufsichtsbehörden in der Kritik
Nach Informationen von NDR und "SZ" ist die Bundesfinanzmarktaufsicht Bafin seit Jahren über die Problematik informiert, wurde aber bislang nicht aktiv. Die Bafin verweist in diesem Zusammenhang auf die Länder, bei denen die Glücksspielaufsicht liege. Im Interview mit dem NDR erklärte der für die Bankenaufsicht zuständige Exekutivdirektor der Bafin, Raimund Röseler, ihm sei kein Fall bekannt, "in dem eine Bank wissentlich Dienstleistungen für definitiv illegale Anbieter durchführt".
Die Bankenaufsicht warte seit Jahren auf eine Liste, auf der alle legalen Anbieter stehen. Nur so könnten die Banken überhaupt unterscheiden, welche Geschäfte rechtlich zulässig seien und welche nicht. Auf Nachfrage erklärte das zuständige Innenministerium in Niedersachsen, man arbeite überhaupt nicht an einer solchen Liste.
Mehr als ein Jahr haben 381 Journalistinnen und Journalisten von 96 Medienpartnern aus 67 Ländern den Datensatz der sogenannten "Paradise Papers" ausgewertet. Darin haben sie zahlreiche Geschichten entdeckt. Die Daten waren der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt worden. Die Koordination der Recherche übernahm das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ). Insgesamt umfassen die "Paradise Papers" rund 13,4 Millionen einzelne Dateien.