Klimafolgen des Rekordgeschäfts Wie "grün" ist die Paketbranche?
Die Zahl der versendeten Pakete schnellt weiter nach oben. Die Branche verzeichnet Rekordumsätze, will aber auch CO2-Emissionen senken. Wo stehen die Unternehmen - und wo ist Nachholbedarf?
Die Paketbranche hat heute erneut ein "Rekordwachstum" vermeldet: 4,5 Milliarden Pakete wurden 2021 an Geschäfts- und Privatkunden ausgeliefert. Laut einer Branchenanalyse waren das elf Prozent mehr als im ohnehin schon profitablen Vorjahr. Mit den steigenden Zahlen wächst jedoch auch der Druck, nachhaltiger zu liefern.
Im Blickpunkt steht dabei häufig die "letzte Meile" zum Kunden: Die Analyse verweist hier etwa auf die wachsende Bedeutung von Elektro-Transportern und Lastenfahrrädern. Demnach könnten bis zu einem Drittel der Pakete in manchen Großstadtgebieten mit Lastenfahrrädern zugestellt werden.
Doch die sind laut Branchenverband BIEK bislang noch nicht in ausreichender Zahl verfügbar und nur für Pakete bis zu drei Kubikmeter geeignet. In ländlichen Gebieten sind sie ohnehin kaum einsetzbar. Der Großteil der Pakete dürfte also künftig mit E-Fahrzeugen zum Kunden kommen. "Aktuelle Herausforderungen liegen allerdings noch in kosteneffizienten Fahrzeugkonzepten und vor allem in den hohen Investitionen in die Ladeinfrastruktur insbesondere an Depots und Verteilzentren", heißt es in der Analyse.
Lastenräder und E-Transporter im Einsatz
Auf Anfrage von tagesschau.de beteuern auch die größten deutschen Paketdienste die Bedeutung von Lastenrädern und E-Fahrzeugen - bei unterschiedlicher Ausgangslage. Ein paar Beispiele: Die Zahl der eingesetzten Lastenräder reicht von rund 70 bei Hermes, über mehr als 100 bei UPS bis zu 28.200 bei DHL und Deutscher Post. Für GLS fahren in Deutschland rund 450 Lastenräder und E-Transporter. Hermes setzt nach eigenen Angaben derzeit mehr als 360 E-Transporter ein, was 30 Prozent der eigenen Flotte entspricht.
Auch die kurz- und mittelfristigen Ziele variieren teils deutlich: DHL und Deutsche Post wollen bis 2025 insgesamt 70 Prozent ihrer Sendungen emissionsfrei liefern. Die E-Flotte des Konzerns soll sich bis dahin fast verdoppeln - von 20.000 E-Scootern auf 38.000. GLS teilt mit, dass bis Ende des aktuelles Geschäftsjahres zehn Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland, "emissionsfrei bzw. -arm" sein sollen. In acht Jahren sollen alle Wagen des Unternehmens elektrisch fahren.
Hermes hat sich nach eigenen Angaben zum Ziel gesetzt, "bis 2025 in den Innenstadtbereichen der 80 größten deutschen Städte" emissionsfrei zuzustellen. Daneben setzen manche Dienste wie UPS auch auf "Mikrodepots", zum Beispiel Anhänger oder Container, in denen Pakete in Städten zwischengelagert und etwa mit dem Lastenrad zugestellt werden können.
Blick auf die "Langstecke"
Insgesamt hätten die Paketdienste noch viel Nachholbedarf beim Thema Nachhaltigkeit, sagt Julia Hartmann, Professorin für Management und Nachhaltigkeit an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht. "Für eine glaubwürdige Strategie müssten die Unternehmen aufschlüsseln, in welchen Bereichen der Logistikkette wie viel Emissionen anfallen - und mit welchen konkreten Maßnahmen sie diese minimieren wollen", sagt die Expertin.
Vor allem müsse dabei der Blick nicht nur auf die letzte Meile, sondern auch auf die "Langstrecke" gerichtet werden. Denn die sei für den Großteil der Emissionen innerhalb der Logistik verantwortlich, so die Expertin. Hier dürften Elektro- und Wasserstoff-Lkw in Zukunft eine Rolle spielen.
DHL und Deutsche Post teilen beispielsweise mit, dass hierbei auch die Bedeutung der Bahn wachsen solle. "Derzeit transportieren wir 6 Prozent der Pakete auf der Schiene, wir würden diesen Anteil aber gerne auf 20 Prozent erhöhen", heißt es vom Konzern. "Damit dies erfolgen kann, brauchen wir aber schnellere Waggons für den leichten Güterverkehr, eine bessere Verfügbarkeit von Trassen durch einen Ausbau der Infrastruktur und vereinfachte Verfahren zur Errichtung oder Ertüchtigung von Bahnanschlüssen und Verladeterminals."
Transportbranche als großer CO2-Verursacher
Trotz so mancher Hemmnisse: Schon heute bieten viele Dienste emissionsfreie Lieferungen an. "Dahinter verbergen sich aber in der Regel Kompensationsprojekte", sagt Expertin Hartmann. Das heißt, dass Unternehmen etwa in Aufforstung investieren, um den CO2-Ausstoß auszugleichen. "Das hilft aber nicht, wenn man im Kerngeschäft wenig ändert", sagt Hartmann. "Und mit Kompensation lösen wir auch nicht die Klimaproblematik."
Ohnehin gibt es die "grünere" Lieferung oftmals nur gegen einen Aufpreis. Das sei zum einen nachvollziehbar, weil die Kosten für die Unternehmen dabei höher seien, sagt Hartmann. "Aber damit erreichen sie nicht die Masse der Menschen, gerade angesichts der Inflation", meint die Expertin. "Eigentlich dürfte es nur eine, nämliche eine umweltfreundliche Option geben. Und die wird mit einer besseren Infrastruktur dann auch günstiger".
Weltweit betrachtet ist der Transportbereich ein nennenswerter Verursacher von C02. Nach einem Bericht des Weltklimarats IPCC betrug der Anteil des Transportwesens an den globalen Emissionen 15 Prozent im Jahr 2019. "Es wird Zeit, dass die Logistikunternehmen hier ihre Rolle verstehen", sagt Hartmann. Und dass sie "zum Vorreiter" würden.