Im Fall von Gaslieferstopp Engpässe bei Lebensmitteln möglich
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat auch die Lebensmittel stark verteuert. Es könnte noch weit schlimmer kommen - sofern die Regierung in Moskau die Gaslieferungen einstellt. In Osteuropa sind die Preissprünge schon weitaus stärker spürbar.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir rechnet im Falle eines Lieferstopps von russischem Gas mit weiteren Preissteigerungen sowie Lieferengpässen bei einzelnen Lebensmitteln in Deutschland. Das geht aus der Antwort seines Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion hervor, die der "Rheinischen Post" vorliegt.
"Viele Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft sind zwingend auf die Versorgung mit Gas angewiesen, um Lebensmittel beziehungsweise Futtermittel herstellen zu können", heißt es in dem Papier. "Bei einem Lieferstopp der Erdgaslieferungen aus Russland ist mit weiteren Preissteigerungen sowie Engpässen in der Versorgung bei einzelnen Lebensmitteln zu rechnen." Zu den Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft zählen beispielsweise Schlachthöfe, Molkereien, Mühlen und Bäckereien.
Gasmangellage beträfe Zierpflanzen und Gemüseanbau
"Insgesamt ist die Versorgung mit Lebensmitteln in Deutschland aber weiterhin gesichert", erklärte das Landwirtschaftsministerium. Die Bundesregierung gehe aktuell davon aus, dass die Gesamtversorgung mit Gas "bis Ende des Sommers beziehungsweise Anfang des Herbstes 2022 bei einem kurzfristigen und längeren Ausfall aller russischen Gasimporte physisch sichergestellt werden kann", heißt es in der Antwort.
Von einer Gasmangellage wären laut dem Ministerium "überwiegend Zierpflanzen- und Gemüsebau-Unterglasbetriebe betroffen". Dies könne aber durch Lieferungen aus anderen EU-Ländern ausgeglichen werden. Preissteigerungen besonders für dieses Gemüse seien aber zu erwarten.
Preise für Nahrungsmittel steigen in Osteuropa stark
Zuletzt waren in Deutschland die Lebensmittelpreise bereits stärker gestiegen als die allgemeinen Verbraucherpreise. Im April kosteten Nahrungsmittel nach Angaben des Statistischen Bundesamts 8,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Steigerungsrate lag damit leicht unter dem EU-Durchschnitt von 8,9 Prozent.
Die Verteuerung von Lebensmitteln bekommen Menschen in den osteuropäischen EU-Staaten seit Beginn des Ukraine-Kriegs laut den Statistikern deutlich stärker zu spüren als die Bundesbürger. In Litauen kosten Nahrungsmittel im April 22,1 Prozent mehr als vor einem Jahr. In Bulgarien zogen die Preise um 21 Prozent an und in Lettland um 17,7 Prozent. Auch in Ungarn, Estland, Rumänien und der Slowakei verteuerten sich Lebensmittel mit mehr als 14 Prozent deutlich stärker als im EU-Durchschnitt.
Russland und die Ukraine gehören zu den führenden Exporteuren von Weizen und anderem Getreide. Der Krieg und die Sanktionen des Westens gegen die Regierung in Moskau haben viele Rohstoffe sowie Energie verteuert und sorgen für Lieferengpässe. In der Folge verteuern sich Essen und die gesamte Lebenshaltung spürbar. Davon sind wichtige Grundnahrungsmittel betroffen. So verteuerten sich Speisefette und Speiseöle im April EU-weit um 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für Gemüse mussten die EU-Verbraucher im Schnitt 10,7 Prozent mehr zahlen. Die Preise für Brot und Getreideerzeugnisse stiegen allgemein um zehn Prozent, die für Fleisch um gut neun Prozent.
Östliche EU-Staaten sind auch deshalb besonders stark von den Preissprüngen betroffen, weil die privaten Haushalte dort einen besonders hohen Anteil ihrer verfügbaren Einkommen für Nahrungsmittel ausgeben. So entfielen bei Haushalten in Rumänien 2022 rund 28 Prozent der Konsumausgaben auf Nahrungsmittel, in Lettland fast ein Viertel (23,4 Prozent), in der Slowakei und in Bulgarien je gut ein Fünftel. In Deutschland war der Anteil mit 11,1 Prozent nur etwa halb so groß.