Lkw-Maut-Erhöhung für Firmen "Fühlen uns als Steuereintreiber der Nation"
Zum 1. Dezember steigt die Maut um 200 Euro pro Tonne CO2 für große Lkw. Kleinlaster folgen ein halbes Jahr später. Die erhofften sieben Milliarden Mehreinnahmen sollen vor allem in die Bahn-Infrastruktur fließen. Was taugen die Pläne?
Alexander Steinberg geht über den Hof der Spedition Grass im Westerwald. Dort reihen sich die Lkw aneinander: Die Firma hat 70 Fahrzeuge - 50 fahren mit LNG, die restlichen mit Diesel. Steinberg schaut mit einem nachdenklichen Blick auf den Fuhrpark. "Die Erhöhung der Lkw-Maut dürfte bei uns aber zu einer Gesamtkostensteigerung von mindestens zwölf Prozent führen", erklärt der Unternehmer.
Die Spedition Grass ist ein Familienunternehmen mit etwa 140 Mitarbeitern - klassischer Mittelstand. 80 Fahrer transportieren vor allem Schieferkalk, Glas, Zement und auch Lebensmittel quer durch die Republik. "Unsere Auftragslage ist wie auch in der gesamten Wirtschaft derzeit mau. Abgabenerhöhung wie die massive Erhöhung der Lkw-Maut mitten hinein in die Krise bremsen uns noch mehr aus", so Steinberg.
Gas galt bis vor Kurzem noch als zukunftsfähig
Um umweltfreundlich zu fahren, hat die Firma Grass schon einiges getan: Neben dem LNG-Fuhrpark wurde auch eine Gastankstelle gebaut. "Vor fünf Jahren galt Gas noch als zukunftsfähig und umweltfreundlich. Zudem war es relativ günstig. Also haben wir damals kräftig investiert, Erdgas-Lkw gekauft und die Tankstelle gebaut. Ein staatliches Förderprogramm hat geholfen. Gas wurde als zukunftsfähige Brücke hin zu gänzlich emissionsfreien Antrieben dargestellt", so Steinberg.
Aber schon vor dem Krieg gegen die Ukraine gingen die Preise extrem hoch. Und für die Bundesregierung ist Gas inzwischen auch problematisch. "Wie sollen wir bei dem ganzen politischen Hin- und Her noch nachhaltig arbeiten", fragt Steinberg. "Schon lange arbeiten und planen wir nur auf Sicht. Mittlerweile ist das nur noch ein Blindflug."
Neben der kurzfristig beschlossenen Lkw-Maut-Erhöhung läuft zum Jahresende auch die Maut-Befreiung von Erdgas-Lkw aus. Auf Steinberg und seine Firma kommt also ein doppelter Kostenhammer zu. "Wir fühlen uns inzwischen als Steuereintreiber der Nation", klagt Steinberg. "Die Abgabenbelastung ist sehr hoch. Wir werden, wie andere Verlader auch, die Kosten weitergeben müssen - am Ende dürfte das dann beim Endkunden, also den Bürgern an der Ladentheke ankommen."
Steigende Preise wegen höherer Maut?
Höhere Kosten für Produkte des täglichen Bedarfs hält auch Thomas Puls für wahrscheinlich. Er ist beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln für die Bereiche Umwelt und Verkehr zuständig. "Spediteure haben keine großen Gewinnmargen. Viele werden die Zusatzbelastung weitergeben müssen. Wie sich das genau bei welchen Waren preislich auswirkt, ist schwer zu sagen, aber am Ende muss jemand zahlen - im Zweifel wird das der Konsument sein", erklärt Puls.
Das Gesamtfazit von Puls zur Mauterhöhung fällt ernüchternd aus. So sei nicht nachvollziehbar, warum die EU einen CO2-Mautmindestpreis von 100 Euro fordere, die Bundesregierung für Deutschland aber das Doppelte festgeschrieben habe. Die geplanten Mehreinahmen seien zudem zu gering, um die sanierungsbedürftige Verkehrsinfrastruktur zu modernisieren.
Und auch die von der Ampel erhoffte, baldige Reduktion von CO2 sei wenig wahrscheinlich, so Puls. Es gebe in Deutschland derzeit nur rund 2.500 batterieelektrische Lkw, die von der Mautbefreiung profitieren könnten, dafür aber etwa 460.000 mautpflichtigen Fahrzeuge. "Diese Massen an Gütern können absehbar nicht auf die Schiene verlagert werden. Diese wird noch auf viele Jahre grundsaniert und ist derzeit auf den Hauptgüterkorridoren schon bei einer Auslastung von über 100 Prozent. Die Kapazitäten dort sind absehbar ausgeschöpft."
"Maut ist eine Steuerhöhung"
Auch Markus Rütters sieht keine Chance auf eine Lenkungswirkung durch die höhere Maut - und damit auch keinen Nutzen für die Umwelt. Er ist Vorsitzender der deutschen Getränke-Logistik. "Die Nutzfahrzeugindustrie fängt mit der Serien-Produktion von großen E-Lkw erst an. Das sind bis auf Weiteres nur kleine Stückzahlen. Zudem zweifeln wir daran, dass die Batterietechnik wirklich schon komplett technisch ausentwickelt ist, um notwendige Reichweiten zu erzielen."
Fraglich sei auch, ob es überhaupt genügend Strom für große Lkw-Flotten gäbe. Die Antworten von Energieversorgern auf Anfragen von Getränkefirmen seien äußerst zurückhaltend. Und welche Mehrkosten kommen auf die Branche zu? Rütters gibt ein konkretes Beispiel: "Auch im Norden wird gerne Weißbier getrunken. Das sind aus Bayern hin und zurück etwa 1.900 Kilometer Transportweg. Das macht pro Kasten etwa 30 Cent mehr, also zwei Prozent Preiserhöhung - nur wegen der neuen Maut." Die Lkw-Maut sei unter dem Strich nur eine Steuererhöhung, die so aber nicht heißen dürfe, so Rütters.
E-Lkw vorerst keine Option
Alexander Steinberg ist in seinem Büro angekommen, setzt sich an seinen Schreibtisch und schlägt einen Aktenordner auf. "Wasserstoff und elektrisch angetriebene Lkw sind bis Ende 2025 mautbefreit. Die Hersteller produzieren aber derzeit nur im vierstelligen Bereich." Und auch bei der Leistung geben es große Unterschiede. "Unsere Lkw-Diesel schaffen bei einer Einzelbesatzung mindestens 130.000 Kilometer Strecke im Jahr. Ein E-Lkw kommt derzeit aber nur auf etwa 60.000 Kilometer. Hauptgrund ist die lange Dauer des Stromladens an den Säulen", stellt Steinberg einen Vergleich auf. Er klappt den Ordner zu und schiebt ihn beiseite. "Mein Vertrauen in die Politik ist zutiefst erschüttert."
Und die nächste Preiserhöhung ist schon unterwegs: Nach der CO2-Abgabe für die Maut steigt 2024 auch die CO2-Abgabe auf Diesel. Eine solche finanzielle Doppelbelastung, die vor allem die Speditions- und Logistikbranche trifft, hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich ausgeschlossen. Jetzt kommt es doch anders.