Folge des Ukraine-Kriegs Lebensmittel weltweit so teuer wie nie
Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit werden Lebensmittel immer teurer. Laut der UN-Ernährungsorganisation FAO haben sie sogar inzwischen ein Rekordniveau erreicht. Stark betroffen sind Nord- und Westafrika - mit gravierenden Folgen.
Die Gefahr von "Brotunruhen" im Nahen und Mittleren Osten wächst von Tag zu Tag. In Ägypten können sich viele Menschen ein Fladenbrot gar nicht mehr leisten. Der Preis ist binnen drei Wochen nach dem Ukraine-Krieg um gut die Hälfte gestiegen. Nun zieht Kairo die Notbremse und deckelt den Preis für Brot auf ein ägyptisches Pfund (knapp fünf Cent). Die meisten Ägypter haben selbst dafür nicht genug Geld. Zwei Drittel der Bevölkerung erhält subventioniertes Brot.
Ägypten subventioniert Brotpreise
Ägypten ist stark von Weizenimporten abhängig. Über die Hälfte des Bedarfs wird aus dem Ausland gedeckt, das meiste davon kommt aus Russland und der Ukraine. Die Regierung in Kairo befürchtet, dass Brot knapp und teuer werden könnte, und hat vorsorglich den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe gebeten. Die Angst vor Protesten in der Bevölkerung sitzt tief. Bei den größten Brotunruhen in Ägypten gab es 1977 viele Tote. Und der arabische Frühling in Ägypten sowie den Ländern des Maghreb wurde teils auch durch hohe Brot- und Lebensmitttelpreise ausgelöst.
Besonders schlimm ist die Lage im Libanon. Dort gab es zuletzt in vielen Supermärkten schon kein Mehl mehr. Die Weizenvorräte reichen angeblich nur noch für ein paar Wochen. In dem Land, das 60 Prozent seiner Weizenimporte aus Russland und der Ukraine bezieht, wurden 2020 die wichtigsten Getreidespeicher durch eine Explosion im Hafen von Beirut zerstört.
Proteste im Irak und Sudan
Auch anderswo spitzt sich die Nahrungsmittel-Krise zu. Tunesien hat Mehl für Bäckereien schon rationiert. Und im Irak, im Sudan sowie in der Türkei sind viele Menschen wegen knapp gewordener Lebensmittel auf die Straße gegangen und haben lautstark protestiert.
Selbst in Sri-Lanka in Südostasien ist die Nahrungsmittel-Krise zu spüren. Vielerorts gibt es keine Milch und kein Mehl mehr. Die Lebensmittel werden rationiert, die Menschen verharren stundenlang in der Warteschlange bei über 30 Grad. Das autokratisch geführte Insel hat zeitweise den Notstand verhängt und den IWF um Hilfe erbeten.
FAO befürchtet Nahrungsmittelkrise in Westfafrika
Die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO warnt wegen des Ukraine-Kriegs vor Nahrungsmittelkrisen bis hin zu Hungersnöten besonders im Nahen und Mittleren Osten sowie in Teilen Afrikas. In der Sahelzone und Westafrika sei die Versorgung von rund 40 Millionen Menschen mit Lebensmitteln nicht gesichert, erklärte ein Sprecher des UN-Welternährungsprogramms (WFP).
Nach Angaben von mehreren internationalen Hilfsorganisationen, darunter Oxfam und World Vision, litten in Westafrika bereits 27 Millionen Menschen an Hunger. Bis zum Juni könnten elf Millionen hinzukommen. Alleine Eritrea ist bisher komplett auf Weizenimporte aus Russland und der Ukraine angewiesen.
20 Prozent höhere Lebensmittelpreise in diesem Jahr?
Laut FAO haben sich in Westafrika die Lebensmittelpreise in den vergangenen Jahren um bis zu 30 Prozent erhöht. Dürren, Überschwemmungen, militärische Konflikte und die Corona-Pandemie haben die Engpässe bei Getreide verschärft. In diesem Jahr nun könnten die Lebensmittelpreis dramatisch um 20 Prozent weiter ansteigen, befürchtet die FAO.
Schon jetzt befinden sich die weltweiten Lebensmittelpreise auf Rekordhoch. Der von der FAO 1990 eingeführte Index kletterte im März auf ein Höchstniveau. Im Vergleich zum Februar registrierte die UN-Organisation einen beachtlichen Zuwachs von 12,6 Prozent. Der Index berechnet die monatlichen Veränderungen der Durchschnittspreise für die Grundnahrungsmittel Getreide, Fleisch, Milchprodukte, Speiseöl und Zucker.
Preise für Pflanzenöl am meisten gestiegen
Am meisten hat sich das Pflanzenöl verteuert. Es kostete im März über 23 Prozent mehr als im Februar, vor allem aufgrund des höheren Sonnenblumenöl-Preises. Aber auch die Preise für Palm-, Soja- und Rapsöl stiegen an - zusätzlich angeheizt durch die höheren Erdölpreise.
Der Getreidepreis stieg wegen des Ukraine-Krieges im März laut dem FAO-Index um rund 17 Prozent im Vergleich zum Februar. Noch größer war die Verteuerung bei Mais. Die beiden Getreidesorten kosteten über 19 Prozent mehr als im Vormonat. Russland und die Ukraine zusammen lieferten in den vergangenen drei Jahren 30 Prozent des globalen Weizenexports und 20 Prozent der weltweiten Mais-Ausfuhren.
Einstellige Preiszuwächse bei Zucker, Fleisch und Milch
Nicht ganz so extrem verteuerten sich Zucker, Fleisch und Milch. Die Zucker-Preise erhöhten sich seit Februar um 6,7 Prozent. Der Fleischpreis stieg wegen eines Mangels an Schlachtschweinen in Westeuropa um 4,8 Prozent auf den höchsten Stand jemals. Milchprodukte kosteten 2,6 Prozent mehr als im Februar.
Immerhin: Reis, das wichtigste Grundnahrungsmittel neben Weizen, ist in diesem Jahr bislang kaum teurer geworden. Das sorgt zumindest für eine gewisse Entspannung der Nahrungsmittel-Lage in Asien.
Gute Weizen-Ernten in Argentinien und Australien machen Hoffnung, dass kurzfristig die wegfallenden Mengen aus Russland und der Ukraine ersetzt werden könnten. Laut Experten-Schätzungen werden aufgrund des Ukraine-Kriegs drei Millionen weniger Weizen aus Russland und vier Millionen Tonnen weniger Weizen aus der Ukraine exportiert. Insgesamt liefern Russland und die Ukraine mehr als ein Drittel des weltweiten Getreides. Russland ist der größte Exporteur von Weizen.