Arbeitsniederlegungen im Verkehr Was Deutschland bei den Warnstreiks erwartet
Mit einem bundesweiten Warnstreik wollen die Gewerkschaften ver.di und EVG am kommenden Montag weite Teile des öffentlichen Verkehrs lahmlegen. Reisende müssen mit massiven Beeinträchtigungen rechnen.
Zum Auftakt der nächsten Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst kommt es im Verkehrssektor zu einem neuen Höhepunkt der Warnstreiks. Am Montag sollen weite Teile des öffentlichen Verkehrs nahezu stillstehen, einschließlich des Personennahverkehrs, der Bahn sowie Flughäfen und die Autobahngesellschaft. Was steht Fahrgästen bevor, und wie ist der aktuelle Verhandlungsstand?
Welche Bereiche trifft es?
Betroffen von den Warnstreiks sind der Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr der Deutschen Bahn (DB) sowie weiterer Eisenbahn-Unternehmen. Die Deutsche Bahn kündigte als Reaktion bereits an, am Montag den gesamten Fernverkehr bundesweit einzustellen. Auch im Regionalverkehr werde "größtenteils kein Zug fahren", hieß es. Im öffentlichen Personennahverkehr trifft es zusätzlich die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Bayern. Außerdem ruft die Gewerkschaft ver.di zu Arbeitsniederlegungen an mehreren Flughäfen auf, ausgenommen Berlin.
Auch die Autobahngesellschaft soll bestreikt werden, ebenso die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Auf der Schiene sind laut EVG neben der Deutschen Bahn unter anderem die Bahn-Unternehmen Transdev, AKN, Osthannoversche Eisenbahnen, erixx, vlexx, eurobahn sowie die Länderbahn betroffen. Der Warnstreik soll sich von Sonntag, 24.00 Uhr, über den gesamten Montag hinziehen.
Die Warnstreiks an den Flughäfen betreffen nach Angaben der Gewerkschaften zum einen die Verhandlungen für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, zum anderen die örtlichen Verhandlungen für die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste sowie die bundesweiten Verhandlungen für die Beschäftigten der Luftsicherheit.
Wie äußern sich die beteiligten Gewerkschaften?
Die Gewerkschaften begründeten ihr Vorgehen mit mangelnden Fortschritten bei den jeweiligen Tarifrunden. "Wir müssen feststellen, dass die Arbeitgeber nach wie vor sämtliche Augen verschließen vor den Nöten der Beschäftigten", erklärte EVG-Chef Martin Burkert. "Wir wollen keine weitere Eskalation. Wir wollen ein verhandlungsfähiges Angebot."
Angesichts der "Stimmung" in den Unternehmen werde mit einer hohen Teilnahme und "massiven" Auswirkungen im gesamten Verkehrssektor gerechnet, sagte ver.di-Chef Frank Werneke.
Die Gewerkschaft ver.di vertritt rund 2,5 Millionen Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen, darunter auch im Nahverkehr und an Flughäfen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) verhandelt für etwa 230.000 Beschäftigte bei Bahnen und Busunternehmen.
Wie üblich sind koordinierte Warnstreiks aus zwei Tarifrunden?
"Das ist eine ungewöhnliche Sache", sagte der Tarifexperte Thorsten Schulten der Nachrichtenagentur dpa. Wenn zwei Gewerkschaften feststellten, dass sie parallel in ähnlichen Bereichen verhandeln, sei ein gemeinsames Vorgehen jedoch naheliegend.
Ein großer Warnstreik zu Beginn einer Verhandlungsrunde signalisiere den Arbeitgebern: "Wir meinen es ernst, und die Beschäftigten stehen hinter uns." Allerdings könnte ein möglicher gemeinsamer Streiktag "erst einmal eine punktuelle Aktion" darstellen, wie der Forscher des Instituts WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervorhebt. Letztendlich gebe es keine gemeinsame Planungsinstanz bei verschiedenen Gewerkschaften.
Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen bei der Bahn?
Im Februar dieses Jahres begannen die Verhandlungen der EVG mit der Deutschen Bahn sowie etwa 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen. Das erste Angebot des bundeseigenen Konzerns hatte die Gewerkschaft vergangene Woche abgelehnt, da sie eine Lohnerhöhung von mindestens 650 Euro als "soziale Komponente" fordert.
Die EVG strebt eine Steigerung der Entgelte um zwölf Prozent an, mit einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten. Außerdem fordert die Gewerkschaft einen sofortigen gesetzlichen Mindestlohn als Basis, auf dem die Forderungen aufsetzen.
Die Bahn hatte unter anderem vorgeschlagen, die Löhne der etwa 180.000 betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt fünf Prozent zu erhöhen und Einmalzahlungen von insgesamt 2500 Euro zu gewähren. Zudem will der Konzern einen tariflichen Bahn-Mindestlohn von 13 Euro einführen. Der nächste reguläre Termin für die Tarifverhandlungen der 180.000 Beschäftigten bei der DB ist für den 24. und 25. April geplant.
Wie ist der Verhandlungsstand im Öffentlichen Dienst?
Am Montag beginnt in Potsdam die dritte Verhandlungsrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Ver.di und der Beamtenbund dbb fordern eine Erhöhung des Einkommens um 10,5 Prozent, jedoch mindestens 500 Euro mehr im Monat.
Die Arbeitgeber bieten bisher ein Angebot von fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro - für die Gewerkschaften "eine Zumutung", wie sie sagten. Die Verhandlungen sind für drei Tage angesetzt.
Der Öffentliche Dienst leidet unter einer bundesweiten Besetzungslücke von über 300.000 Stellen. Bis zum Ende der nächsten zehn Jahre müssten laut ver.di etwa 1,4 Millionen Stellen neu besetzt werden, da die sogenannten Baby-Boomer in den Ruhestand gehen. In den Kommunen ist jede siebte Stelle bei der Berufsfeuerwehr unbesetzt, was rund 5000 Stellen entspricht. In Kitas fehlten im Jahr 2021 etwa 173.000 Fachkräfte.
Wie hoch ist die Eskalationsbereitschaft der Gewerkschaften?
In den vergangenen Wochen waren auch Kitas, Kliniken und viele weitere Bereiche des öffentlichen Lebens von Streiks betroffen. "Der Frühling naht, und es kann sein, dass wir uns dann hier noch einmal wiedersehen müssen", sagte ver.di-Chef Frank Werneke auf einer Kundgebung in Köln. Bereits zuvor hatte er Spekulationen über ein Scheitern der Tarifverhandlungen angestellt.
Bei einer Kundgebung in Berlin sagte dbb-Chef Ulrich Silberbach am Mittwoch: "Vor allem die Komplettverweigerung der Kommunen, einen Mindestbetrag auch nur in Erwägung zu ziehen, steht dabei jeder Annäherung im Weg."
Wie der Tarifexperte Schulten erläutert, endete die Friedenspflicht bereits mit dem Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags, und rechtlich stehe Warnstreiks auch während der Verhandlungen nichts im Wege. Auch die EVG betonte zuletzt immer wieder ihre Bereitschaft zum Warnstreik als "letztes Mittel".