Nach BGH-Gebührenurteil Banken drohen mit Kündigung
Laut Bundesgerichtshof müssen Banken ihren Kunden die ohne deren Zustimmung erhobenen Gebühren zurückerstatten. Doch einige Institute zögern mit der Auszahlung - und drohen gar mit Kündigung.
Die 64-jährige Ina H. aus Köln ist verärgert. Jahrelang war sie eine treue Kundin der Postbank. Nun hat ihre Bank sie aufgefordert, den aktuellen Gebührenbedingungen des Geldinstituts zuzustimmen, anderenfalls müsse sie mit einer Kündigung rechnen. "Das ist ungeheuerlich", schimpft Ina H. "So kann man doch nicht mit langjährigen Kunden umgehen."
Millionen Briefe verschickt
Ähnlich wie Ina H. dürfte es auch anderen Bank-Kunden derzeit ergehen. Die Deutsche Bank hat jüngst Millionen Bürger angeschrieben, die bei ihr oder der Postbank ein Konto besitzen, und sie um die Zustimmung zu den aktuellen Preisen und Bedingungen gebeten. Auch andere Geldinstitute haben Gebühren-Briefe verschickt.
Bislang musste der Kunde aktiv werden und widersprechen. Jetzt ist es umgekehrt: der Kunde muss aktiv zustimmen. "Wenn den Änderungen nicht zugestimmt wird, dann wird mehr oder minder deutlich fast immer mit der Kündigung gedroht", kritisiert die Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg.
Wer die aktualisierten neuen Geschäftsbedingungen der Banken nicht annimmt, muss schlimmstenfalls mit dem Rauswurf rechnen. Ohne die Unterschrift der Kunden dürfen Banken ihnen nämlich künftig Konto- oder Kartengebühren nicht mehr in Rechnung stellen. "Banken müssen mit Kündigungen drohen, wenn die Kunden den neuen Vertragsbedingungen nicht zustimmen", erklärt Bankenexperte Hans-Peter Burghof, Professor vom Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Stuttgart-Hohenheim, auf tagesschau.de.
Kündigungen jederzeit möglich
Auch nach Einschätzung von Verbraucherschützern macht es wenig Sinn, gegen eine solche Kündigung Widerspruch einzulegen. "Die Banken dürfen den Zahlungsdienste-Vertrag jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen", sagte kürzlich Kerstin Föller von der Verbraucherschutzzentrale Hamburg der Tageszeitung "Die Welt". Viele Schreiben der Banken würden von den Kunden zwar nicht als fair wahrgenommen, rechtlich angreifbar seien sie aber nicht, heißt es von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem wegweisenden Urteil Ende April die Rechte der Bank-Kunden gestärkt. Sie können Gebühren zurückfordern, die Kreditinstitute ohne explizite Einwilligung von ihnen erhoben haben. Dies gilt laut Stiftung Warentest für kassierte Entgelte seit 2018. Künftig müssen Kunden bei Gebührenerhöhungen ausdrücklich zustimmen. Bislang reichte es, wenn Banken bei Gebührenanpassungen ihre Kunden mindestens zwei Monate vorher schriftlich darüber informierten.
"Strafgebühr für widerspenstige Kunden"
Einige Banken akzeptieren die Rückzahlung, verknüpfen sie aber mit einem neuen Preismodell. So verlangt die Sparda-Bank Baden-Württemberg von ihren Kunden, die die Gebühren erstattet haben wollen, eine monatliche Kontoführungsgebühr von 7,50 Euro. Nur wer auf die Rückforderung der Gebühren verzichtet, zahlt weiterhin die bisher geltenden Gebühren von fünf Euro pro Monat.
Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg hält das Vorgehen der regionalen Sparda-Bank für rechtswidrig. Das Genossenschaftsinstitut versuche Verbraucher an der Durchsetzung ihrer vertraglichen Rechte zu hindern, moniert er. Nauhauser spricht gar von einer "Strafgebühr für widerspenstiges Kunden-Verhalten".
Die Sparda-Bank Baden-Württemberg kann die Kritik der Verbraucherschützer in keiner Weise nachvollziehen. Sie verteidigt ihr neues Preismodell, das ab Oktober für alle Neukunden gilt, als "logische Konsequenz des BGH-Urteils".
Ist eine Überweisung schon eine Zustimmung?
Ebenfalls für nicht zulässig beurteilen die baden-württembergischen Verbraucherschützer auch das Vorgehen, wenn die Banken anstatt einer expliziten Zustimmung Handlungen wie beispielsweise das Tätigen einer Überweisung als Zustimmung sehen. "Hier prüfen wir rechtliche Schritte", sagte eine Sprecherin zu tagesschau.de.
Kunden, die selbst aktiv werden und die zu viel gezahlten Gebühren zurückfordern, riskieren ebenfalls die Kündigung. Laut "Bild-Zeitung" haben ein paar regionale Banken wie die Sparkasse Wittenberg, die Spar- und Kreditbank Bühlertal und die Raiffeisen Spar- und Kreditbank im bayerischen Lauf an der Pregnitz Kunden, die ihre Gebühren zurückerstatten lassen wollten, gleich gekündigt.
Wozu Verbraucherschützer raten
Nichtsdestotrotz empfehlen Verbraucherschützer und die Stiftung Warentest Bankkunden, ihr Geld zurückzufordern. Sie bieten Verbrauchern Musterbriefe an, mit denen sie sich an ihre Institute wenden können, falls diese nichts von sich hören lassen. "Verbraucher stehen mit dem BGH-Urteil Erstattungen zu Unrecht kassierter Entgelte zu", erklärt Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). "Banken sollten aktiv auf ihre Kunden zugehen und die erhobenen Gebühren unbürokratisch zurückzahlen", verlangt er. Insgesamt geht es pro Kunde um dreistellige Beträge.
Rechtsanwälte wie die Kanzlei Gansel aus Berlin empfehlen ihren Mandanten sogar, Briefe an die BaFin zu schreiben. Die Bankenaufsicht, die auch für den Verbraucherschutz zuständig ist, solle den Geldinstituten Druck machen, die Gebühren endlich zurückzuzahlen. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" haben die Banken in zehn Fällen durchschnittlich 111 Euro zurückgezahlt, teilte die Kanzlei Gansel mit, die das Geld angeblich durch Inkassofirmen eintreibt.
Lohnt der Aufwand?
Verbraucherschützer und Medien kritisieren die Hinhalte-Taktik der Banken. Diese wiederum verweisen auf die unklare juristische Lage und befürchten Millionen-Belastungen. Es herrsche "Rechtsunsicherheit bei den Beteiligten", sagt ein Sprecher der Deutschen Kreditwirtschaft. Jede Bank müsse individuell entscheiden, wie sie vorgehe, wenn die Kunden ihre Zustimmung zu den neuen Bedingungen nicht gebe.
Kunden sollten sich aber sich fragen, ob sich der Aufwand für eine Rückerstattungssumme von 50 bis 100 Euro lohnt, meint Bankenexperte Burghof von der Uni Stuttgart-Hohenheim gegenüber tagesschau.de. Spätestens wenn man einen Anwalt einschalten und selbst etwas mehr Zeit und Energie dafür aufbringen muss, stellt sich die Frage nach dem
Kosten-Nutzen-Effekt.
Nur noch 14 Banken bieten Gratis-Konto
Als Alternative bleibt den Kunden der Wechsel zu einer Bank mit niedrigeren oder gar keinen Gebühren. Allerdings ist die Auswahl hier ziemlich begrenzt. Aktuell gibt es nur noch 14 Banken, die keine Kontogebühren erheben.
Viele Institute verknüpfen ihre Gratis-Modelle mit Bedingungen. Bei der Postbank zum Beispiel zahlen Kunden beim Modell "Extra-Plus" nur dann keine Gebühren, wenn sie monatlich 3.000 Euro einzahlen. Das Null-Euro-Konto der Commerzbank-Tochter Comdirect gilt nur bei einem Geldeingang von mindestens 700 Euro, mindestens einer Wertpapier-Transaktion oder drei Einkäufen mit Apple Pay pro Monat. Die DKB sowie die Neobanken wie Klarna, C24 oder N26 bieten kostenlose Konten ohne Mindestgeldeingang an.