Reform der US-Finanzmärkte Stecken geblieben im politischen Morast
Das Jahr zwei der großen US-Bankenkrise geht zu Ende. Was haben die Banken gelernt? Und wie versucht die Politik, den Instituten Zügel anzulegen, um die nächste Krise zu verhindern? Aus der Verärgerung Obamas wird deutlich, wie gering die Erfolge bisher sind. Eine Zwischenbilanz.
Von Rüdiger Paulert, WDR-Hörfunkstudio Washington
Die Finanzmarktreform in den USA steckt im Moment im politischen Morast der amerikanischen Hauptstadt fest. Dabei hat das demokratisch beherrschte Repräsentantenhaus seine Vorlage bereits verabschiedet. Der Hauptstreit dreht sich dabei grundsätzlich immer wieder um die Rolle des Staates. Die konservativen Republikaner setzen dabei wie gewohnt auf die Marktkräfte und wollen im Zweifel auch Banken fallen lassen, so die republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus Shelly Moore Capito: "Diese Institute wissen, was eine Pleite ist - und da sollten sie landen, wenn sie glauben, sie seien zu groß, um fallengelassen zu werden."
Im Capitol kämpfern Republikaner und Demokraten um die Finanzmarktreform - und im Hintergrund mischen Lobbyisten mit.
Freier Markt oder staatliche Regulierung?
Die Demokraten im Repräsentantenhaus, eher liberal mit Linksdrall, sehen dies anders. Barney Frank: "Ich denke nicht, dass es von der Gesellschaft verantwortlich ist, zu sagen: 'Mach so weiter und gehe Bankrott, wir kümmern uns nicht darum.' Wir kümmern uns!"
Die klare Mehrheit der Demokraten setzte sich schließlich Mitte Dezember im Repräsentantenhaus durch - ohne auch nur eine Stimme der Republikaner. Die Vorlage sieht einen Regulierungsrat vor, der frühzeitig Banken und Politik vor Gefahren an den Finanzmärkten warnen soll. Zusätzlich kann er Banken Auflagen machen, etwa zur Erhöhung des Eigenkapitals, und große Finanzunternehmen sogar zerschlagen. In Krisenzeiten soll ein Fonds die Banken stützen, in den alle Banken riesige Summen einzahlen müssen.
Zudem gibt es unter anderem Auflagen für Hedgefonds, die künftig stärker überwacht werden. Eine Verbraucherschutzorganisation rundet des Paket des Repräsentantenhauses ab. Es kommt damit den Vorstellungen Obamas weitgehend nach, der allerdings lieber die Rolle der amerikanischen Notenbank stärken und einem unter politischem Einfluss stehenden Regulierungsrat keine so große Macht geben will. Auf jeden Fall aber müsse etwas passieren, sagt Obamas Finanzminister Timothy Geithner: "Die größte Sorge - oder sagen wir die größte Herausforderung - ist jetzt, dass wir die Spielregeln so verändern, dass es eine solche Situation wie vor einem Jahr nicht mehr geben wird."
Schleppende Gesetzgebung, frustrierter Präsident
Doch davon sind die Vereinigten Staaten weit entfernt; denn der Senat steckt noch mitten in seinen Beratungen. Ohnehin ist klar, dass die Demokraten hier die Sperrminorität der Republikaner brechen müssen. Dies deutet auf weniger Auflagen für die Finanzwirtschaft hin. Zudem muss am Schluss eine gemeinsame Vorlage den Senat und das Repräsentantenhaus passieren, weitere Abstriche werden dann wohl nötig. Dass es überhaupt neue Regelungen geben wird, liegt wohl nur an den Wahlen im nächsten November. Keiner der Kandidaten für Senat oder Repräsentantenhaus möchte sich Untätigkeit vorwerfen lassen.
Präsident Barack Obama zeigte sich über den schleppenden Gesetzgebungsprozess verärgert und lud die Banker Mitte Dezember zu sich ins Weiße Haus. Frustriert sagte er Ihnen offen ins Gesicht: "Sie haben sich selber Erfolgsprämien in Höhe von zehn, zwanzig Millionen Dollar gewährt, nachdem Amerika durch die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten gegangen ist - und das, obwohl Sie das Problem verursacht haben!"
Verärgert: US-Präsident Barack Obama
Die Banker reagierten kaum und äußern sich öffentlich nur selten. Dafür zahlten die Großbanken die staatlichen Hilfen zurück und müssen nun fast keine Auflagen mehr beachten - vor allen Dingen keine Auflagen mehr bei Gehältern und Erfolgsprämien. Warnende Stimmen kommen da eher von ehemaligen Bankchefs, wie etwa von Ex-Citigroup-Chef Sanford Weill. Zwar begrüßte er Regelungen zur Herstellung von Transparenz, kritisierte aber zugleich übermäßigen Einfluss von Politikern auf das Finanzsystem.
Erfolgsprämien trotz staatlicher Milliardenhilfen
Neben diesen ordnungspolitischen Fragen aber geht es letztlich um handfeste finanzielle Interessen. Mit allen Mitteln wird deshalb im Capitol um die neuen Reglungen gerungen. Präsident Obama, ruhig in der Stimme, aber sichtlich verärgert: "Am meisten frustriert mich, dass dieselben Banken, die vom Steuerzahler gerettet wurden, nun bis zum Letzten mit ihren Lobbyisten im Capitol gegen eine Finanzreform kämpfen."
Die AIG-Rettung verschlang Milliarden Dollar - trotzdem gönnte sich die Führung Millionenprämien.
Die Grenzen von Obamas Macht in der amerikanischen Demokratie verdeutlicht am besten ein Beispiel aus dem Frühling. Da wurde bekannt, dass der Versicherungsriese AIG, immerhin mit rund 180 Milliarden Dollar aus der Staatskasse vor der Pleite gerettet, seinen Führungskräften Erfolgsprämien in Millionenhöhe zahlen wollte. Mit populistischer Überspitzung und moralischem Druck gelang es Obama, die AIG-Führung zu einer Rückzahlung von 45 Millionen Dollar zu verpflichten. Mit einem ganzen Pulk gutbezahlter Anwälte wehren sich einige Spitzenmanager des Unternehmens dagegen. Nur 19 Millionen Dollar flossen bisher zurück. Die restlichen 26 Millionen nicht.