Weltgrößter Automarkt BYD löst VW als Marktführer in China ab
Für deutsche Autokonzerne ist China einer der wichtigsten Absatzmärkte. Im Wettbewerb um Kunden liegt dort nun erstmals seit Jahrzehnten ein heimischer Hersteller vorn: Die E-Auto-Marke BYD ist an Volkswagen und Toyota vorbeigezogen.
Auf dem chinesischen Automarkt zeichnet sich eine "Zeitenwende" ab. Mit BYD hat erstmals ein einheimischer Hersteller beim Auto-Absatz die Führung übernommen. Volkswagen hatte diese Marktführerschaft mit seiner Kernmarke VW seit den 1980er-Jahren inne.
BYD steigert Absatz um 69 Prozent
Zum Start der Automesse in Shanghai kommt nun die Nachricht, wie sehr sich die Machtverhältnisse auf dem chinesischen Automarkt gerade verschieben. Der größte Gewinner dabei ist aktuell der chinesische Hersteller BYD, der seinen Marktanteil auf elf Prozent im ersten Quartal ausbaute und damit den Volkswagen-Konzern und auch Toyota aus Japan überholte. BYD konnte seine Absatzzahlen im Vergleich zum Vorjahr sprunghaft um 69 Prozent steigern - in einem Gesamtmarkt, der sogar schrumpfte.
Denn insgesamt ging der Verkauf von Pkw nach Angaben der China Passenger Car Association in den ersten drei Monaten des Jahres um 13 Prozent zurück. Wachstum gab es aber bei rein elektrischen Fahrzeugen und Pluy-in Hybriden, wo der neue Marktführer BYD ebenso wie die chinesischen Hersteller Nio, Geely oder Great Wall ihren Schwerpunkt setzen. "Es gibt weniger Gewinner und viele Verlierer in dieser Neuausrichtung des Marktes", so der Branchenanalyst Bill Russo gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Preissenkungen drücken auf die Margen
Elektro-Autos sind in China stark gefragt, zugleich liefern sich die Hersteller in China einen harten Preiswettbewerb. Mehr als 40 Hersteller haben die Preise bei den besonders nachgefragten Elektro-Fahrzeugen gesenkt seit Jahresbeginn und damit die Margen einer ganzen Branche in China verringert. Den Anfang der Preisoffensive hatte der US-Hersteller Tesla gemacht.
VW dagegen musste im ersten Quartal ein zweistelliges Verkaufsminus hinnehmen. Von den neu zugelassenen rund 430.000 Fahrzeugen waren aber, im Gegensatz zu BYD, nur ein Bruchteil Elektro-Fahrzeuge. Nach Angaben des "Handesblatt" hat VW in den Monaten Januar und Februar insgesamt nur 6300 Elektroautos verkauft. BYD dagegen verkauft überhaupt keine reinen Verbrenner-Fahrzeuge mehr. Im ersten Quartal teilten sich die Verkäufe der Chinesen in etwa gleichermaßen auf Plug-in Hybride und reine Elektroautos auf.
Unter den zehn meistverkauften Elektroautos in China befindet sich kein einziges deutsches Modell. Lediglich Tesla schaffte es als einziger ausländischer Hersteller in die Rangliste. "Die deutschen Automobilhersteller bekommen in China mittlerweile massiv Gegenwind durch einheimische Marken", sagt Autoexperte Stefan Reindl, Leiter des Geislinger Instituts für Automobilwirtschaft.
ID.7 soll Langstrecke "elektrifizieren"
Während die chinesischen Elektroauto-Konzerne vor allem Marktanteile über Modelle im unteren und mittleren Preissegment gewinnen, will der VW-Konzern nun mit seinem ID.7 in der oberen Mittelklasse gegen die stärker werdende Konkurrenz punkten. Der neuen rein elektrischen Fließheck-Limousine, die Volkswagen auf der Automesse in Shanghai heute vorgestellt hat, soll dabei nach Konzernangaben die Rolle zukommen, "die Langstrecke zu elektrisieren".
Der ID.7 erhält die bisher größte Batterie aller VW-Modelle der Hauptsparte, die Reichweiten bis 700 Kilometer ermöglichen soll. Und die chinesische Version des ID.7, die bis Jahresende verfügbar sein soll, entsteht in der Volksrepublik selbst.
BMW und Mercedes bedienen die Oberklasse
Der deutsche Konkurrent BMW ist nach eigenen Angaben mit seiner Position auf dem chinesischen Markt zufrieden, fokussiert sich aber im Gegensatz zu VW vor allem auf das Premiumgeschäft. Im ersten Quartal habe man den Absatz von Elektroautos in China auf rund 19.800 verdreifacht und damit im Segment der elektrischen Premiumfahrzeuge einen Marktanteil von rund zehn Prozent, so Konzernchef Oliver Zipse heute in Shanghai.
Auch Mercedes setzt bei seiner Elektro-Strategie voll auf die Oberklasse. In Shanghai hat der Konzern symbolträchtig dafür erstmals ein vollelektrisches Modell seiner Luxusmarke Maybach vorgestellt. Konzernchef Ola Källenius sagte, der Mercedes-Maybach EQS SUV solle "unseren Führungsanspruch bei Digitalisierung und Elektromobilität mit unserem Fokus auf das Luxussegment" verbinden. Im ersten Quartal verkauften die Stuttgarter nach eigenen Angaben 191.000 Fahrzeuge in der Volksrepublik, ein Absatzplus von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Kostenvorteile der chinesischen Hersteller
Aber trägt die Premiumstrategie langfristig? Experten sind skeptisch. Auch bei den Premiummarken rückten die Chinesen immer näher - zu erschwinglicheren Preisen, so Autoexperte Stefan Reindl. Über den Preis könnte sich in China der Automarkt neu sortieren, meint auch Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Center Automotive Research: "Tesla und die Chinesen haben im Preis- und Kostenwettbewerb die Nase vorn."
Mit Verbrennungsmotoren lasse sich in China zwar noch viel Geld verdienen. "Aber wer die Kunden nicht verlieren will, muss bei Elektroautos deutliche Preis- und damit Margenzugeständnisse machen", so Dudenhöffer. Die westlichen Autobauer müssten ihre Produktionsprozesse für Elektroautos neu einstellen. Wer einfach mit der bisherigen Preis- und Produktionsstrategie weitermache, werde Kunden verlieren.