Anhörung in Brasilien VW und der Vorwurf der Sklaverei
Brasilianische Ermittlungsbehörden werfen VW systematische Menschenrechtsverletzungen in Hunderten Fällen vor. Eigentlich hatte Volkswagen eine schriftliche Stellungnahme zugesagt - aber schweigt nun wohl doch.
Eine Rinderfarm im Amazonasbecken - einst ein Traum von Volkswagen. Zwischen 1974 und 1986 hatte das Unternehmen damit begonnen, ihn zu realisieren. Es wurde ein Albtraum für die Arbeiter, die damals für VW den Regenwald rodeten. Sie sollen systematisch versklavt worden sein. Es geht um verweigerte Behandlung bei Malaria, um Erniedrigungen, um Fesselungen nach Fluchtversuchen, um Verletzungen durch Schläge - und sogar Todesfälle.
Erste Anhörung in Sao Paulo
Im Mai 2022 informierte die brasilianische Staatsanwaltschaft für Arbeitsrecht Volkswagen offiziell über ein Ermittlungsverfahren zu diesen Vorwürfen - heute ist eine erste inhaltliche Anhörung in Sao Paulo angesetzt. Im Vorfeld sollte sich das Unternehmen in Brasilien erstmals inhaltlich zu den Vorwürfen äußern. Nach Informationen von NDR und SWR ließ VW allerdings eine Frist für eine schriftliche Stellungnahme verstreichen - zum Ärger der Ermittler, die nun an der Bereitschaft von Volkswagen zweifeln, die Vorwürfe aufzuklären.
"Volkswagen hatte ja gesagt, dass sie die Vorwürfe sehr ernst nehmen würden. Wir hoffen, dass die fehlende Stellungnahme nicht das Gegenteil bedeutet", so Staatsanwalt Rafael Garcia. "Wir hoffen, dass die Brasilianer, deren Würde auf der Farm massiv verletzt wurde, eine Wiedergutmachung erfahren werden."
Dem Staatsanwalt nannten Firmenvertreter organisatorische Gründe für das Fehlen der Stellungnahme. Volkswagen sehe sich noch nicht in der Lage, schriftlich Stellung zu nehmen, da "die juristische Abteilung die Ermittlungsakten noch nicht ausreichend analysieren konnte", so Garcia. Auf Anfrage von NDR und SWR teilt VW mit, wegen des laufenden Verfahrens wolle sich weder Volkswagen in Brasilien noch der Mutterkonzern in Deutschland äußern.
Sklavenarbeit nicht nur geduldet, sondern auch befördert
Die mutmaßlichen Verbrechen sollen viele Jahre zurückliegen. Der Autobauer betrieb zu der Zeit eine 140.000 Hektar große Farm in Brasiliens Amazonasbecken. Es sollte der Einstieg ins Fleischgeschäft werden. VW hatte damals Arbeitsvermittler beauftragt, die Rodungsarbeiten auf der Farm zu organisieren. Die suchten Leiharbeiter in entlegenen Dörfern der Region - und transportierten sie zur Farm. Dort angekommen, hatten sie angeblich Schulden von der Anreise und sollten diese nun abarbeiten. Bei Fluchtversuchen drohte danach Gewalt.
Nach Ansicht der brasilianischen Ermittlungsbehörden geschahen die Verbrechen im Wissen und mit Billigung von VW. "VW hat diese Form von Versklavung offensichtlich nicht nur akzeptiert, sondern auch befördert - es war schlichtweg billige Arbeitskraft", sagt Staatsanwalt Garcia.
Eine eigens von Volkswagen in Auftrag gegebene historische Studie hatte bereits 2017 viele der Vorwürfe bestätigt. Dennoch tut sich Volkswagen offenbar mit der Aufarbeitung schwer. Die Staatsanwaltschaft strebt einen Vergleich an - wenn dieser nicht zustande kommt, könnte ein strafrechtliches Verfahren folgen.