Tesla-Herausforderer Rivian Volkswagen steckt Milliarden in US-Elektroautobauer
Volkswagen will seine Auto-Software künftig mit dem US-Elektroautobauer Rivian entwickeln und dafür bis zu fünf Milliarden Dollar investieren. Die Software-Tochter von VW hatte immer wieder Probleme.
Volkswagen holt sich für die nächste Generation von Auto-Software Hilfe vom Tesla-Herausforderer Rivian. Europas größter Autohersteller will bis zu fünf Milliarden Dollar ausgeben und gemeinsam mit dem US-Elektroautobauer Technik für künftige Fahrzeuge entwickeln. "Mit der Partnerschaft soll die Softwareentwicklung der Volkswagen Group und von Rivian beschleunigt werden", hieß es in einer Mitteilung beider Unternehmen.
Wolfsburger wollen US-Software nutzen
Der Wolfsburger Autobauer und Rivian wollen dazu ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, das beiden zu gleichen Teilen gehört. Die Kooperation umfasst Software, Steuercomputer sowie Netzwerk-Architektur. Ein zentraler Punkt: Volkswagen wird für neue Autos in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auf Rivians Technologie und Software einschwenken. Rivian-Chef RJ Scaringe betonte in einer Telefonkonferenz, dass andere Bereiche wie Batterien oder Antriebstechnik nicht Teil der Partnerschaft seien.
VW könnte mit der Zusammenarbeit viel Geld im Vergleich zu einer Entwicklung der Technik in Eigenregie sparen. Bislang hatte der Autoriese den Bereich in der Tochter Cariad gebündelt, die aber immer wieder mit Problemen zu kämpfen hat. Weil wichtige Software nicht rechtzeitig fertig geworden war, mussten die Töchter Audi und Porsche sogar die Einführung neuer Modelle verschieben. Laut "Handelsblatt" liegen die Modellanläufe bei Audi seit zwei Jahren hinter dem Zeitplan.
"Durch unsere Zusammenarbeit werden wir die besten Lösungen schneller und zu geringeren Kosten in unsere Fahrzeuge bringen", sagte Volkswagen-Chef Oliver Blume. Das stärke das Technologieprofil und die Wettbewerbsfähigkeit. Das 2009 gegründete Unternehmen Rivian ist an der Technologiebörse Nasdaq rund elf Milliarden Dollar wert, schreibt aber mit seinen Elektro-Pickups und Geländewagen Milliardenverluste. Die Aktie schoss nachbörslich um 42 Prozent nach oben - das entspricht rund vier Milliarden Dollar.
Kürzerer Weg für Datenübermittlung
Damit die Hersteller immer neue Funktionen bieten können, bauen sie in ihre Modelle schon seit Jahren mehr und mehr Steuereinheiten und längere Kabelstränge ein. Mit dem Vormarsch von Elektroautos kam auch ein Wettstreit bei neuen Fahrzeug-Architekturen in Gang. Die Trends: Weniger Komplexität und ein Fokus auf Software. Tesla war ein Vorreiter - ein "Computer auf Rädern".
Rivian entwickelte von Anfang an eine eigene Architektur, in der die Auto-Elektronik in mehrere Zonen mit eigenen Computern aufgeteilt wird. In der ersten Generation der Rivian-Plattform seien noch 17 dieser Steuereinheiten nötig gewesen, sagte Scaringe. Jetzt zur zweiten Generation habe man die Zahl auf sieben gedrückt. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren erkannt, dass etablierte Hersteller Schwierigkeiten bei eigener Software hätten.
Er sieht den Grund dafür darin, wie das Geschäft der Autobauer über Jahrzehnte lief: Viel Technik wurde bei verschiedenen Zulieferern eingekauft, "im Ergebnis hatte man eine Menge kleiner Computer, die an ganz bestimmte Funktionen angebunden waren". Wenn man aus dieser Welt komme, tue man sich schwer damit, eine Architektur nach dem Zonen-Prinzip zu entwickeln, bei der eine Steuereinheit Funktionen über mehrere Bereiche hinweg übernehme. Rivian ordnete diese ECUs (Electronic Control Unit) verteilt im Fahrzeug an, um den Weg für die Datenübermittlung zu verkürzen.
"Ein echtes Schnäppchen"
Rivian sei einer der weniger Hersteller, die eine solche Zonen-Architektur in der Serienproduktion hätten, urteilt der Autoanalyst der Marktforschungsfirma Garter, Pedro Pacheco. Das mache das Unternehmen wertvoll für VW. Wenn man bedenke, wie viel Geld Volkswagen bereits in die Entwicklung einer eigenen Plattform investiert habe, seien die Milliarden für Rivian "ein echtes Schnäppchen" für den deutschen Konzern. Zudem sende der Deal ein Signal, dass Dinge, die man einst selbst entwickelte, nun von einem anderen Hersteller kommen könnten.
Die Milliarden sollen Rivian nach und nach zufließen. In einem ersten Schritt zeichnet VW eine Wandelanleihe über eine Milliarde Dollar, die frühestens im Dezember in Rivian-Aktien umgetauscht werden soll. 2025 und 2026 will Volkswagen je eine weitere Milliarde Dollar in Rivian-Aktien stecken. Für das Joint Venture selbst gibt Volkswagen bis zu zwei Milliarden Dollar aus, ein Teil davon wird bei dessen Gründung, die für Ende 2024 geplant ist, für die Lizenzierung der Rivian-Software fällig.
Von der Partnerschaft könnten letztlich beide profitieren: Rivian braucht frisches Geld, um die Entwicklung des billigeren und kleineren R2-Geländewagens zu finanzieren, der 2026 auf den Markt kommen soll. Laut "Handelsblatt" sucht das Unternehmen angesichts der Verluste nach neuen Partnern. Der Handelsriese Amazon, mit dem Rivian eng zusammenarbeite, wolle kein frisches Geld nachschießen. Zuletzt hatte Rivian die Produktion gedrosselt, um zu sparen. Im vergangenen Quartal lieferte der Konzern knapp 13.600 Elektroautos aus und machte dabei 1,2 Milliarden Dollar Umsatz sowie 1,45 Milliarden Dollar Verlust.